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1975

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Altes Testament

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Neuerscheinungen

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und siehe da, er findet einen neuen Weg, die Einzelteile des
Textes seinen Wünschen entsprechend zu komhinieren: Auf
S. 371 stellt man fest, daß die 84 Wörter Bericht von Jcs
1,10—17 nunmehr als Rede gerechnet werden, zu welcher
auch noch die 10 Wörter Rahmentext hinzuzunehmen sind,
so daß sich jetzt als Bauplan ergibt: 2 E + 94 R, Diese
neue Aufteilung der Wörter ist aber auch dringend erforderlich
, denn Schedl braucht diese 94 Wörter Rede (die zuvor
Rahmentext und Bericht waren), um für die Reden von
Jes 1-12 auf 736 Wörter (736 = 23 X 32 = Produkt der
Teilwerte der Tetraktys) zu kommen. Für die Berichte, die
jetzt Kerygma heißen, erhält er 3 X 736 Wörter, so daß sich
als Gesamtbauplan von Jes 1—12 ergibt: 177 Rahmen -f-
(4 X 736) Reden-Kerygma = 3121 Wörter (S. 274). Die
Freude des skeptischen Lesers. Schedl könnte wenigstens mit
den 177 Wörtern Rahmen nichts anfangen, wird rasch getrübt
, denn: „Trotz der Veränderlichkeit des Mondkalendcrs
galt es als unabänderliches Gesetz, daß vom 1. Nisan bis
1. Tischri immer genau 177 Tage, die Zahl eines halben
Mondjahres, eingeordnet werden mußten" (S. 357).

Die Beliebi gkeit. mit welcher Schedl die Wörter eines
Textes hin und her schiebt, macht die Manipulation offenkundig
. Schedl führt damit seine Methode selbst ad absurdum
. Sie ist eben doch nicht mehr als Zahlengpekulation,
Zahlenmystik und Zahlenphantasie, die dem Text übergestülpt
wird. Das Zählen allein macht noch keine Mathematik,
Handelte es sich bei dem, was Scheul gefunden zu haben
meint, wirklich um eine alte exakte, mathematische Methode
der Textgestaltung) wäre sie in der nachbiblischen Literatur
über die Jahrhunderte hinweg sicherlich weitergegeben
worden und es hätte nicht erst der Arbeit von C. Schedl
bedurft, sie wieder ans Licht zu bringen (S. 377). Dessenungeachtet
wird derjenige, der an geistreicher Spekulation und
phantasievoller Kombination seinen Spaß hat, Schedls Ausführungen
mit Vergnügen lesen, wer jedoch an wissenschaftlicher
Methodik interessiert ist, kann ohne Sorge zur
Tagesordnung übergehen.

In der Auslegung der Jesajatexte folgt Schedl der Para-
scheneinteilung des Codex L, was zu manchen ungewöhnlichen
Textabgrenzungen führt. Die dadurch vorgegebenen
Texteinheiten werden in einem Zweischritt („Form" — ..Erklärung
") interpretiert. Unter „Form" findet man die logotechnische
Analyse, die der „Erklärung" jeweils vorausgeht,
lieide Schritte sind allerdings nur insofern aufeinander bezogen
, als die Gliederung der einzelnen Texteinheiten sowohl
unter „Form" als auch unter „Erklärung" Berücksichtigung
findet. Eine weitere Integration zwischen „Logotechnik" und
herkömmlicher Interpretationsweise findet nicht statt. Man
hat den Eindruck, als wäre selbst für Schedl der Bauplan
bzw. die logotechnische Struktur der Texte darüber hinaus
für die Auslegung ohne Bedeutung.

