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1975

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Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 4

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Hand hat der Vf. m. E. bei den verschiedenen Stellen, die
das Opfer von Jungtieren behandeln. So fragt sich der
Leser, ob der Erzähler CTA 1:IV:30—32 die geopferten
Jährlinge so genau definieren wollte, wie es de Moor
nach anerkennenswerten Recherchen über die Konzeptions
- und Wurfzeiten der Nutztiere nachrechnet. Wer
CTA 4:III:40-44 mit CTA3:A:6ff.; CTA 4: VI:40-43.55
bis 59 und CTA 5: IV: 12—14 vergleicht, wird vollends geneigt
sein, diese Aufzählungen als typisch, aber nicht als
jahreszeitbedingt anzusehen. Die gleiche Frage möchte
man auch an die Ausdeutung von CTA 4:11:26—36 auf
die im Hintergrund stehende Wiedereröffnung der Fischerei
im März richten: Gehört es vielleicht nicht eher
zu den Gepflogenheiten der Herrin Aschera von der See,
ihre Gäste mit Fischen zu bewirten? — Dagegen nimmt
der Leser die bei der philologischen Interpretation von
CTA 2:1:13-47(137:13-47) und IV:2-40(68:2-40) erzielten
Fortschritte erfreut zur Kenntnis. Ansprechend ist
auch die Rückbeziehung der tkt-Schiffe in CTA 4:V:68
bis 71 auf die aus dem Mittelmeer aufsteigenden Kumulus
-Wolken. Auch was über CTA 4:V:111—127, über den
himmlischen Wolkenpalast Baals und das Luftloch ausgeführt
wird, verdient m. E. Zustimmung, vgl. VII: 14—32.
Von CTA 4: VII: 6-14 her wird S. 157 f. mit beachtenswerten
Gründen für das Verständnis der tesübat hassänä
2Samll,l als Zeitpunkt der Frühjahrsäquinoktien plädiert
. Daß der jahreszeitliche Hintergrund von CTA 4:
VII: 32—60 in der Gleichsetzung des Angriffs der Satelliten
Mots auf den §aphon mit dem Schirokko grundsätzlich
richtig getroffen ist, sei unterstrichen. Daß die sieben
Burschen Baals CTA 5: V: 4—24 eigentlich die sieben sichtbaren
und im Ugarit der zweiten Hälfte des 2. Jahrtausends
von Mitte März bis Mitte April nicht zu beobachtenden
Plejaden im Auge haben, bleibt zu erwägen.
Freilich stört beim Blick auf den Kontext, daß sie zu der
Zeit wiedererscheinen, in welcher der Gott gerade in der
Unterwelt verschwunden ist, ohne daß dieser Einwand
unüberwindbar sein muß. Problematisch ist, was de Moor
aus V:22—24 über einen „Ersatz-Baal" herausholt, der
an seiner Stelle stürbe und begraben werde, während
er selbst nur scheintot in der Unterwelt weilte. In der
Konsequenz wird denn auch CTA 5: VI:3—35 auf die
Entdeckung des toten Doppelgängers bezogen und aus
der Erwähnung des noch auf dem Felde stehenden Em-
mers die dazugehörige Rite in die Zeit zwischen Mitte
April und Mitte Mai eingeordnet. Für die Trauer- und
Beerdigungsriten, die CTA 5: VI:25—6:1:29 weiter ausgeführt
werden, nimmt de Moor nämlich ihre irdischen
Äquivalente an. CTA 6:11:26—111:1 bleibt schwierig zu
deuten. Daß sich hinter der Erzählung von der Mißhandlung
Mots durch Anat eine mit der letzten Garbe vorgenommene
Rite verbirgt, ist eine ansprechendere Vermutung
als die weiter von de Moor vorgetragene, die Aussaat
eines Teils des Mot symbolisierenden Getreides sei
archetypisch für die Anlage der Adonisgärtchen, vgl.
S. 214. Hier müßte der Vf. sein Verständnis wohl ausführlicher
darlegen, um überzeugen zu können. Daß CTA
6:111:1—21 noch den Aufenthalt Baals in der Unterwelt
voraussetzt, der Regen auf Erden noch nicht gefallen ist,
wird von CTA 6:III:22-1V:29 her eindeutig. Wenn sich
die Sonne CTA 6: IV:41—50 auf den Weg macht, um
Baal zu suchen, möchte man zu erwägen geben, ob sie
dabei nur als die allwissende oder auch als die physisch
wasserziehende fungiert. Die CTA 6:IV:42f. erwähnten
Kränze der Festgesellschaft werden künftig bei der Auslegung
von Jes. 28,1 zu berücksichtigen sein. — CTA 6: V:
1—6 lenken den Blick schon auf die Zeit, in der Baal und
seine Westwinde den Ostwind Mots vertreiben werden.
CTA6:V:7-25; VI:7-38 führen uns mit V:8f. noch einmal
vor die in diesem Zusammenhang von de Moor nicht
mehr berührten sieben Jahre, nach denen es zu einer
Art Ringkampf zwischen Mot und Baal kommt, u. E. eben

ein Zeugnis für die Ablösung des Mythos vom Jahreskreis
. Daß dieser in differenzierterer Weise hinter dem
Mythos steht und die durch das Epos hindurchschimmernden
Riten weithin auf ihn bezogen sind, ist durch
die Untersuchung de Moors jedenfalls deutlicher geworden
. Mit dem Schlußhymnus CTA 6: VI:41—52 wären wir
in der Neujahrsnacht angelangt, in welcher der Mythos
als ganzer seinen Sitz im Leben hatte.

