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Ausgabe:

1974

Spalte:

102-103

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Blau, Joshua

Titel/Untertitel:

On pseudo-corrections in some Semitic languages 1974

Rezensent:

Herrmann, Wolfram

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Theologische Literaturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 2

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leitet und der zugleich der Herr der Weltgeschichte ist. -
Dazu könnte oder sollte man m.E. beifügen, daß vieles
in den Königsbüchern - wie sonst auch anderswo im AT -
vom Anfang an als Modellgeschichten gefaßt und tradiert
wurde, was ja auch der rabbinische Umgang mit den
„Früheren Propheten" zeigt (die haggadische Exemplifizierung
der Tora auf Grund der Stücke aus den „Früheren
Propheten").

Am Anfang des Buches, noch vor dem eigentlichen
Kommentar, findet man ein ausführliches und übersichtliches
Inhaltsverzeichnis, das auch einem nicht sachkundigen
Leser die Orientierung sehr erleichtert, und ein
Literaturverzeichnis, worin man alles Wesentliche zu den
Königsbüchern findet. In den Kommentaren zu dem
2. Königsbuch ist das Verzeichnis meines Wissens ganz
verläßlich und vollständig. Am Anfang jedes Abschnittes
steht die Übersetzung; sie ist gut, deutlich und genau,
fließend und klar. Einige Fußnoten machen den Leser,
bei dem natürlich keine weiteren Sprachkenntnisse vorausgesetzt
werden, auf die wichtigsten Textprobleme aufmerksam
. Im eigentlichen Kommentar legt der Vf. eine
ausgewogene und durchdachte Zusammenfassung der exegetischen
Arbeit vor, die bisher an 2Kö geleistet wurde
und theologische Relevanz hat. Natürlich erspart er - wie
es übrigens in dieser Kommentarreihe immer der Fall ist -
seinen Lesern die komplizierte sprachliche und historische
Problematik; man spürt aber, daß er auf diese
ständig Rücksicht nimmt, obwohl er davon nur wenig
ausdrücklich erwähnt. Für die wissenschaftliche Arbeit
an den Königsbüchern sind also wie vorher die Kommentare
von Sanda (1912), Montgomery-Gehman (1951) und
für lKö 1-16 jetzt der unvollendete Kommentar von
M. Noth unentbehrlich und nicht überholt. Im Bezug auf
die theologische (oder - um es noch deutlicher zu sagen:
kerygmatische) Auswertung des Textes bringt der Vf. des
besprochenen Buches wesentlich mehr als die oben genannten
. Besonders sympathisch finde ich, daß der Vf. es
auch wagt, dort, wo die heutige Forschung keine überzeugende
und annehmbare Lösung liefern kann, es zu
gestehen (vgl. z. B. zu 3,12-27, S. 49: „Wir werden uns damit
abfinden müssen, daß diese Geschichte für uns mit
einem rätselhaften Dunkel umgeben bleiben wird"). Die
vorgelegte Auslegung bleibt immer innerhalb einer bestimmten
theologischen (ein Außenstehender würde wahrscheinlich
sagen „dogmatischen") Grenze, im Rahmen des
Programms der positiven, nichtliberalen Theologie.

Der einzige Vorbehalt, den ich doch machen möchte,
scheint mir die hie und da dürftige Auswertung des religionsgeschichtlichen
Materials. Manches davon ist -
natürlich nicht theologisch ausgewertet - im Kommentar
von Montgomery-Gehman vorhanden. Einige Beispiele:
zu 2,20 (S.35): Es fehlt m.E. ein Hinweis auf Salz als
Exorzismusmittel. Zu 4,35 (S.61): Das Niesen verstand
man als Ausfahren der dämonischen Kräfte, die sich des
Menschen bemächtigt haben. Zu 4,41 (S.63f): Das Mehl
ist nicht nur etwas einfach Eßbares, sondern - ähnlich wie
Korn - etwas Lebensgeladenes; es kann also die Todes-
mäcbte überwinden. Daß es durch die Hand des Gottesmannes
geschieht, zeigt, daß es Jahwe und sein Diener -
also nicht Baal! - ist, der diese Lebenskräfte beherrscht
und spendet. Bei dem Mahl handelt es sich um die prinzipielle
und höchst, theologische Frage, wer eigentlich -
Jahwe oder Baal - Herr der im Mehl, Korn und Wachstum
verborgenen Lebenskraft ist. Zu 4,42f (S.64): Es fehlt
hier ein Hinweis auf Joh 6,9, also auf eine Stelle, die offensichtlich
direkt an 2Kö 2,42ff anknüpft. Zu 5,5-6 (S.71):
Der Vf. wundert sich, warum der israelitische König den
kranken Naeman selbst heilen sollte: „Er scheint im
Ernst anzunehmen, daß von ihm selbst die Heilung verlangt
wurde" (S.71). Für einen skandinavischen, englischen
oder tschechischen Forscher, der die Rolle des

