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Ausgabe:

1974

Spalte:

937-939

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Grabner-Haider, Anton

Titel/Untertitel:

Semiotik und Theologie 1974

Rezensent:

Schenk, Wolfgang

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Theologisohe Literaturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 12

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PHILOSOPHIE, RELIGIONSPHILOSOPHIE bei der Darstellung der Pragmatik vermißt man J. L.

Austin, der erst 175 f. eingeführt wird).

Qrakaer-HaMer, Anton: Semiotik und Theologie. Religiöse Der zweito Teil (Analytische Philosophie und Her

Redo zwischen analytischer und hormenoutischer Philo- meneutik 51—143) informiert etwas ausführlicher über

sophic. München: Kösol-Vorlag [ 1973]. 230 S. 8°. Kart. die Geschichte der analytischen Philosophie (Logischer

DM 28,—. Atomismus, Logischer Empirismus, die pragmatische

Unter dem Aspekt der Semiotik wird das gegen- Wende des späten Wittgenstein und den kritischen

wärtigo Verhältnis von Theologie und Hermeneutik in Rationalismus) und etwas kürzer — da den Theologen

den Bereich des Fragwürdigen gerückt. „Semiotik" bekannter — über die Geschichte der hermeneutisch-

wird dabei im engeren Sinne verwendet und mit dialektischen Philosophie (woboi mit Recht dio inner-

„Spraohanalyso" identifiziert (12). Dio allzu ungeprüfte kritische und weiterführende Schlußphase dieser Rich-

Selbstverständlichkeit, mit der gegenwärtige Theologen tung akzentuiert wird), um beide dann in ihrer Aus-

die Hermeneutik in der Regel als ein Apriori verwenden, einandersetzung und teilweisen Durchdringung mitein-

anzufragen, war längst fällig, wenn man die indirekte ander vorzuführen.

und direkte Kritik der analytischen an der hermeneuti- Der dritte Teil (Semiotik und Theologie 145—210)

sehen Philosophio beachtet hätte. Es ist keine Unter- fragt nach Möglichkeiten einer theologischen Integra-

stellung, sondern die Schonungslosigkeit einer klaren tion der Sprachanalyse und findet sie vor allem in der

Diagnose, wenn uns hier nun gesagt wird, daß die Theo- pragmatischen Wende von Wittgenstein II (wie schon

logie „im Fahrwasser der hermeneut ischen Philosophie" Ramsay, Evans, Hubbeling, de Pater), aber auch in den

meist nur „eine Adaptierung von Existential-Herme- Ansätzen zu einer Syntax und Semantik des religiösen

itik auf die theologischen Bereiche" vollzogen hat. Sprachgebrauchs bei Bochenski. Der Ertrag wird in elf

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Das negativ Ergebnis dieser Verbindung ist in mehr- „Thesen zu Semiotik und Theologie" zusammengefaßt,

faoher Hinsicht daran deutlich, daß einmal in diesem Die Stärke des Buches liegt im Literaturbericht

Rahmen mehr Grundlagondiskussionen geführt als über die betreffenden Konzeptionen und ist insofern

konkrete Methoden für dio Übersetzung der biblischen a]s 0jne Einführung gut geeignet, auch wenn eine me-

Suraohon'erarbeitet" wurden und zum anderen nicht thodische Aufbereitung für Anfänger fehlt. Wer bereit

die Selbstkritik und die partielle Weiterent- ;8t, nicht in der Stoffülle zu ertrinken, wird von dem

