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Ausgabe:

1974

Spalte:

956-957

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Albrecht, Christoph

Titel/Untertitel:

Einführung in die Hymnologie 1974

Rezensent:

Blankenburg, Walter

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ausführliche „Benediooio ville" und ihre jährliche
Wiederholung; weiter Formulare für die Segnung verschiedener
Speison, für die Segnung der Kerzen an
Lichtmeß und der Zweige an Palmsonntag sowie ein
Formular für die Ostervigil (einschließlich Taufwasserweihe
und Litanei).

Das Manuskript wurde im Jahre 1669 — anläßlich
eines Besuchs, den der dänische König Frederik III. der
Insel Als abstattete — in der Kirche zu Notmark aufgefunden
und in die Königliche Bibliothek zu Kopenhagen
überführt, wo es sich heute noch befindet. Bemerkenswert
sind verschiedene Randnotizen, dio dem
Manuskript im 16. und 17. Jh. in dänischer und niederdeutscher
Sprache hinzugefügt wurden und die es wahrscheinlich
machen, daß das Manuskript ursprünglich in
einom Gebiet verwende! wurdo, in dem man beidi
Sprachen sprach.

Während die Herausgeber des großen Werkes „Danmarks
Kirker" (1961) noch zu der Feststellung gelangen:
„Uncortain whether Danish or foreign", bemüht sich
Ottosen um den Nachweis, daß das Ritualo eindeutig
die liturgische Tradition der Diözese von Odenso (zu
der Notmark im Mittelalter gehörto) ropräsentiort. Als
Vorgloichsmatorial bioton sich an drei Ausgaben des
Breviers von Odense aus don Jahren 1482, 1497 und
1510; forner Fragmente dos „Missale Ottonionso", das
1483 auf Veranlassung des Bischofs von Odense, Karl
Ronnow, durch Lucas Brandis in Lübeck gedruckt
wunh1; schließlich dio sog. „Lübecker Agende" von
1486, vermutlich von Matthäus Brandis ebenfalls für
die Diözeso von Odenso godruckt. Während die genannten
Breviere kaum etwas für den liturgiegeschichtlichen
Vergleich austragen, macht ein Vorgloich mit dem
„Missalo Ottonionso" und dor „Lübock Agenda" —
folgt man dor Bowoisführung dos Herausgebers — es
sehr wahrscheinlich, daß sich in dorn in Notmark aufgefundenen
Manuskript ein bostimmtos Stadium der
Diözosanliturgie von Odense orhalten hat; es sind besonders
zwei Passagen im Formular der Traumosse, die
zu dioser Feststellung nötigen (u. a. Stellung, Funktion
und Text des Gebotes „Deus humilium visitator"). Um
nun die bemerkenswerten Differenzen, die sich an anderer
Stelle zwischen dem Manuale von Notmark und
dem „Missale Ottonionso" ergeben, zu erklären — genannt
worden im besonderen die Formulare für die
Kerzensegnung und die Ostervigil —, verweist der
Herausgeber auf bestimmte Ereignisse in Odense, die
um das Jahr 1480 zu einer diözesanen Liturgiereform
führton: 1095/96 hatte König Krik Ejogod englische
Mönche von Evesham nach Odenso gerufen, um die
Verehrung seines heiliggesprochenen Bruders Canute
(St. Knud) zu pflegen. Dies hatte zur Folge, daß sich in
Odense — ungewöhnlich für mißerengliche Vorhältnisse
— ein monastischen Domkapitel bildete. Der Einfluß
von Evesham auf die Liturgie von Odense war
mich in der Folgezeit außerordentlich stark und spiegelt
sich deutlich in dem in Notmark aufgefundenen Rituale
(wie auch in der „Lüb ek Agenda") wider. Der schon
erwähnte Karl Ronnow (ab 1474) veranlaßt^ die Ab-
sehaffung des monast ischen Kapitels und die Verbau
nung du- Mönche; bei der von ihm gleichzeitig in Angriff
genomnvnon Vereinheitlichung dor Diözosanliturgie
konnte er sich nun nicht mehr auf die Mitarbeit der
Mönche — deren Einfluß auf die Liturgie des Bistums
solange entscheidend gewesen war — stützen; erhebliche
Differenzen zwischen den nun gedruckt vorliegenden
Ordnungen und den hishorigon liturgischen Büchern
mw die Folge. Das Manuskript von Notmark repräsentier
! ■ \«> die liturgische Tradition der Diözese voi
der genannten Reform; eine Datierung des Manuskripts
auf et wa die Mit te des 14. Jh.8 wird (außer den üblichen

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äußeren Kennzeichen wie Handschrift usw.) vor allem
durch den Inhalt der erwähnten „Benediooio ville"
nahogologt, die als lokales Sondorgut des Rituals gelten
darf und deutliche Anspielungen auf die Epidemien
enthält, wie sie Europa in der Mitto des 14. Jahrhunderts
heimsuchten.

