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1975

Kategorie:

Religionswissenschaft

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Neuerscheinungen

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253

Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 4

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Angesichts des in den letzten Jahren zu beobachtenden
verstärkten Interesses der alttestamentlichen Forschung
an den Problemen der israelitischen und damit notwendig
auch der vorderasiatischen und zumal der ägyptischen
Weisheit darf eine Untersuchung aus der Nachbardisziplin
auf diesem Felde der Aufmerksamkeit des Theologen
sicher sein. Beschäftigt sie sich mit der Lehre des
Amenemope, ist der Alttestamentier zu ihrer Wahrnehmung
verpflichtet, weil die zwischen ihr und der Pro-
verbiensammlung 22,17-24,22 bestehenden Verbindungen
seit dem Bekanntwerden der Lehre wiederholt Gegenstand
der Diskussion gewesen sind. Da es sich um die
erste umfassende ägyptologische Studie zu dieser Schrift
seit ihrer Veröffentlichung durch H. O. Lange im Jahre
1925 handelt, verspricht sie zudem, das in Zeitschriften
verstreute Material an Einzelbeobachtungen zusammenzufassen
. — In der Tat wird die Erwartung des Alttesta-
mentlers zunächst in doppelter Weise erfüllt. Schon ein
Blick auf den Aufbau des Buches macht deutlich, daß
ihm neben der Übersetzung eine Erörterung von Form,
Stellung und Quellen jedes einzelnen Kapitels und anschießend
ein Kommentar zum Inhalt geboten wird (S. 7
bis 181). Dabei ist dem Leser der zur Übersetzung gegebene
besondere Kommentar behilflich, der seit Lange
fortgeschrittenen sprachlichen Diskussion des Textes zu
folgen. Die im Klappanhang gebotene strophisch gegliederte
Umschrift des ganzen Textes erleichtert ihm zudem
die Lektüre. Weiterhin nimmt die Vf.in in ihrer von
Siegfried Morenz betreuten Basler Dissertation nicht nur
die von Albrecht Alt gestellte Aufgabe in Angriff, den
eigenen Beitrag Amenemopes gegenüber möglichen Vorlagen
abzugrenzen1, sondern legt auf diesem Wege zugleich
eine neue Hypothese über das zwischen der ägyptischen
und der israelitischen Lehre bestehende Verhältnis
vor. Zur Feststellung des spezifischen Gedankengutes
Amenemopes, eines, wie wir S. 19 ff. lernen, sich
hinter diesem Pseudonym verbergenden Weisen aus dem
Theben der späten Ramessidenzeit, stehen ihr hauptsächlich
die Lehren des Ptahhotep (5. Dynastie)2 und des
Ani (18. Dynastie), aber auch die obengenannte Prover-
biensammlung zur Verfügung. Dabei kommt letzterer in
den Überlegungen der Vf.in sogar besondere Bedeutung
zu, weil sie aus der Tatsache, daß die zu den hebräischen
Sprüchen vorliegenden Parallelen des Amenemope in der
im Alten Testament gegebenen Anordnung „auch im
ägyptischen Gewände" einen sinnvollen Text ergeben,
den Schluß zieht, so der von ihr als „Alte Lehre" bezeichneten
Vorlage des Amenemope auf der Spur zu
sein'. Dabei zeigen die zwischen der Proverbiensamm-
lung und dem Amenemope auf der einen und dem Ptahhotep
auf der anderen Seite sowie die nur zwischen den
beiden ägyptischen Lehren bestehenden Verbindungen,
daß dieser „Alten Lehre" auch noch ein nicht mehr ganz
scharf abzugrenzender Auszug aus dem Ptahhotep zugerechnet
werden muß. Da nun die Beziehungen zwischen
Prov 22,17-23,11 und Amenemope unwiderlegbar
sind, zugleich aber das Auswahl- und Anordnungsprinzip
der hebräischen Sammlung bei der Annahme direkter
Abhängigkeit von Amenemope unverständlich ist,
hat der Versuch der Vf.in, das Problem mittels der Annahme
einer beiden gemeinsamen dritten Quelle als
Vorlage zu lösen, jedenfalls ihr hypothetisches Recht.
Als für Amenemope typisch erkennt sie dann eine Bearbeitung
dieser „Alten Lehre" und weiterer Nebenquellen
im Geiste einer neuen, durch das Ideal des „gerechten
Schweigers" bestimmten, verinnerlichten Haltung. Dabei
wäre Amenemope entscheidend durch das Gebet an
Thot aus dem Pap. Sallier 1,8,2-7 mit seiner dort begegnenden
Gegenüberstellung des „Heißen" und des „gerechten
Schweigers" bestimmt.

