Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1975

Spalte:

280-282

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Plath, Uwe

Titel/Untertitel:

Calvin und Basel in den Jahren 1552 - 1556 1975

Rezensent:

Rogge, Joachim

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

279

Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 4

aeo

fügen, das den Schluß des S zu Ps 17,29ff. und das S oder
vielleicht auch nur den Anfang des S zu Ps 18 enthält.
Nach diesem Blatt klafft in der Dresdener-Scholien-
Handschrift eine weitere Lücke, die die S zu Ps 19 bis
Anfang von Ps 26 enthalten haben dürfte. Denn im S zu
Ps 36,6 (WA 3; 204,4 = BoA 5; 110,30) verweist Luther
auf das S zu Ps 25 (gewiß zu V. 1).

Nachdem die Notwendigkeit, Vorgeschichte und Konzeption
der Neuedition der 1. Psalmenvorlesung schon
in verschiedenen Rezensionen zur 1. Lieferung von Bd.
551,1 und 5511,1 (vgl. R. Weijenborg, RHE 1964, 574-579.
K. H. Becker, Scholastik 40, 1965, 600 f. B. Lohse, DLZ 88,
1967, 122-126. H. Bornkamm, HZ 210, 1970, 415-417. E
Wolf, ThLZ 95, 1970, 114-116 u. a.) kritisch gewürdigt
worden ist, wollen wir uns den edierten Psalmen der
2. Lieferung genauer zuwenden. Neben dem Text- und
Handschriftenapparat ist der kommentierende Apparat
wieder eine ausgezeichnete Hilfe für das Verständnis
von Luthers Exegese. Die allzu schnell gestellte Frage,
wo Luther bereits (reformatorisch!) über die mittelalterliche
Tradition hinausweist, erfährt hier ihre notwendige
Erschwerung. Die altkirchliche, liturgische, kanonisti-
sche, exegetische, scholastisch-dogmatische und die in begrenztem
Maße herangezogene mystische Tradition zeigt,
wie sehr hier ein Exeget an der Schwelle des ausgehenden
Mittelalters um ein neues Verständnis der Psalmen
ringt. Kontrastierende Texte weisen wiederum auf
Punkte hin, an denen Luther andere Wege der Auslegung
beschreitet. Natürlich kann und will der Kommentar
nicht jede sachliche oder literarische Abhängigkeit
Luthers abklären, was auch bei einem traditionsgeschichtlich
so komplexen Phänomen wie der 1. Psalmenvorlesung
Luthers von 1513—1516 ein aussichtsloses
Unterfangen wäre. Doch weist der Kommentar in die
wesentliche Richtung und regt zur genaueren exegetischen
Nachfrage in hohem Maße an.

Dennoch sieht sich gerade auch dieser Kommentar mit
dem Problem der sachdienlichen Eingrenzung des Stoffes
konfrontiert. Soll man Autoren, die in guten neuen
Editionen vorliegen, in extenso im Wortlaut zitieren?
Genügt nicht die Angabe der Stelle oder eine oder zwei
den leitenden Gedanken treffende Textzeilen bzw. eine
kurze Zusammenfassung der zentralen Aussage des Textes
durch den Kommentator? Man könnte so einer gewissen
Uberfrachtung des ausgezeichneten Kommentars
wehren, und es bliebe noch ausreichend Platz für die sehr
schwer, oft nur in alten Handschriften zugänglichen
Texte. Auch sollte man das Kriterium, welche Texte Luther
sicher oder sehr wahrscheinlich gekannt hat, zur
Entlastung des Kommentars möglicherweise etwas strenger
anwenden. Diese Anfragen schmälern jedoch keineswegs
die große Hilfe, die der Leser für das Verständnis
der Exegese der vorliegenden Psalmen erfährt.

Möglicherweise hätte der Kommentar zum S zu Ps
17,12 die Hinweise auf Gerson, de myst theol, noch etwas
detaillierter bringen können. So bietet Gerson, aaO I p 6
con 29,4, z. B. interessante Parallelen zu der Vorstellung
des in 138,6ff. anklingenden excessus supermentalis. Die
im S zu Ps 26,5 behandelte Unterscheidung von homo inferior
et exterior steht bei Luther in der Tradition von
Augustin, de trin XII c 8 n 13; Thomas, STh 211 q 25 a 7
cp; Biel, II Sent d 24 q un a 3 dub 1. (Vgl. auch WA 9; 70,
11 ff. und 83,28 ff.) Zum Verständnis von excessus im S zu
Ps 30,23 sei noch auf den Prolog des Psalmenkommentars
des Perez de Valencia verwiesen. Diese Hinweise haben
lediglich ergänzenden Charakter zu dem im übrigen zuverlässig
und umfassend informierenden Kommentar.