Leipzig Karl-Heinrich Bieritz

Alim'cht, Christoph: Einführung in die Hymnologie. Berlin:
Evang. Vorlagsanstalt n< Oöttingon: Vandonhoook <fe Ruprecht
[1973]. 120 S. 8°.

Nachdom dor Verfasser vor einigen Jahren eine bereits
in zweiter Auflage erschienene „Einführung in die
Liturgik" vorgelegt hat, ließ er nun oin ontsprechondos
kleines Work für die Hymnologio folgen. Beide Bände
sind aus der Lehrtätigkeit Albrechts in der Kirchen-
musikschule Dresden, dessen Direktor er ist, hervorgegangen
; dies kommt der Gesamtanlage auch der vorliegenden
„Einführung" mit einer detaillierton Gliederung
des Stoffs zugute. Die Hauptabschnitte sind in
Paragraphon unterteilt, und diesen sind jeweils oin oder
zwei Leitsätze vorangestellt. Auch verschiedene Tabellen
orloiohtern don Gebrauch des Buches. Wenn in
§ 1 „Begriff und Aufgabo der Hymnologio" diese als die
„Lehre vom Kirchenlied" bezeichnet wird, dann ist dies
gowiß für das Unterrichtsfach in einer evangelischen
Kircheniniisikschule zutreffend; allgemein wird jedoch
der Bogriff „Hymnologio" als wissenschaftliche Disziplin
heuto woitor gefaßt und bisweilen auf den gesamten
einstimmigen gottosdionstlichen Gesang angewandt
. Darüber besteht in dieser aufstrebenden Wissenschaft
, die sich seit 14 Jahren durch die „Internationale
Arbeitsgemeinschaft für Hymnologio" (sie tagto zuletzt
in Dubrovnik/Jugoslawien) zunehmonden Nachdruck
vorleiht, bisher freilich noch keine einheitliche Meinung.
Durchgesetzt hat sich jodoch die Ansicht, daß die
Hymnologio nicht nur ein Teilgebiet dor Theologie, sondern
auch der Musik- sowie der Sprachwissenschaft
ist. — Albrecht gliodort sein Buch in drei Hauptabschnitt
!' mit zwölf und zweimal sieben Paragraphen:
A. Die Textdichter. B. Die Singwoisenschöpfer. C. Dio
Geschichte des Gesangbuchs. Verdienstvoll ist sowohl
die Einbeziehung des dritten, in dor Liturgie bisher noch
wenig behandelten Abschnitts wie auch besonders die
Behandlung des geistlichen Liedes der Gegenwart in
den beiden letzten Abschnitten. Wer heute eino Hymnologio
veröffentlicht, kann seinen Stoff an keiner Stelle
lediglich beschreibend darbieten, sondern muß Maßstäbe
setzen und Stellung beziehen; dies betrifft natür-
lich insonderheit die Gegenwart. Dom trägt dor Vf. mit
Recht vor allem beim geistlichen Lied unserer Zeit
Rechnung; hier sind seine Urteile st reng, jedoch nie
verständnislos gegenüber dem zutage tretenden Anliegen
und daher stets gerecht und ausgewogen. — In
■seiner (iesaiutdarstelluug bietet lbrocht trotz des ge
ringen ITmfangs des Ruches mancherlei interessante
Einzelheiten, vor allein aus der mittel- und norddeul
sehen Gesangbuchsgeschichte im Zeit alt er des Pietismus,
des Rationalismus und der Restauration, die auch dein
Fachmann nicht durchweg bekannt sein dürften.

Es schwächt das positive Gesamturteil vor allem
über Anlage und Gestaltung von Albrechts Hymnologio
kaum ab, wonn nun freilich auch festgestellt worden
muß, daß verschiedene Einzelheiten der Korrekt 01
bedürfen. Es ist dies in erster Linie die Folge davon,
daß dem Vf. das „.Jahrbuch für hiturgik und Hymim
logie", das lückenlos über den Stand der Forschung
unterrichtet, nur vereinzelt zugänglich gewesen ist. So
wissen wir durch Konrad Amelns Untersuchungen, daß

Theologisohe Literaturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 12