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wieklung der hormeneutischen Philosophie zum Tragen Buch auch als Nicht-Eingelesener Anregung und Ge-
gekommen ist; vor allem aber: „Nach dem logischen winn haben — nicht zulotzt für seine eigene Abklärung.
Status der sprachlichen Operationen wurde so gut Wie fm Blick auf die vom Autor gestellte und vom Rezen-
niebt gefragt" (145). Die hr-rmeneutisch-dialektische senten als notwendig bejahte Aufgabe wird man von
Philosophie erweist sich als unfähig, ideologische Mo- dem Buch sagen müssen: Es bietet zu viol und leistet
mente an der Sprache aufzudecken oder pathologische /u wenig. Die Klärung der Frage eines Entweder-Oder
Kommunikationen zu erfassen ... Sie vermag eigent- beziehungsweise eines Sowohl-als-Auch von Hermolich
gestörte Kommunikation in einem Sprochspiel noutik und Sprachanalyse steht noch aus. Das Anliegen
nicht zu entstören sondern kann nur das ihr tradiert.- des Vf.s ist die „Verzahnung" von analytischen mit
Sprachspiel verstehen und weitergeben" (103 f., 124). hormeneutischen Verfahrensweisen (109 f. u ö.). Den-
Soll der Ruf zur Entscheidung" die eigentliche „Aus- nooh stellt sich nach der Lektüre der Arbeit, die für eine
sage" eines Textes sein/so „wird der sprachlogisch fun- Vielfalt von Theologien eintritt (vgl. 11. Schlußthese),
damentalo Unterschied zwischen Seinssätzen und So - die Frage, ob nicht doch die Alternative von semio-
lenssätzen gar nicht gesehen, was die ganze Methode tischer oder hermeneut.schor Arbeitsweise gestellt wer-
problomatisoh macht" (103); wenn Gott „nicht Gegen- den muß. In der jetzt anstehenden Phase der Arbeit
stand sondern die Wahrheit" christlichen Redens sein wird mindestens aus heuristischen Gründen hier ein
soll, s'o „werden offensichtlich semantische und syntak- Entweder-Oder effektiver sein als eine schon auf Ver-
tische Kategorien verwechselt" (155). Der Aufwe.s sol- mittlung bedachte Position, wie sie dem Vf_vorschweb .
eher Mängel bezeichnet genau den wissenschaftsgo- Bei einem vorschnellen Eingehen auf die Hermeneutik
v u.i u ud i !,♦ „„,lern die Theo ogie auf- — und damit auf den pragmatisch-illokutionaren Aspekt
seh.eht heben Wendepunkt « J"" (1(,n%rfteh- -besteht die Gefahr, daß die anstehende Klärung
,' l,,r, e,, und. ihre A -l, rm i M » P ^ 8vntakttoohen und semantischen Bereich weiterhin

analytischen Methoden konsc in nt »""-"n **** ~f __ ____,__.

„das theologisch., und religiöse Sprechen analytischen versäumt wird. T/rotz aller gegenteiligen Bestrebungen

Methoden zugänglich" zu mache« (14«). wk JUm to scheint mir auch das vorliegende Buch von einer nicht

B . ' -r? ■ u •*„ „„„„hieht Die „Einsicht g,vnz gerechtfertigten Bevorzugung des pragmatischen

Herne h der Eveijese IM bereits gesclin lu. i" K»"" 6 . . . - T . -it- i? ■ u •• j- au

" fMuKu j ■ Element natur- Aspekts nicht frei zu sein. Vielleicht wäre dio Arbeit m

■r Generativen Lingu s,,kaß * stTuktur. ^ otwfls ftndere Richtung gelaufen, wenn ihr in

.eher Sprache endende theo ^' ^ ^ aonflt gorgfaltigen Aufbereitung der einschlägigen

besehre.bungon zugeordnet werden, tü ^ jj^^ bei de, nur wenig Rühmliches über die An-

gemngi „Dies- Strukturbesehre,b mg. ^ hamllvti8chen Herausforderung durch

Melle der Hermeneutik treten ' führt das die Theologie im deutschen Spraohraum registriert

Unter der Brisanz dieser Kragestcllunyen i ^ werden konnte, nicht eine bedauerliche Lücke unter-

BttOh im ersten Teil forschungsgescf>,™,'hT^ k,..r( |nufen wäre: Der frühe und beachtliche, leider jedoch

Spraehanalyse ein (Was ist Semiotik? 13 ) "' gPkorrin,ene und darum wohl hier wie

dabei die Aspekt bereiche der 8yntaktl*au . ]» 80|ist öftor übersehene Versuch, analytische Theologie
'•er Semantik als Bedeutungslehre und aei »Bauf der Basis der dialektischen Theologie fruchtbar zur

»Ih der sprachlichen H,in(,huKW'ohr%. '^.„inerarohie, Geltung zu bringen, wie ihn Heinrich Scholz (der Ch. S.

Soziologie einsehließt . Dabei wird die Eben, n i( peirce in unserem Sprachraum zur gleichen Zeit ver-

'ittoh der die Semantik die Syninktik UM 1 die rn* r_ mittelte, wie Ch. W. Morris ihn im englischen zur

die beiden andoren vorausgesetzt, un!><• ding H_ Geltung brachte) angestrebt hat (vgl.: Wie ist eine evan-

halton. (Bodauorn möchte ich an der Art de ^ gelische Theologie als Wissenschaft möglich?, 7.7.

lUng, daß Chomsky hier nur kurz "^J^iMfthrUcIl 1931, 8—53; Was ist unter einer theologische •n Aussage

"".I ersl später 130 II. etwas exkursartig au ^ n verstehen ? In: Theol. Aufsätze. K. Barth zum 50.

vorgestellt wird und in dem Zusammenhang (I' ' Geburtstag. München 1936, 25—37), ist völlig außer-
13« f. die bislang überKangenc generativ- Semantik.