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Ausgabe:

1974

Spalte:

99-100

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Lamparter, Helmut

Titel/Untertitel:

Die Apokryphen 1974

Rezensent:

Schade, Gerhard

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Seite 1

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Theologische LLteraturzaitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 2

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ren wird. In der Sache, wenn auch nicht in der Methode
sieht Pannenberg G.v.Rad in der Nähe des anderen
großen Exegeten im deutschsprachigen Raum, des Neu-
testamentlers Bultmann, stehen (39). Nach P. sah G.v.
Rad seine exegetische Aufgabe vornehmlich darin, „diese
Konfrontration unausweichlich zu machen" (40). An dem
Punkt, „wo die Dürftigkeit gegenwärtiger Denkgewohnheiten
fühlbar wird, ihre Korrekturbediirftigkeit, ihre
Angewiesenheit auf Vertiefung und Erweiterung, da liegt
das erregende Moment der Beschäftigung mit der Überlieferung
, und davon ging auch die Faszination der exegetischen
Arbeit Gerhard von Rads ... aus" (41). Es galt,
die Erkenntnis zu bewahren, daß Israels Glaube aus Erfahrung
lebte und daß für Israels Glaube Erfahrung und
Erkennen nicht auseinanderfielen (43). „Die Erfahrungen
von der Welt waren ihm immer auch Gotteserfahrungen,
und die Erfahrungen von Gott waren ihm Welterfah-
rungen" (G.v.Rad, Weisheit in Israel, 1970, 87, bei P.
zitiert: 44). Für v. Rad ergeben sich aus solchen Erkenntnissen
eine grundsätzliche Infragestellung der modernen
Trennung von Glaube und Vernunft, das Anfragen an ein
sehr enges modernes Glaubeusverständnis (44) und ein
begrenztes Begreifen von Vernunft (45). Religionswissenschaftliche
(M.Eliade) und philosophische Einsichten
(K.Löwith) kommen seinem Gedankenflug entgegen. Die
Konzentration auf das Phänomen der Weisheit in Israel
in den letzten Lebensjahren steht im dringlichen Interesse
, dieses umfassende und weite Wirklichkeitsverständnis
in dieser auf der Basis des israelitischen Gottesglaubens
konzipierten Weisheit noch stärker aufzudecken
und konkreter namhaft zu machen (50ff.).

Sicher ist mit diesen Vorträgen noch nicht alles gesagt,
was zu diesen drei angerissenen Themen gesagt werden
müßte (wie sollte das auch anders sein!), und gewiß wird
sich für diesen oder jenen manches im Lebenswerk von
Gerhard v. Rad noch etwas anders darstellen können, als
es hier geschehen ist. Darum wiesen auch die Autoren
dieser ersten Versuche, mit denen begonnen worden ist,
den Ertrag der Lebensarbeit des großen Alttestamentlers
und Theologen für die Weiterarbeit am Alten Testament
und darüber hinaus für die Theologie überhaupt zu heben.
H.W.Wolff spricht es im Vorwort aus, daß diese Publikation
Anregungen vermitteln möchte, und dies ist wohl
vollauf gelungen. Dafür darf man den Verfassern von
Herzen dankbar sein.

Leipzig Siegfried Wagner

Lamparter, Helmut: Die Apokryphen, übers, u. ausgelegt.
I: Das Buch Jesus Sirach. II: Weisheit Salomos, Tobias,
Judith, Baruch. Stuttgart: Calwer Verlag [1972]. 218 S. u.
226 S. 8° mm Die Botschaft des Alten Testaments, 25,1 u.
2. Lw. je DM 18,-.

Daß hier die Botschaft der Apokryphen als Teil der
Botschaft des Alten Testaments auftritt, ist schon ein
Programm. 1970 hatte von Rad („Weisheit in Israel",
Neukirchen) die biblischen Weisheitsschriften auf gleicher
Ebene behandelt, mochten sie im Alten Testament stehen
oder in den Apokryphen; es dürfte auch schwerfallen,
einen gültigen theologischen Wertunterschied zwischen
dem alttestamentlichen Buch Esther und den apokryphen
„Stücken zu Esther" festzustellen. 1971 widmete Wilhelm
Stählin den fünften Band seiner,,Predigthilfen" den
Apokryphen, Max Lackmann („Tobit und Tobias", Pattloch
) stellte die Bedeutung des Tobiasbuches für die
christliche Eheauffassung heraus, und überdies erschienen
die revidierten Apokryphen auf den Ladentischen
. Bricht sich ein Wandel in der Wertung der Apokryphen
Bahn? Es handelt sich um mehr als bloß darum,
die Zeit zwischen den Propheten und Jesus religions-

