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Ausgabe:

1974

Spalte:

954-956

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Titel/Untertitel:

The manual from Notmark 1974

Rezensent:

Bieritz, Karl-Heinrich

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053

Theologische Literaturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 12

954

da sprioht" (95). In dem Zwang, der die Linguistik zunehmend
benötigt, „den Sprechenden, den persönlichen
Vollzug mithinzunehmen in die Wissenschaft von der
Spracho", sieht er zugleich eine Rechtfertigung für
„Aussagen, die mehr beinhalten, als reine Empirie bestätigt
" (104) —eine Rechtfertigung also für dio Sprache

des Gebets.

Es sind vor allem zwei sprachphilosophischo Theorien
, die sieh der Vf. in diesem Zusammenhang zu eigen
macht und auf denon er dann auch seine „Leitsätze"
(141—256) aufbaut. Da ist zum einen die Unterscheidung
von J. Li Austin (1958) zwischen „performativon"
und „konstatierenden" Äußerungen; „performative"
Äußerungen sind solche, in denen man „mit Worten
Dinge verrichtet"; „sie sind in sich Handlung und
Ttin" (z. B. Entschuldigungen, Versprechungen usw.).
„Pcrformativ" ist nun aber nach Meinung des Vf.s eine
ausgezeichnete Bezeichnung dessen, was in der Sprache
des Gebots sich ereignet: „Zum religiösen Sprechen . . .
gehört zweifellos ein .performatives', vollziehendes, existentielles
Element ... Zu jeder religiösen Aussage gehört
dio Handlung des Glaubens und Vertrauens; in
jedem christlichen Satz ist die .performative' Haltung
impliziert" (106 f.).

Von noch größerer Bedeutung für die nachfolgenden
Iu nkt isohon „Leitsätze" ist die Sprachphilosophie von
J. T. Ramsey (1957); der von Ramsey geprägte Begriff
der „disclosure-situation" (Krschlioßungssituation) wird
/.um Sohlüsselbegriff auch für die gesamten weiteren
Darlegungen Sudbracks. „Disclosure-situations" sind
solche Situationen, die nicht im rein Beobachtbaren,
Vorifiziorbaren, Feststellbaren aufgehen, sondern für
dio gilt: „Die beobachtbare Situation öffnet sich in eine
nioht mehr zu beobachtende Situation hinein". „Ob-
servable and moro than observable" lautet die
entsprechende Formulierung bei Ramsey, die nach
Sudbraok genau den Punkt bezeichnet, an dem religiöses
Sprechen — und damit das Gebet — anzusetzen
hat: „Religiöses Sprechen aber geht aus von Situationen
, in denon man von .Beobachtbarem und mehr'
spricht" (112f.). Solche,.Erschließungssituationen" sind
z.B. Geburt und Tod: aber auch Liebe und Zorn.
Freude, Vertrauen, Angst, Begegnung, Spiel, Hoffnung,
Humor, Geborgenheit (110 ff.). All dies sind humane
Situationen, in denen sich „eine Qualität von ,mehr
als Beobachtbarem' findet"; Situationen, die zunächst
erst einmal „erfahren", „zu Bewußtsein gebracht" werden
müssen; dann aber gilt es, sie „aufzubrechen", sie
„woitorznleson" in Richtung auf das, was sich in ihnen
an „mehr als Beobachtbarem" verbirgt. Indem man
so verfährt, beginnt man über Gott und zu Gott KU
spreehon - beginnt man, zu beten (113).

Damit hat der Vf. den Skopus seiner weiteren Ausführungen
formuliert: Boten heute heißt, „humane
Situationen aufzubrechen auf Gott" (114). Was nun
folgt, läßt sich auf die Forderung reduzieren, „daß
Gebet — und sicherlich das Naehdenken über Beton
und dio Erziehung zum Beton — an diesen humanen
Situationen ansetzen muß. Sie bieten den einzigen Weg
»um Absoluten, sind .disclosure-situations' für Gott"
(115). Wir vorstehen jetzt, warum der Vf. seinem Buch
den Titel gab „Meten ist menschlich"; und wir ahnen,
daß er mit. dem D»griff ..Frsehlioßungssituation" den
Vernich unternimmt, die seit dem „nominalistisele .,
Umbruch-' den betenden Glaubon entglittene Wirklichkeit
(,,nd zwar als menschliche Wirklichkeit I) erneut auf
Gott hin transparent zu machen, ohne das personale
RriM dieses Umbruchs preiszugeben.

