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Ausgabe:

1974

Spalte:

107-110

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Neirynck, Frans

Titel/Untertitel:

Duality in Mark 1974

Rezensent:

Kuhn, Heinz-Wolfgang

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Theologische Ltteraturz.eitunfS 99. Jahrgang 1974 Nr. 2

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.Geschichte', die mit dem .Zeugnis des Vaters', dem
.Zeugnis der Werke' und dem .Zeugnis Jesu' inauguriert
ist, nicht gerecht. So bedarf die beachtliche traditions-
geschichtliche Untersuchung des Vf.s einer Fortführung
nicht nur in die Bereiche der ,Fundamentaltheologie',
sondern vor allem in das theologische Verstehen von Geschichte
, das die gerade mit dem Begriff des Zeugnisses
verknüpfte Problematik zu der Geschichte als Geschichte
Gottes führt, ohne welchen Index Geschichte nicht letztlich
als ,Geschichte' verstanden werden kann.

Wien Qottfiicd Fitzer

Neirynck, Frans: Duality in Mark. Contributions to the Study
of the Markan Redaction. Leuven: University Press [1972].
214 S. gr. 8° = Bibliotheca Ephemeridnni Theologicaruni
Lovaniensium, XXXI. Kart. bfr. 350.-.

Die hier in einem selbständigen Band zugänglich gemachten
drei Veröffentlichungen aus den Ephemerides
Theologicae Lovanienses (47,1971,144ff., 394ff. und 48,
1972,150ff.) sind als eine mit Akribie gefertigte Vorarbeit
für eine Untersuchung des markimschen Stils zu werten.
Der Leser muß sich in diesem Stadium leider damit zufrieden
geben, im wesentlichen eine quantifizierende Aufzählung
sehr verschiedener sprachlicher Erscheinungen im
MkEv zu erhalten. Es geht dabei vor allem um die Vorliebe
des MkEv für sprachliche Doppelungen, auf die man
unter Stichwörtern wie Pleonasmus, Tautologie, synonymer
oder doppelter Ausdruck und auch „duality" im
letzten Jahrhundert im Zusammenhang der synoptischen
Frage aufmerksam geworden war (z.B. de Wette, B. Weiß,
Holtzmann, E. A. Abbott). So sprach dann auch J. C. Haw-
kins in seinem besonders den Stil der ersten drei Evangelien
betreffenden und heute noch immer benutzten Buch
„Horae Synopticae" (Oxford 1899; ebd. 21909, nachgedruckt
ebd. 1968) von „Mark's fondness for .duality'"
(l.Aufl. S.113; 2.Aufl. S.141f.). Gerade um dieses Buch
von Hawkins hat sich übrigens der Vf. selbst verdient gemacht
durch die Herausgabe von „Hawkins's Additional
Notes to His .Horae Synopticae'" (EThL 46, 1970, 78ff.
und selbständig als AnLov V, 2,1970). Neirynck versteht
„duality" in einem sehr weiten Sinn, so daß der Begriff
z.B. nicht nur die bekannte markinische Aufeinanderfolge
zweier Zeitbestimmungen deckt oder den doppelten
Imperativ (z.B. 4,39) und die doppelte Negation (z.B.
1,44), sondern auch „all sorts of repetitions occurring
within the same pericope" (EThL 47,1971,145) und selbst
Übersetzungen wie z.B. in 5,41. Im ganzen werden 30(!)
verschiedene sprachliche Erscheinungen genannt, und
für jede gibt der Vf. „an extensive list of instances from
the text of Mark" (S.33), so daß ein Drittel des Buches
(als Teil II S. 73-136) diese 30 Gruppen mit Stellenangaben
und griechischem Text konkordanzartig belegt.

Der erste Teil der Arbeit enthält im wesentlichen einen
forschungsgeschichtlichen Überblick über bisherige Beobachtungen
zur „duality" im MkEv (S. 14-32) und eine
Untersuchung ausgewählter Fälle, die unter dem Stichwort
„duplicate expressions" zusammengefaßt werden.
Nachdem der Vf. hier darlegt, daß die Doppelformulierungen
zum ursprünglichen, auch Mt und Lk vorgegebenen
Text des MkEv gehören (S.37-44), werden folgende
„doppelte Ausdrücke" besprochen:

