Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1974

Spalte:

124-125

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Nijenhuis, W.

Titel/Untertitel:

Ecclesia Reformata 1974

Rezensent:

Moeller, Bernd

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

123

Theologische Literaturzeitung ÖD. Jahrgang 1974 Nr. 2

124

nen aus. Aber vor die Entscheidung gestellt, schreckt er
zurück, scheut den Bruch, bleibt der gehorsame Gefolgsmann
des Papstes, den Anschauungen seiner Zeit verpflichtet
" (70). „Unfähig, die Notwendigkeiten seines
Amtes mit seinen Einsichten in Übereinstimmung zu
bringen, flüchtete er in die Vision" (71).

Die übrigen Referate stellen stärker systematische Beiträge
dar bzw. beschränken sich auf Werkanalysen. Dabei
steht selbstverständlich „De pace fidei" im Mittelpunkt
(de Gandillac, Heinz-Mohr, Weier, Röhricht). Dem Rez.
scheinen diese Beiträge den historischen Zusammenhang
bzw. die Widersprüche zwischen Theorie und Praxis bei
N. nicht immer genügend zu berücksichtigen. N. erscheint
geradezu in einem verklärten Licht - bis hin zu
der überspitzten Äußerung des (luth.l) Theologen Röhricht
: „Wer würde sich besser zum Heiligen und Schutzpatron
der Ökumene eignen als Nikolaus von Kues?"
(136).

Auffällig bleiben die positiven Äußerungen von N. über
den Koran: „Der Koran ist ja für Nikolaus Zeuge der
christlichen Wahrheit" (83). N. will den Islam zur Union
mit der Kirche gewinnen. Er hatte „in Richtung der Einheit
sehr hochfliegende Pläne" (de Gandillac, 94) und
wollte in allen Religionen einen gemeinsamen religiösen
Kern erblicken (95f.), wenn auch Christus der einzige Weg
zum Leben bleibt. De Gandillac und Heinz-Mohr wehren
sich dagegen, N. in aufklärerischem Sinne verstehen zu
wollen (99, 171). Röhricht weist darauf hin, daß N. „in
seiner theologischen Vision ... nicht nur die Eintracht
der streitenden Christen, sondern die Vereinigung aller
Menschen in ihren Religionen" schaute (127). „Er hat
ebenso an den alle Gegensätze überwindenden Gottesfrieden
geglaubt, mitten im Jahrhundert der barbarischen
Hussitenkriege und der Eroberung Konstantinopels durch
die Türken. Seine Toleranz bestand darin, daß er unter
diesen Gegensätzen gelitten hat..." (132). Röhricht
spricht von „der Toleranz der denkenden Bescheidenheit
, die sich um die Gegensätze und ihre Überwindung
geduldig bemüht und dabei ihrer Sache durch Christus
gewiß ist", doch räumt er wenigstens ein, „wie schwer es
ihm als Kirchenpolitiker in der Praxis geworden ist, diese
Konkordanz durchzuhalten" (136). Haubst ist der cusa-
nischen Ekklesiologie nachgegangen und sieht in der
„repraesentatio" ihren Leitgedanken: „Christus repräsentiert
sich und ist heilswirksam im Vollzug des Priester-,
Leitungs- und Lehramtes seiner Kirche" (147), wobei N.
zuerst das Konzil dem Papst überordnete, dann aber,
durch die Erfahrungen mit dem Basler Konzil, im Papst
den „Hort der Wahrheit gegenüber dem Schisma" sah,
so daß nur ein unter Leitung des Papstes stehendes Konzil
die Kirche repräsentieren kann (152f., 159). N. trat für
ein „kleines, beständiges Konzil" von Kardinälen ein

Die z.T. abgedruckten Diskussionsbeiträge verdeutlichen
und aktualisieren die Referate, wobei ein ökumenischer
Optimismus, gerade auch in der Amtsauffassung
, nicht zu verkennen ist (108ff., 138, 160ff.).

In einem Anhang werden vier weitere Aufsätze abgedruckt
, die sich, im Zusammenhang mit dem Titel,
wieder mit „De pace fidei" beschäftigen. Es muß berücksichtigt
werden, daß diese Schrift unter dem Eindruck
des Falls von Konstantinopel geschrieben ist. Hanssler
weist darauf hin, daß die Reichsreform von 1495 mit auf
Argumente und Vorschläge von N. zurückgeht (194).
Seinen Gedanken „omnis concordia differentiarum est"
möchte N. auf die ganze Völkerwelt ausdehnen (195f.).
Goerdt vergleicht die christozentrische Spekulation
Solowjews mit der Christologie von N. und weist auf
marxistische Abhandlungen über N. hin, die allgemein
positiv ausfallen1, weil sie in N. einen Dialektiker sehen
(201).

