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Ausgabe:

1974

Spalte:

122-124

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Nikolaus von Kues als Promotor der Ökumene 1974

Rezensent:

Kandler, Karl-Hermann

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Theologische Liteiüturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 2

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Gedenkens: bei Tagino tendiert es zur Nekrologie des Quellen schaden kann. Bei W. überwiegen die positiven

Magdeburger Domstifts, bei Thietmar sogar zu einer Ergebnisse, doch sei die Gefahr eines zu einseitigen Spe-

ottonischen ,ReichsnekTologie'" (S.82). Weitere Zeugen zialistentums signalisiert.

sind die Erzbischöfe Wilhelm von Mainz, Heinrich von Rostook Gert Haendiei
Trier, Brun von Köln und Bischof Abraham von Freising
. Kapitel III „Verbreitung" beginnt mit Aufzeichnungen
des Abtes Samuel von Weißenburg (f 1097), der Hautet, Rudolf [Hrsg.]: Nikolaus Ton Kues als Promotor der
199 Namen nennt, darunter Karl d. Gr., Pippin und Kon- Ökumene. Akten des Symposions in Bernkastel-Kues vom
stantin (S.97). W. schließt auf ein bewußt reichskirch- 22. bis 24.September 1970. Mainz: Matthias-Grünewald-
liches Denken im Gegensatz zur monastischen oder gar Verlag 1971. 224 S. gr. 8° == Mitteilungen u. Forsehungs-
gregorianischen Reformbewegung. Auch Bernold von beitrage der Cusanus-Gesellschaft, 9. Kart. DM 29,-.
Konstanz, später ein radikaler Anhänger Gregors VII., Dieser Band enthält die „Akten des Symposions in
hielt sich bis 1072 im Rahmen einer maßvollen Reform; Bernkastel-Kues vom 22. bis 24.September 1970". Es
in Nachträgen kann W. die Veränderungen aufweisen war dem im Titel genannten Thema gewidmet. Ein Ver-
(H. 103/05). Bischof Ellenhard von Freising und Propst zeichnis der Aufsätze erschien in ThLZ 97, 1972 8p.
Poppo von Bamberg standen auf Seiten des Königs, eben- 685/86.

so auch Bischof Heinrich von Lüttich, bei dem ein stär- E.Meuthen stellt N., besonders seinen umstrittenen
kerer mönchischer Einschlug erkennbar wird (S.lll). Frontwechsel vom Konziliaristen zum Papalisten, in den
In einer Schlußbetrachtung nennt W. Quellen nach 1100, historischen Zusammenhang. Eugen IV. habe es ver-
doch hören die persönlichen Eintragungen mit dem standen, die Union mit den Ostkirchen herbeizuführen
Investiturstreit auf. An ihre Stelle tritt ein kirchlich oder und sich damit als „der Einende offenbart", denn das war
klösterlich bestimmtes Gedächtniswesen: „Angesichts dem Basler Konzil nicht gelungen, so daß dieses seine
dieser immer umfangreicher werdenden kollektiven Aufgabe der Erbauung der Kirche nicht erfüllt habe (23).
Gebetsfiirsorge mögen viele Geistliche ein persönliches Im Referat wird die bisher unbekannte Schrift von N.
Memento für entbehrlich gehalten haben" (S.117). „De maioritate auetoritatis sacrorum conciliorum supra
W. hat die Quellen gründlich ausgeleuchtet. Er er- auetoritatem pape" von 1433 (also vor dem Frontwechsel
arbeitete neue Zusammenhänge, manche Persönlichkeit entstanden) erläutert, die sich durch „Ansätze histo-
steht deutlicher vor uns als früher. Er hat auf eine Quel- rischer Betrachtungsweise auszeichnet" (25). N. unter-
lengruppe aufmerksam gemacht, die bisher kaum be- scheidet darin zum erstenmal den doppelten Charakter
achtet war. W. weist auch auf weitere Aufgaben hin, die der abendländischen Universalsynoden (28).
sich im Hinblick auf Gedächtnisbücher der Klöster, W.Krämer sprach über den Beitrag von N. zum
Kathedralen oder Kollcgiatkirchen ergeben (S.XI). Unionskonzil mit der Ostkirche. Seine Schrift „De con-
Ldierte Quellen wurden richtiggestellt, unedierte wurden cordantia catholica" „ist kein Leitfaden zur Wiederbekannt
gemacht. Der Zusammenhang zwischen den ge- Vereinigung, sondern die Grundlegung einer universellen
nannten persönlichen Gedächtnisaufzeichnungen und Ekklesiologie mit optimaler Eigenständigkeit der Parti-
dem reichskirchlichen System liegt klar vor Augen. kularkirchen und der Theologie. Von daher hat sie aber
-Manchmal freilich ist die Arbeit zu speziell eingeengt fundamentale Überlegungen für die Union mit der Ostauf
die Quelle. So wird (8.25) Ansgar erwähnt, als kirche" (40). Zu seiner ekklesiologischen Grundhaltung
Literatur über ihn wird Dümmler (von 1887!) genannt kam N. durch intensives Studium der alten Konzile (41).
sowie die Edition von Trillmich von 1961 - als ob nicht Die ganze unerfreuliche Vorgeschichte des „Friedens-
1965 zum Ansgar-Jubiläum eine Fülle neuer Literatur er- Schlusses von Florenz" 1439 wird dargestellt. Da aber
schienen wäre. Über Willibrord (8.35) hat nach W. nur weder im Osten noch im Westen die Allgemeinheit die
Wilhelm Levison erwähnenswert gearbeitet. Die Mei- Union realisierte, wurde die Wiedervereinigung um ihre
nung, das Gebet für die Obrigkeit - es steht 1 Tim 2,1 f. Wirkung gebracht (52).