1. Zweifache Zeit- und Ortsangaben (S.45-53);

2. Doppelfragen und antithetischer Parallelismus mem-
brorum, speziell die Konstruktion od-HXä (S. 54-63);

3. Das Nebeneinander von indirekter und direkter Rede
über den gleichen Gegenstand (S. 63-71).

Ad 1. Die nioht zuletzt durch die Arbeit von Joach.
Jeremias über „Die Abendmahlsworte Jesu" (41967) bekannte
Erscheinung im MkEv, daß öfter zwei Zeitbestimmungen
aufeinanderfolgen, und nwar nur scheinbar
pleonastisch (bei Jeremias S.llf.: 1,32.35; 4,35;
10,30; 13,24; 14,12.30.43; 15,42; 16,2) wird noch um 2,20
vermehrt. Daß die zweite Angabe vielmehr die erste
näher bestimmt („progressive two-step expression"
S.46), stellt der Vf. auch für doppelte Ortsangaben fest,
im besonderen für solche mit lokalen Adverbien (1,28.38.
45; 5,1.11; 6,3.45; 8,4; 11,4; 13,3; 14,54.66.68) und darüber
hinaus überhaupt für doppelte Ortsangaben in Einleitungen
von Perikopen (z.B. 1,21; 11,1; speziell mit
„Haus" 2,1; 7,24; 9,33; 14,3); in diesen Zusammenhang
wird dann u.a. das für den Evangelisten charakteristische
Nebeneinander von öffentlicher Lehre einerseits und privater
Belehrung im „Haus" andererseits gestellt (7,17;
9,28; 10,10).

Ad 2. Das gleiche Schema einer Weiterführung im
zweiten Teil der Aussage findet der Vf. auch bei Doppelfragen
(unter Verweis vor allem auf 3,4; 4,13.30; 7,18f.;
8,17- 20; 11,28; 12,14; 13,4) und in der antithetischen Formulierung
oi-MXA o. ä. (im Erzählungsstoff 1,45;
5,19.26; 6,52 und öfter in Herrenworten, z.B. 3,26; 4,22l>)
bzw. oti-ä utj o.ä. (z.B. 4,22a).

Ad 3. Das Nebeneinander von oratio obliqua und oratio
recta wird ebenfalls in diesem Sinn erklärt. Dabei geht
es dem Vf. vor allem darum, die übliche Scheidung im
Getsemanigebet Jesu (14,35f.) in Tradition und Redaktion
(z.B. M.Dibelius) bzw. die Verteilung auf zwei Traditionen
(z.B. K.G.Kuhn) abzulehnen. Aber wirklich
vergleichbare Fälle fehlen im MkEv (am ehesten könnte
man noch an 1,141; 10,32f.; 14,33f. denken).

Der dritte Teil des Buches (S. 137ff.) enthält einen
vollständigen Abdruck des MkEv, durch den vor allem
aufgrund von Textanordnung und Unterstreichungen das
Phänomen der „duality" auch optisch vorgeführt werden
soll. Ein Appendix, der mit dem Thema des Buches nicht
direkt etwas zu tun hat, nennt die Abweichungen im
Text des MkEv zwischen der l.Aufl. der Synopse von
Aland bzw. Nestle/Aland, 251963, die dem abgedruckten
Text zugrunde liegen, und dem Greek New Testament,
hrsg. v. Aland, Black, Metzger und Wikgren, 21968
(immerhin 134 Unterschiede!). Es folgt eine zweite Aufstellung
, die die Abweichungen in den Satzzeichen zwischen
Nestle/Aland und GNT aufzählt. Schließlich werden
beide Vergleiche auch für die Synopse von Huck/
Lietzmann gegenüber der von Aland durchgeführt (im
Text gibt es demnach eigentlich nur 13, bis auf 1,29 ganz
unbedeutende Unterschiede). Ein Autorenindex und ein
Stellenindex zu den 30 Kategorien von „duality" schließen
sich noch an.

Zwischen der Sorgfalt, mit der das Buch gearbeitet ist,
und seinem Ertrag besteht eine erhebliche Diskrepanz.
Vor allem ist der Begriff der „duality" so weit gefaßt,
daß er m.E. unbrauchbar geworden ist. Zwar ist der Versuch
anzuerkennen, den Stil des MkEv unter einem gemeinsamen
Gesichtspunkt zu erfassen, aber die Auflistung
von Mk-Stellen unter 30 Kategorien ersetzt noch
keine einheitliche Interpretation des Befundes. Erst dann
wäre es gelungen, den Stil des Evangeliums zu charakterisieren
.

Die im ersten Teil des Buches vorgenommene Untersuchung
von Fällen, in denen jeweils ein „progressive
double-step expression" (S.71f.) vorliege, hätte vor
allem geeignet sein können, einen klar umgrenzten sprachlichen
Sachverhalt auf die Ganzheit und Funktion eines
Stils hin zu interpretieren. Aber auch hier wird der Versuch
nicht gemacht. Wie unbestimmt das Ergebnis der
Arbeit bleibt, zeigt gerade die Zusammenfassung dieses
ersten und einzigen Textteils des Buches: 1. „duality" sei
„in many (1) instances" eine bessere Definition als Pleonasmus
o.a.; 2. „in some (!) double phrases" bedeute die
zweite Aussage eine Präzisierung (S. 71 f.). An dieser