Wird im Blick auf die mittelalterliche Tradition der
Leser sehr zufriedengestellt, so fragt er sich anderseits
etwas verwundert, warum Luther selbst so wenig als
sein eigener Kommentator herangezogen wird. Zu vielen
Sachfragen äußert sich Luther erst ausführlich an

anderer Stelle der 1. Psalmenvorlesung. Hier wäre ein
Hinweis auf die entsprechenden Parallelen von erheblichem
Wert. So könnte man für das Verständnis der ,ab-
sconditas dei' im S zu Ps 16,14 (127,11 ff.) z. B. auf Parallelen
in 3; 183,22ff. 548,14ff. 4; 82,14ff. 309,23«. verweisen
. Zu 146,5 ff. wäre der Hinweis auf die ausführliche
Exegese von Ps 118,105 in 4; 356,6ff. nützlich. Luthers
Deutung von ,dies' im S zu Ps 18,3 (149,1 ff.) hat wichtige
Parallelen z. B. in 3: 241,5ff. 484,34 ff. 4; 148,31 ff. u. ö.
,Eructare' im S zu Ps 18,3 (152,13 ff.) findet eine umfassende
Interpretation in 3; 255,15 ff. Zu ,facies' im S zu Ps
26,8f. (152,23ff.) sollte man 3; 214,15ff. 479.1 ff. 4; 147,
10 ff. u. ö. vergleichen. Im Kommentar zum S zu Ps 27,1
(155,2ff.) sollte man auf die ausführliche Exegese von
Ps 84,9 in 4; 8,37 ff. verweisen.

Hinsichtlich der reichlich und zuverlässig nachgewiesenen
Bibelzitate oder Anklänge biblischer Sprache sei angemerkt
, daß Luther bei den .psalmi laudatorii' (143,10)
über die angegebenen Stellen Ps 21,24 und Ps 99,4 hinaus
wohl allgemein an die Psalmen 112, 116, 134, 145 bis
150 („Laudate") und 102, 103, 143 („Benedicite") denkt.
(Druckfehler: 127.36: 1. Ps 9b,ll. 146,14: 1. positi.' 160,42:
1. nomen. 165,3: 1. revelabit.)

Wie schon bei der 1. Lieferung der Neuedition von Luthers
1. Psalmenvorlesung, so kann man der editorischen
Leistung des Herausgebers auch in der 2. Lieferung nur
großen Respekt zollen. Denn es ist schon eine entsagungsvolle
Arbeit, die bei der Erstellung eines Kommentars
zu einem so im Umbruch der Zeiten stehenden
Dokument wie Luthers 1. Psalmen Vorlesung geleistet
worden ist und wird. Man kann der Edition nur weiterhin
guten Erfolg wünschen und die dringende Bitte aussprechen
, auch das noch Folgende mit gleicher wissenschaftlicher
Umsicht — wenn vielleicht auch mit knapperer
Zitierung der jeweiligen Texte (vgl. o.) — darzubieten
.

Tübingen Karl-Heinz zur Mühlen

Plath, Uwe: Calvin und Basel in den Jahren 1552—1556.

Zürich: Theologischer Verlag [1974]. 311 S. 8° = Basler
Studien zur historischen und systematischen Theologie
, hrsg. von M. Geiger, 22. Lw. sfr. 44.—.

Wir haben eine Dissertation vor uns, die von der Philosophisch
-Historischen Fakultät der Universität Basel
im Jahre 1972 genehmigt worden ist. Sie erscheint außer
in der angezeigten Reihe noch als Band 133 der Basler
Beiträge zur Geschichtswissenschaft, herausgegeben von
Edgar Bonjour und Werner Kaegi. Ihr Vf., z. Z. Assistent
am Institut für Schweizerische Reformationsgeschichte
(Universität Zürich), hatte durch seine hauptsächlichen
Studienfächer, deren Rahmen auch im Doktorexamen
berücksichtigt wurde (Allgemeine Geschichte, Lateinische
Philologie und Kirchengeschichte), gute Voraussetzungen
zur Bewältigung einer Aufgabe, deren Ergebnis es jetzt
anzuzeigen gilt. 1909 hatte einer der Meister der reformierten
Kirchengeschichtsschreibung, Paul Wernle, ein
Werk vorgelegt (Calvin und Basel bis zum Tode des My-
conius. 1535—1552), dessen Fortsetzung sich Plath nun
unterzogen hat.

Die den kurzen Zeitraum von vier Jahren markierenden
Jahreszahlen im Titel der Studie wecken die Erwartung
des Blickes in eine Welt, die für die Geschichte der
Reformation und der Neuzeit von großer Bedeutung ist.
Nicht nur die „Berührungen" eines Reformators mit
einer Stadt werden hier thematisiert; vieles, was zur
Sprache kommt, ist exemplarisch, zukunftweisend, ganz
einfach historisch und geschichtlich belangvoll. „Calvin
und Basel" in den angezeigten Jahren, das heißt u. a.:
der Servet-Prozeß, das Ringen um das künftige Verhältnis
von weltlicher und geistlicher Macht, Auseinandersetzung
um Toleranz und Einhaltung rechter Lehre und