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Ausgabe:

1974

Spalte:

97-99

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Gerhard von Rad 1974

Rezensent:

Wagner, Siegfried

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Theologische Literaturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 2

08

Testament und des ,Lehrers der Gerechtigkeit' mit
Jesus Christus (S. 142ff.). Die Gemeinsamkeiten des Urchristentums
mit den Essenern von Qumran brauchen im
übrigen nicht unbedingt in jedem Falle auf direkten Einfluß
zurückzugehen. Beide Gemeinschaften schöpfen
letztlich aus der gleichen alttestamentlichen und spätjüdischen
Tradition. Sowohl die Essener als auch die
Urgemeinde sind eschatologische Sekten innerhalb des
Judentums und deshalb grundsätzlich miteinander verwandt
(S. 141 f.).

Das nützliche und interessante Büchlein ist mit einer
chronologischen Tabelle, zwei Karten und einigen Photographien
der üblichen Sujets ausgestattet.

Berlin Karl-Heinz Bernhardt

1 Vgl. H.Bardtke, Die Handschriftenfunde am Toten Meer,
Berlin 1952, S. 143ff., und in Auseinandersetzung mit G.R.
Driver in dieser Zeitschrift, Jg.95. 1970 Sp.7ff.

[Rad, G. von:] Gerhard von Rad. Seine Bedeutung für die
Theologie. Drei Reden von H.W.Wolff, R.Rendtorff,
W.Pannenberg. München: Kaiser [1973]. 58 S. 8°. DM 6,50.

Einem schönen alten akademischen Brauch folgend
hatte die Heidelberger Theologische Fakultät zu einer
Gedenkfeier für ihren am 31.10.1971 verstorbenen emeritierten
Alttestamentler Gerhard von Rad eingeladen, um
dieses weithin bekannten und geschätzten Forschers und
Lehrers durch eine wissenschaftliche Würdigung seines
Lebenswerkes zu gedenken. Auf der Veranstaltung, die
am Geburtstag des großen Theologen, am 21.10.1972,
stattfand, sind drei Reden gehalten worden, die in der
hier anzuzeigenden Publikation in vollem Wortlaut und
mit Anmerkungen versehen der weiteren interessierten
Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. H.W.Wolff
behandelt in seinem Vortrag ,Gerhard von Rad als Ex-
egeten' (9-20). Er hat es dabei auch übernommen, ein
Lebensbild des Verstorbenen zu skizzieren. Bei knapper,
aber trefflicher Linienführung ist es gelungen, ein lebendiges
Bild von dieser reichen Gelehrtenpersönlichkeit erstehen
zu lassen. Durch Bemerkungen und Ausführungen
des Verstorbenen, die H.W.Wolff zitiert, darf der Leser
zur Kenntnis nehmen, wie dieser Mann, dem es wie kaum
einem anderen gegeben war, seine wissenschaftlichen
Kenntnisse und Erkenntnisse klar, überzeugend und
wohlgeformt weiterzugeben, im Ringen mit sich selber
und oft genug im Zweifel über die Sachzutrefflichkeit des
Gesagten und in beständiger Unzufriedenheit mit dem Erreichten
das Verständnis des Alten Testaments zu fordern
bemüht war. H.W.Wolff unterstreicht bei der exegetischen
Arbeit G. v. Rads den überlieferungsgeschichtlichen
Ansatz, der sich durch die Jahrzehnte hindurch erhalten
hat (16f.), jedoch dem Forscher nie den Blick und die
Offenheit für neue Einsichten verbaute. Trotz methodischer
Strenge, so kann H.W.Wolff ausführen, hat

G. v.Rad in den letzten Jahren in zunehmendem Maße
über Gefahren gesprochen, die in der Verfeinerung der
Methoden liegen. Er fürchtete, ,über den Wörtern nicht
mehr das Wort vernehmen zu können' (18). Ihm kam es
letztlich auf den Wahrheitsanspruch einer Überlieferungs-
einheit an, dem der Theologe sich zu stellen hat. Wertvoll
ist auch in diesem Zusammenhang das Briefzitat (Bf. an

H. W.Wolff vom 21.4.1968): „Wir werden noch an der
Perfektion unserer Theologie zugrundegehen", eine Sorge,
die vor knapp 100 Jahren Franz Delitzsch mit ganz ähnlichen
Worten in eine ganz andere wissenschaftsgeschichtliche
(aber vielleicht funktional vergleichbare) Situation
hinein ausgesprochen hatte. Es liegt in der Konsequenz
dieser Linie, daß G.v.Rad sein exegetisches Bemühen in

den Dienst der Verkündigung gestellt wußte, dem er sich
selber (bis hin zur Praxis) stets verpflichtet wußte. Es ist
gut, daß H.W.Wolff auch von dem Prediger G.v.Rad
gesprochen hat.