Was nun an „Leitsätzen" folgt (hingewiesen sei noch
»«■uf einen informativen Exkurs „Moderne Stimmen zum
Thema (i. br-t' . III 139). versteht sieh in seinem Ansatz
nach den bisherigen Erörterungen von selbst —
so Leitsatz 1 mit der Feststellung, daß jedes Boten
heute „beim Menschen beginnen" müsse („Nur ausgehend
von humanen Situationen und ständig rückbeziehend
auf sio bleibt das Beten wirklichkeitserfüllt",
145). Auch Leitsatz 2 („Unterwegs zu Gott", 152—161)
gipfelt in ähnlichen Feststellungen: Beten ist „Sensibilisierung
auf die humane Situation und . . . Durch-
sichtigmachon dieser Situation auf Gott" (160). Das
„Du" Gottos (zu dorn dor Beter immer nur „unterwogs"
ist — die personale Anrede Gottos ist also nicht Ausgangspunkt
, sondern Zielpunkt dos Betens! 159) wird
am Gleichnis der zwischenmenschlichen, personalen Begegnung
verdeutlicht: „Die ,Du-Erfahrung' zwischen
Menschon (bildet) den Schlüssel zur .Gottes-Erfah-
rung'" (156). Aber es gilt auch — und damit tröstet der
Vf. offenbar all die, denen dioses „Du" im Gebet nur
noch schwor über dio Lippen kommt — daß es für die
botende Existenz orst in zweiter Linie wichtig ist, ob
sie „bis zur ganzheitlichon Erfahrung dos göttlichen
,Du' vordringt" (161).

Weitere Leitsätze —- die zontralo Fragen der Theologie
und Spiritualität dos Gebets ansprechen, hier aber
nicht mehr dargestellt worden können — betreffen das
Verhältnis von Individualgebet und Gemoinschafts-
gebct (162—173), Gebet und Methodo (174—195), das
Verhältnis von actio und contemplatio, Boton und Tun,
Feier und Arbeit (186—198), dio Violfalt der Formen
des Botens (199—231), dio Spracho des Gebets („Sprechen
und Vorstummen", 232—242), Jesus als Kriterium
, Vorbild und Hilfo für oin Boten, das an „humanen
Erfahrungen" maßnimmt (243—256).

Leipzig Karl-Heinrich Biorit./.

LITURGIEWISSENSCHAFT

(»losen, Knud [Ed.]: The Manual from Nolinark, Gl. kgl.
Saml. 3453, 8°- Copenhagen: Oad 1970. 124 S„ 4 Taf.
8° = ßibliotbeoa Liturgioa Danica, ed. by K. Ottosen.
N. K. Rasmussen, Ch. Thodborg, Sories Latina, 1. Pp,
Dan. Kr. 27,—.

Die Herausgober dor „Bibliothooa Liturgica Danica"
haben sich oin umfassendes Ziel gestockt: Die Edition
sämtlicher dänischer liturgischer Texte — einschließlich
dor mittelalterlich-lateinischen Dokumente. Ob es klug
war, dabei mit der Publikation dos relativ unbekannten
(und in seiner „dänischen" Herkunft durchaus umstrittenen
!) „Manuale von Notmark" zu boginnen, muß bezweifelt
werden; das Vorwort des Herausgobers („The
basic matorial of this publication was the prizo essoy
in theology which I handed in to the Univorsity t»f
Arhus in 1965 . . .") unterstreicht die Zufälligkeit dieser
Wahl.

Die Herausgeber haben sich entschlossen, die Kommentare
, die sie den einzelnen Publikationen dor Reihe
beizugeben gedenken, jeweils auch in einor dor „main
languages" zu veröffentlichen; dafür schulden wir ihnen
Dank. So erfahren wir nun auch in der von Knud Otto
sen verfaßten Einleitung zur vorliegenden Veröffentlichung
einiges über Auffindung, Aufbewahrung, Zustand
. Inhalt. Datierung und liturgiegesohichtlioheii
Kontext dos Manuskripts:

Das für den Gebrauch an einer Pfarrkirche (und
nicht für klösterlichen Gebrauch!) bestimmte Rituale
enthält im einzelnen Formulare für die Taufe, die Trauung
, die (wir übernehmen die originale Schreibweise des
Manuskripts) „Visitacio infirmorum" und dio Begrab
ni^leiorlichkeiten; außerdem einen kurzen und einen
längeren Ritus für die „Benediccio salis et aque"; eine