und nicht lTim lf. - sei eine „vielleicht zu diesem Zeit- H.Hallauer legt das „Glaubensgespräch mit den Hus-
Punkt vergessene Christenpflicht" gewesen, die erst Karl siten" dar und zeigt dabei N. stärker als jedes andere
«•Gr. wieder belebt habe (8.42), zeigt Unsicherheit des Referat auch mit durchaus negativen Zügen. Die AusAutors
gegenüber größeren Zusammenhängen. Zutreffend einandersetzung mit den Hussiten durchzieht N.s ganzes
sPricht W. von einer „gewissen Kühle" zwischen Thiet- Lehen. Schon 1433 erhält für N. pax und unitas eccle«iae
J^ar von Merseburg und seinem König Heinrich II. (S. 74), eine zentrale Bedeutung, die Einheit wird auch als unitas
'ür die er Gründe sucht. Den Streit wegen des Bündnisses rituum verstanden. Wohl sei, räumt N. ein, grundsätzlich
■Bit den heidnischen Liutizen von 1002 nennt W. nicht, gegen den Laienkelch nichts einzuwenden, doch scheinen
^bwohl er in Thietmars Chronik durchaus spürbar ist N. die Böhmen der Frage des sakramentalen Ritus eine
<Ygl- Ev. Miss. Zs. 1967, S. 203ff.). Für das Nachleben übertriebene Bedeutung beizulegen. Ohne Konsensus mit
Konstantins bietet W. einen interessanten Beleg (S. 97), der Kirche, selbst auf Gefahr des Schismas hin, bringe der
jU>oh kennt er wohl keine Arbeit zu diesem Thema? Für Laienkelch mehr Verderben als Gnade. Ein Berufen auf
<l'e l'apstgeschichte des 10./11. Jh.s wird nur F.X.Sep- die Schrift läßt N. nicht gelten, denn „das Heil liegt nur
g»t genannt (S.98, Anm.21). W. staunt, daß der strenge in der Einheit mit der Kirche", repräsentiert in der Hier-
,r,,gorianer Uernold von Konstanz die Nachfolger Gre- archie (55, vgl. auch 65). N. arbeitete Vorschläge aus, die
Sjors VII. Viktor III. und Urban II. - nicht in sein Ge- den Kern der späteren Kompaktaten bildeten (56).
Renken aufgenommen hat (S.104). Viktor TIT. aber war Später forderte N. im Grunde von den Böhmen die be-
SWl als Abt Desiderius von Monte Cassino von Gregor dingungslose Kapitulation. Der Ref. stellt das Ringen
IL gebannt worden, weil er letzte Konsequenzen aus der zwischen N. und Kapistran, in dem N. zu seiner Haltung
Politik Gregors VII. nicht mitmachen wollte. So ist genötigt wird, anschaulich dar. „Unlösbar scheint mir die
"ernolds Schweigen durchaus versf Endlich. Spannung zwischen dem Theoretiker Nikolaus von Kues,
Kh geht bei diesen Hinweisen nicht nur um W., es geht der im Unverbindlichen verharren kann, und dem Diplo-
u.m eine allgemeine (Jefahr der fortschreitenden Speziali- maten und Kirchenpolitiker, der auf den Boden der Rea-
^rung: Ein am frühen Mittelalter interessierter Histo- litäten gezwungen wird. Am Dialog mit den Böhmen er-
fl«er vertieft sich in seine Quellen und seine Fragestel- leben wir seinen inneren Konflikt zwischen großzügiger
25$i aber der Blick schon auf die nächsten Nachbar- Toleranz, geistiger Offenheit und Loyalitat zu Amt und
Wfcte kann fehlen was dann auch der Deutung der Auftrag Hein Denken bricht aus den traditionellen B*Jf