geechlchtlich ra überbrücken 1 Bei Lamparter fehlen freilich
die Makkabäerbücher und die fünf Zusätze zum
Buche Daniel, die in der Revisionsausgabe als fünf Kapitel
eines Buches erscheinen - bis auf den Gesang der drei
Männer im Feuerofen, der schon früh in der Liturgie der
Kirche einen festen Platz hatte. Aber wieviel an legendärem
Gehalt schließt die Hörwürdigkeit biblischer Texte
aus? „Die Bibel scheut sich nicht, ihr Wort auch in Märchenform
zu kleiden" (Stählin). Mancher hätte die Geschichte
von der Susanna und Daniel gern in einem zweiten
„besonderen Würzgärtlein" (Luther) gefunden;
„Gott machte den heiligen Geist des jüngeren Daniel hellwach
" (V.45) würde auch zu jungen Menschen der Gegenwart
sprechen.

Lamparter leitet die Einzelauslegung jeweils mit einer
Charakteristik des betr. Apokryphenbuches ein und wehrt
dabei allzu abschätzige Beurteilungen ab (II, S. 140), erreicht
dabei trotz aller dankenswerten Zusammenschau
nicht die Schlichtheit und Unmittelbarkeit der stellenweise
kritisierten Vorreden Luthers. In der lectio conti-
nua Lamparters fehlt der Glanz, den Stählin seinen für die
Predigt vorgeschlagenen Abschnitten zu geben weiß, doch
kommt Stählins Lieblingsstelle vom liebenden Umgang
mit der göttlichen Wahrheit Sirach 14,20ff. in Lamparters
„Einführung" zu Ehren, doch erfahren wir bei Tobias,
daß die Stadt Rages in Medien an der Stelle des heutigen
Teheran liegt, doch wird Baruchs Warnung vor Götzendienst
mit Calvins Mahnung vergegenwärtigt : „Das
menschliche Herz ist eine Werkstatt, in der laufend falsche
Bilder von Gott fabriziert werden." Lamparter folgt
übrigens dem Septuagintatext; auf diese Weise verschwindet
das schweifwedelnde Hündlein des Tobias. Alles in
allem: Seit 1938 die erste fortlaufende Auslegung apokrypher
Bücher; „der Leser wird Unbekanntes neu entdecken
und liebgewinnen".

Hamburg Gerhard Schade

Fricke, Klaus Dietrich: Bas Zweite Bvch von den Königen,

übers, u. ausgelegt. Stuttgart: Calwer Verlag T1972]. 381 S.
8° = Die Botschaft des Alten Testaments, Erläuterungen
alttestamentlieher Schriften, 12,2. Lw. DM 24,-.

Die bekannte und beliebte, allgemeinverständliche
Kommentarreihe wird bald das ganze AT bearbeitet
haben. Es fehlen nur noch Lv, Nu, Dt, Chr und Est. Das
vorliegende Buch ist eine Fortsetzung des ersten Königsbuches
aus der Feder des 1962 verstorbenen Alttestamentlers
Prof. Fichtner, die der Vf. 1964 aus dem Nachlaß
herausgegeben hat. Manches, was" schon im lKö vorkommt
, wird hier nicht wiederholt, sondern nur durch
einen Hinweis in 1 Kö angedeutet. Um den vollen Nutzen
aus dem Buch zu haben, ist es also notwendig, auch das
Buch über 1 Kö von Fichtner zu besitzen. Das Buch hat
auch keine Einleitung oder Vorrede, es knüpft direkt an
lKö an. Erst am Ende'kommfcin ausführliches Nachwort
„Zeugnis und Geschichtsanschauung der in den
Königsbüchern verarbeiteten Geschichtswerke". Der Vf.
übernimmt da - mit ausführlicher bejahender Berufung -
die bekannte Quellenanalyse von Prof. Jepsen, die ihm
bei der ganzen exegetischen Arbeit als Hintergrund gedient
hat. Besondere Aufmerksamkeit widmet der Vf. im
Nachwort dem theologischen Profil des deuteronomisti-
schen Geschichtswerkes, wobei er sich wieder auf die
Arbeiten von Noth und von Rad stützt. Auf die Frage,
worin auch für den Christen von heute die Bedeutung
der Königsbücher liegt, antwortet der Vf. im letzten Absatz
des ganzen Buches in zwei Punkten: 1. Sie vermitteln
die notwendigen Kenntnisse über die Zeitgeschichte der
Propheten; 2. sie bieten ein eindringliches Zeugnis von
dem Gott, der sein Volk mit Verheißung und Warnung