Gottkönigtums im Alten Orient (nicht ohne weiteres in
Israel, das ist ein Spezialfall!) etwas ernster zu nehmen
pflegt, ist es keine schwere Frage. Aus den altorientalischen
Urkunden wissen wir, daß man vom Gottkönig die
Wunder und deshalb auch Heilungen erwartete, vgl. die
noch im Mittelalter belegte Vorstellung, daß der König
unter Umständen durch Berührung einen Kranken heilen
kann. Zu 5,14 (S.72): Siebenfaches Untertauchen ist eine
Tat, durch die der Gehorsam des Gesetzes von Lev 14 zum
Ausdruck kommt. Das ist gerade theologisch sehr belangvoll
. Zu 13,16 (S.177): Der Vf. behauptet, das Bogenschießen
sei hier keine Magie. Ich möchte zufügen: In diesem
Kontext sicher keine Magie mehr, aber der Grund ist
doch wohl magisch. Es geht hier, genau gesagt, um eine
depotenzierte, entmythisierte, überwundene Magie, und
zwar dadurch, daß - natürlich durch seinen Diener, der
hier nur als eine verlängerte Hand Gottes aufgefaßt wird -
Gott selbst an dem Menschen und nicht der Mensch an
Gott handelt. Aber die Form des Handelns ist magisch.

Solche und ähnliche Randbemerkungen könnte mau
zwar vermehren, aber das alles sind wohl nur Kleinigkeiten
im Vergleich zu der hier geleisteten Arbeit, für die
nicht nur der große Fleiß und die Ausgewogenheit, sondern
besonders das theologische Verantwortungsgefühl
bezeichnend ist. Das Buch ist wirklich empfehlenswert,
nicht nur für einen nachdenkenden Bibelleser und Pfarrer,
sondern auch für jeden, der an der theologischen Auswertung
des AT ernstlich interessiert ist.

Trag Jan Heller

Blau, Joshua: On Pseudo-Corrections in Some Semitic Language
«. Jerusalem: The Israel Academy of Sciences andHu-
manities 1970. 156 S. gr. 8° = Publications of the Israel
Academy of Sciences and Humanities. Section of Humani-
ties. hfl. 27.-.

Die Absicht des Verfassers ist es - so das Vorwort -,
die Aufmerksamkeit auf eine Art gegenseitiger Beeinflussung
(interdialectical interference) in einigen semitischen
Sprachen zu lenken, die bisher außer acht gelassen
wurde. Und zwar handelt es sich um eine solche
zwischen Sprachen von herausragender Bedeutung und
Lokalsprachen, wobei die Vertreter einer örtlich begrenzten
Sprache einerseits versuchen, die Feinheiten der
„höheren" zu übernehmen, oder aber das eigene Idiom
gegen den bestimmenden Andrang des anderen zu schützen
. In beiden Fällen kommt es zu Fehlverbesserungen.
Der Vf. gebraucht dafür den Terminus „pseudo-correc-
tions".

In Kapitel I (General Notions, S.ll-22) sind die bisherigen
Beobachtungen über Hyperkorrekturen durch die
Pseudokorrekturen erweitert. Es kann, so führt der Vf.
aus, vorkommen, daß der Sprecher oder Schreiber einer
„inferior language" in seiner Bemühung, Formen der
„superior language" anzuwenden, über das Ziel hinaus
schießt und Formen dieser „höheren" Sprache gebraucht
in Fällen, wo sie im Kontext falsch sind und vielmehr mit
denen der „niederen" Sprache übereinstimmen. Dadurch
wird der Stil „überkorrekt". „Pseudokorrekte" Sprechoder
Schreibweise hingegen liegt dann vor, wenn bei dem
Versuch, Formen der „höheren" Sprache zu assimilieren,
aufgrund ungenügender Bekanntschaft mit ihr .korrigierte
' Formen Anwendung finden, die weder in der
„höheren" noch in der „niederen" Sprache existieren.

In den folgenden Kapiteln II-VI handelt der Vf. über
vermeintliche oder tatsächliche Pseudokorrekturen im
Hebräischen und Kanaanäischen, Ugaritischen, Aramäischen
, Arabischen und schließlich Akkadischen sowie
epigraphisch Südarabischen und Äthiopischen (S. 23-113),
wobei er ständig erwägt, ob die Erscheinungen nicht als