R.Rendtorff, der erste Schüler des Gelehrten, nimmt
in seiner Rede das Stichwort .Überlieferungen' auf, um
ihm gesondert einige Gedanken und Überlegungen zu
widmen („Die alttestamentlichen Überlieferungen als
Grundthema der Lebensarbeit von Gerhard von Rad",
21-35). R.Rendtorff sieht in diesem Begriff und in den
beständigen Reflexionen über ihn den Schlüssel für den
Zugang zum Lebenswerk G. v.Rads. Nicht zufällig gipfelt
die konsequente Arbeit G. v. Rads am Alten Testament in
einer Theologie des Alten Testaments, die sich als eine
Theologie der verschiedensten alttestamentlichen Überlieferungen
entfaltet. Rendtorff ruft G.v.Radsche Ausführungen
dazu ins Gedächtnis, die bereits in einemThLZ-
Aufsatz von 1943 und dann wieder in dem Vorwort zum
l.Band der Theologie gemacht worden sind, daß es nämlich
nicht besondere theologische Anstöße gewesen seien,
die diese überraschende neue Betrachtungsweise des ATs
ermöglicht haben, sondern daß vielmehr Beobachtungen
an den formalen Strukturen der Aussagen Israels, der
literarischen Hinterlassenschaft, der darin verarbeiteten
Überlieferungen den Gegenstand einer ThAT besser
sehen gelehrt haben (22). R. unternimmt es daraufhin,
„einmal der Frage nachzugehen, wie sich die Einsicht in
die Bedeutung der Überlieferung in der Arbeit von Rads
herausgebildet hat" (23). Unter diesem Gesichtspunkt
erfahren die verschiedensten und markantesten Arbeiten
G.v.Rads eine Würdigung und Vergleichung untereinander
. Der Spannungsbogen wölbt sich von der Dissertation
„Das Gottesvolk im Deuteronomium" (1929)
bis hin zu den neuesten Überlegungen zur Theologie des
Alten Testaments (die letzten Auflagen der beiden Bände
und die Auseinandersetzung mit Kritikern). Es ist aufschlußreich
, wie aus den .Theologumena' des Deutero-
nomiums von 1929 die .Überliefererkreise' des Deutero-
nomiums von 1947 (Deuteronomium-Studien) geworden
sind. Den entscheidenden Durchbruch auf diesem Wege
sieht R. in der Monographie „Das formgeschichtliche
Problem des Hexateuchs" (1938) angelegt. Nicht uninteressant
ist das Urteil R.s über die wissenschaftliche Methode
G.v.Rads: „Es ging ihm offenbar nicht darum, eine
neue Methode zu entwickeln, die durch eine strenge und
einheitliche Terminologie gekennzeichnet ist" (26).
Charakteristisch sei vielmehr gewesen, daß G.v.Rad
„zwar selbst einen sehr sicheren und methodenbewußten
Umgang mit den Gegenständen pflegte, daß ihn aber die
Ausformung dessen, was er betrieb, zu einer auch von
anderen handhabbaren Methode verhältnismäßig wenig
interessierte. Man konnte bei ihm die Methode eigentlich
nur durch Zuhören und Mitmachen lernen" (27).

Der dritte Vortrag schließlich geht der Frage nach
„Glaube und Wirklichkeit im Denken Gerhard von Rads"
nach (37-54). Wolfhart Pannenberg, der sich selber in
seinen systematisch-theologischen Arbeiten G.v.Rad
sehr stark verpflichtet weiß, analysiert das Verhältnis
von Glaube und Wirklichkeit im wissenschaftlichen Werk
des großen Heidelberger Theologen. Er meint, G.v.Rad
habe wie wenige das Bewußtsein zu vermitteln gewußt,
„daß es in den Worten und Geschichten der Bibel um
unsere eigene Wirklichkeit geht" (38). ,,... die modernen
Denkgewohnheiten wurden durch Profilierung der ganz
anderen Auffassungen von Mensch, Welt und Geschichte
im alten Israel dem Verdacht ausgesetzt, ob ihr Gegensatz
dazu nicht vielleicht wenigstens teilweise auf eine verkürzte
Perspektive, auf eine einseitige Wirklichkeitserfahrung
hinweisen könnte" (39). G.v.Rad konnte diese
Konfrontation wagen, weil er davon überzeugt war, daß
es dieselbe Wirklichkeit ist, die nur so verschieden erfah-