Diese Zuweisung ist von de Moor freilich schon in Kapitel
4 verankert, zu dessen Gedankengang wir damit zurückkehren
. Die hier auf den S. 44—46 vorgetragenen
Überlegungen zur Methode der ugaritischen Philologie
verdienen nachdrückliche Beachtung.

Daß der Vf. seine eigene Untersuchung diesen strengen
Richtlinien unterworfen hat, indem er die Transkriptionen
der Texte neu nachprüfte und die Übersetzungen mit
einem die ganze lexikalische Diskussion aufarbeitenden
Kommentar versehen hat, wird man ihm gern bestätigen.
Da sich der philologische Kommentar mittels des Wörterverzeichnisses
S. 308—315 bequem erschließen läßt, hat
die Abhandlung über ihren Beitrag zum Gespräch über
die Verankerung des Mythos hinaus ein eigenständiges
Gewicht als Beitrag zur ugaritischen Lexikographie gewonnen
. Die sich in den Ubersetzungen niederschlagenden
Vorschläge verlangen im einzelnen ihre Bewährung
. Sie haben jedoch von vornherein deshalb viel für
sich, weil de Moor sie an allen Vorkommen in den ugaritischen
Texten überprüft hat2. — Weiter ist auf den S. 47
bis 54 über „Date and Place of Origin" und auf S. 55—62
über „Nature and Purpose of the Text" gehandelt. Von
der Erwähnung Niqmad II. in CTA 6:VI:53ff. ausgehend
kann de Moor die Herstellung der Tafeln zwischen 1380
und 1360 v. Chr. nachweisen, während der Mythos selbst
zwar in bis ins 19. Jh. v. Chr. zurückreichenden Traditionen
verwurzelt ist, aber seine jetzige Gestalt nicht
vor der Mitte des 2. Jahrtausends erhalten hat. Als
Entstehungsort wird, wie zu erwarten, Ugarit nachgewiesen
. Formal werden die Texte als „Mythos in
epischer Form" bzw. unter inhaltlichen Gesichtspunkten
als eine Kombination eines Natur- und eines
Kultmythos angesprochen und von CTA 17: VI: 28
bis 33 und CTA3:A dem Neujahrsfest zur Zeit der
Herbstäquinoktien zugewiesen. Der alttestamentlich interessierte
Leser wird die Argumentation S. 58 f. zugunsten
der Ableitung des israelitischen Laubhütten- vom
kanaanäischen Neujahrsfest zu beachten haben. Daß sich
der Vf. um die Überprüfung der möglichen Anspielungen
des Mythos auf den Jahreslauf an der levantinischen
Küste bemüht und dafür die besterreichbaren Unterlagen
herangezogen hat, verdient volle Anerkennung. Die Tabellen
der S. 251 ff. ermöglichen es jedem Leser, sich ein
vollständiges Bild der meteorologischen Bedingungen
dieser Region zu machen und dem Vf. in seiner Feststellung
zuzustimmen, daß sich das Klima dort seit dem
2. Jahrtausend nicht wesentlich geändert hat, vgl. S. 63
bis 65 und S. 249.
Marburg/Lahn Otto Kaiser

1 Zur willkommenen Verifikation für den Leser, der das von
Andree Herdner herausgegebene „Corpus des Tablettes en

Cuneiformes Alphabetiques", Paris 1963 (=CTA) nicht zur Hand
hat, füge ich die Fundstellen nach C. H. Gordon hinzu: 'nt:I-pl.
VI. :25; 'nt:pl.rx:n-pl.X:IV; 129; 137; 68; 51; 67; 49 und 62.

• Hier sei nur angemerkt, daß sich die Übersetzung von. t'r
CTA 3:B:20f. mit „arrange" m. E. nicht in den Kontext einfügt;
mir die Basis für das „not" in der Ubersetzung des schwierigen
Abschnitts CTA 1:IV:14 dunkel geblieben ist und, was In die
Interpretation hinüberführt, die Wiederaufnahme der Deutung
des Gottesnamens 'Atar von dem arab. 'atari und 'ä(0r bewässert
bzw. Bewässerungskanal, auf S. 205 im Blick auf die von A. Ca-
quot Syrla 35, 1958, S. 59 beigebrachten philologischen Argumente
wie im Blick auf den ganzen Götterkomplex *Atar, 'Afart, Iätar
fraglich erscheint.

Maloney, Robert P.: Usury and Restrictions on Interest-
Taking in the Ancient Near East (CBQ XXXVI, 1974
S. 1-20).