Die Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Forschung
führt Schedl jeweils im Abschnitt „Form". Er beschränkt
sich dabei auf ein paar wenige Sätze und im wesentlichen
auf die Diskussion mit H. Wildberger (BK X), dem er sich
besonders verpflichtet fühlt. Gattungs- und redaktionskritische
Forschungsergebnisse werden kurz referiert und
teilweise mit dem Hinweis auf die klare logotechnische
Strukturierung der nach Codex L abgegrenzten Einheiten als
unzutreffend erwiesen. Ein relatives Recht und gelegentlich
richtige Ergehnisse gesteht Schedl schon zu (z. B. S. 137),
doch sind solche Erkenntnisse angesichts der Geschlossenheit
der Baueinheiten des Prophetenwortes in seiner kanonischen
Texlform für Schedl zweitrangig.

Entsprechend undeutlich sind darum auch Schedls
Äußerungen zu Echtheitsproblemen. Man weiß nie so recht,
ob Schedl einen Text Jesaja zu- oder abspricht (z. B. Jes
2,2—4), und wenn er dies einmal tut, dann schwächt er seine
Äußerung auch gleich wieder ab, indem er von Neubau.
Aktualisierung und Überarbeitung von altem Material redet
/z< B. im Zusammenhang mit Jes 11,11-12,6 sie!). Das hängt
abcr eben damit zusammen, daß Schedl vorwiegend au der

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Theologie des kanonisch gewordenen Textes interessiert ist
und weniger an dem, was jesajanische Verkündigung ist. So
kann er im Zusammenhang mit Jes 7,10—17 sagen: „Wie es
also bei der Textanalyse nicht gelingen wird, den chemisch
reinen ,echten' Jesajahtext herauszudestilheren, ebensowenig
dürfte es gelingen, die historisch ,echte' Jesajah-
botschaft von jenem ,Goldgrund' des Endzeitglaubens zu
lösen, auf dem sie jetzt geschrieben steht. Der Vollsinn der
Immanuelprophetie kann daher nicht in der Zeitgeschichte,
sondern nur in der Heilsgeschichte gefunden werden." (S.
211).

Das führt Schedl jedoch nicht dazu, historische Überlegungen
zur Entstehung der einzelnen Texte völlig abzulehnen
. Im Gegenteil, er iegt eine Reihe solcher Überlegungen
selbst vor (z. B. Deutung von Jes 7.14ff. und 9,1—6 auf
Hiskia, Datierung von Jes 11,1—9 in die Zeit der Belagerung
Jerusalems inter Sanherib), warnt aber davor, zeitgeschichtliche
Gegenwart und heilsgeschichtliche Zukunft zu stark
auseinanderzureißen (S. 320).

Diese seltsam schillernde Auslegung der Kapitel 1—12 des
Jesajabuches verrät das eigentliche Interesse Schedls am
Bibeltext. Schedl sucht die höhere Einheit von in die
Ocschichte eingebetteter prophetischer Verkündigung und
ihrer über die Zeiten immer wieder neu veranstalteten Interpretation
zu erarbeiten, was für ihn „den Vollsinn der
Schrift erschließen1' heißt (S. 337). Dieser Versuch nötigt
Bespekt ab. Ob er allerdings im Zusammenhang mit der
Logotechnik gelungen ist, wird man ernsthaft fragen dürfen.

De.....nit der logotechnischen Methode, die — wie ich oben

gezeigt habe — als reine Spekulation rundweg abzulehnen ist,
beeinträchtigt Schedl seine Arbeit in ganz erheblichem Maße,
und es steht zu befürchten, daß manch interessante theologische
Überlegung Schedls damit von vornherein desavouiert
ist. Es wäre besser gewesen, Schedl halte anstelle
seiner „exakt mathematischen" Methoden die herkömmlichen
und inzwischen durchaus verbesserten Methoden der
alltestameulliehen Wissenschaft auf Jes 1—12 intensiver angewandt
. Das wäre seiner ganzheitlichen Intention sicherlich
mehr zugute gekommen.

Erlangen Gunther Wanke

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Theologische Literaturzeitung 100. Jahrgang 1975 Nr. 3