Wenn Rez. recht sieht, ist die gegenwärtige Cusanus-
forschung (zugleich etwa mit der Bielforschung) darum
bemüht, die Geisteshaltung des 15. Jahrhunderts besser
verstehen zu können, den Boden also, auf dem die Reformation
der Kirche begann.

Schlettau/Erzgeb. Karl-Herniann Knndlcr

1 Vgl. auch Pal Sändor, Nicolaus Cusanus, Berlin-Budapest
1971; diese marxistische Studie berücksichtigt leider kaum die
gegenwärtige Cusanusforschung.

Bacht, Heinrich: Zur Ekklesiologie des Lateranum IV (in: Wolter
, Hans, Hrsg., Testimonium Veritati, Frankfurt/M.:
Knecht 1971, S.101-123).

Fischer, Joseph A.: Die Translation des hl. Koibinian im Jahre
768, in: Bavaria Christiana. Zur Frühgeschichte des Christentums
in Bayern. FS A. W. Zicgler, hrsg. v. W. Gessel und
P.Stockmeier. München: Verlag Franz X.Seitz & Val. Höfling
1973 S.53-76.

Oertz, Bernhard: Tönend vom lebendigen Licht. Hildegard
von Bingen und das Problem der Prophetie in der Kirche
(Erbe und Auftrag 49, 1973 S. 171-189).

Gönnet, Giovanni: Le developpement des doctrines vaudoises
de Lyon a Chanforan (1170-1532) (RHPhR 52, 1972 «S.397
bis 406).

Haubst, Rudolf: Welcher „Frankfurter" sehrieb die „Theo-
logia deutsch"? (Theologie und Philosophie 48, 1973 S.218
bii 239).

Hoffmann, Fritz u.a. [Hrsg.]: Sapientcr Ordinäre. Festgabe für
E.Kleineidam, Leipzig: St. Benno 1969.
Leclercq, Jean: „Ad ipsam sophiam Christum". Dns mona-

stische Zeugnis Abaelards, S. 179-198.
Wanke, Otto: Duns Scotus als Naturrechtulchrer, S. 199-231.
Ernst.Wilhelm: Spätmittelalterliehe Heiligenpredigten.Eine

Untersuchung der Sermone» de Sanctis bei Gabriel Biel,

S. 232-259.

Böhmer, Karl: Das Schisma von 1054 im Liebte der byzantinischen
und fränkisch-deutschen Reichspolitik, S.317
bis 336.

Lassus. Albert: Eremitismus im Leben der Kirche, nach dem
seligen Paul Giustiniani, gestorben am 28. Juni 1528 (Erl>o
und Auftrag 49. 1973 S. 208-216).

Mühlen, Heribert: Das Konzil von Florenz (1439) als vorläufiges
Modell eines kommenden Unionskonzils (ThGI 63, 1973
S. 184-197).

Sehinzer, Reinhard: Gott und die Sprache bei Heinrich von
Gent (t 1293) (NZsystTh 15, 1973 S. 148-171).

KIRCHENGESCHICHTE:
REFORMATIONSZEIT

ISijenhuu, W.: EccIeM» Rcformata. Studies on the Reformation
. Leiden: Brill 1972. VIII, 220 S. gr. 8° - Kerkhisto-
rischo Bijdragen, ed. by J.N. Bakhuizen van den Brink,

C. C.de Bruin, W.F.Dankbaar, J.C.P.A. van I— iImiTW.

D. Nauta, III. Lw. hfl. 56.-.

Das Buch enthält neun Aufsätze des holländischen
Kirchenhistorikers zu Detailfragen der reformierten
Theologiegeschichte des 16. und frühen 17. Jahrhunderts.
Sieben von ihnen sind in holländischer Sprache bereits
früher erschienen. Die einzelnen Beiträge werden als Kapitel
gezählt, doch ist ihr thematischer Zusammenhang
nur lose.

Neben dem ersten Aufsatz „Traces of a Lutheran
eucharistic doctrine in Thomas Cranmer" (S.l-22), der
die Abkehr Cranmers von der Transsubstantiationslehre
schon jedenfalls für das Jahr 1537 feststellt - ob man seinen
Standpunkt allerdings „lutherisch" nennen kann, er-