Der Alttestamentier muß freilich daran erinnern, daß
es neben der von der Vf.in untersuchten Möglichkeit

noch die andere einer zwischen Amenemope und die
Proverbiensammlung tretenden, sei es mündlichen oder
schriftlichen, Vermittlung gibt. Dazu kommt, daß die
quellenvergleichende Auslegung, die ihrerseits den Evidenzbeweis
bringen soll, mit ihrer eigentümlichen Neigung
, aus Wortanklängen oder Wortwiederholungen
planvolle Beziehungen abzuleiten, den Rezensenten öfters
befremdet als überzeugt hat. Doch möchte er an dieser
Stelle dem Urteil des Ägyptologen nicht vorgreifen.
Unbeschadet dieser kritischen Hinweise wird der urteilsfähige
Leser das Buch mit Gewinn zu Rate ziehen
und dabei der Vf.in für ihre erhellenden Beobachtungen
zum Aufbau des Buches, manche weiterführende Einzelbeobachtung
und die Aufarbeitung der Diskussion auch
dann Dank wissen, wenn er ihr bei deren Auswertung
nicht immer zu folgen vermag. Das seine These in der
„Einleitung", S. 1—15, entfaltende und sein Ergebnis im
„Schluß", S. 182—185, prägnant zusammenfassende Buch
ist mit den üblichen Registern versehen.
Marburg/Lahn Otto Kaiser

1 A. Alt: Zur literarischen Analyse der Weisheit des Amenemope
, in: Wisdom In Israel and in the Ancient Near East. Festschrift
H. H. Rowley, SVT 3, Leiden 1955, S. 16H.

1 Zur Datierung vgl. Jetzt W. Helck: Zur Frage der Entstehung
der ägyptischen Literatur, WZKM 63/64, 1972, S. 16ff.

1 Vgl. dazu die ägyptische Rekonstruktion der „Alten Lehre"
mit den angemerkten alttestamentlichen Parallelen Im Taiel-
anhang.

Bibby, Reginald W.; Brinkerhoff, Merlin B.: Sources of
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vestigation (Review of Religious Research 15, 1974, S.
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Hoßfeld, Paul: Moses, Zarathustra, Buddha, Jesus, Mani,

Mohammed. Die großen Religionsstifter heute gesehen.

534 Bad Honnef (Im Gier 2): Selbstverlag d. Vf.s 1974.

III, 146 S. 8°. DM 10,-.
Janssens, J.: Beknopt overzicht van de Musulmaanse

wijsbegeerte (TijdschrFil 36, 1974, S. 127-137).
Lapis, Bohdan: Die Anschauungen über die Arbeit im

Koran (ZRGG 25, 1973 S. 97-111).
Ringgren, Helmer: Veränderung und Kontinuität in der

Welt der Religionen (StTh 28, 1974 S. 87-95).
Velasco, Juan Martin: Die religiösen Erweckungsbewe-

gungen in der Religionsgeschichte (Concilium 9, 1973

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Waardenburg, J. D. J.: Religionen der Gegenwart im
Blickfeld phänomenologischer Forschung (NZSystTh
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ALTER ORIENT

Moor, Johannes C. de: The Seasonal Pattern in the Uga-
ritic Myth of Ba'lu. According to the Version of Ili-
milku. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag d. Erziehungsvereins
; Kevelaer: Butzon & Bercker 1971. X,
321 S. 4° = Alter Orient und Altes Testament. Ver-
öffentl. zur Kultur u. Geschichte d. Alten Orients u. d.
Alten Testaments, hrsg. von K. Bergerhof, M. Dietrich,
O. Loretz. Lw. DM 78,—.

Die der Freien Universität in Amsterdam vorgelegte
Dissertation des Mitherausgebers der „Ugarit-Forschun-
gen" hat sich das Ziel gesetzt, die seit der Entdeckung der
Texte kontroverse Frage nach der Art der Beziehungen
des ugaritischen Baal-Mythos zum Jahreslauf in dem
Maße endgültig zu klären, in dem das bei dem Zustand
der Uberlieferung im gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt
möglich ist. Hatte Gese erst 1970 in den „Religionen
Altsyriens, Altarabiens und der Mandäer", Stuttgart
1970, S. 78 f., nach der Prüfung der Texte gefolgert,
daß es sich bei dem Baal-Epos bereits um das Ergebnis
eines Ablösungsprozesses von den in seinem Hintergrund
stehenden rituellen und jahreszeitlich gebundenen Mo-