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Ausgabe:

1974

Spalte:

915-917

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Plutta-Messerschmidt, Elke

Titel/Untertitel:

Gerechtigkeit Gottes bei Paulus 1974

Rezensent:

Schott, Erdmann

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„Bischöfe und Diakonen" (1,1) vermutlich nicht zwei,
sondern nur eine Gruppe von Dienstträgern, nämlich
eiüe Gruppe von Gemeindeleitern, die ihre Aufgabe als
Dienst verstehen. Der Ausdruck „mit Christus" beschreibt
nach einer schönen Formulierung M. Bouttiers
das Sein „in Christus" an seinen beiden Extrempunkten,
bei der Taufe und in der Vollendung. So richtig es ist,
daß es dazu keine wirklichen Parallelen gibt, fiele doch
wohl von AT und jüdischer Apokalyptik her noch etwas
mehr Licht auf den paulinischen Sprachgebrauch. Daß
der Christushymnus 2,6—11 als wesentlich christliche
Bildung und die universale Anbetung des Kyrios von
An Tang an als eschatologisches Ereignis (das sich in
der Gemeinde schon anbahnt) verstanden wird, scheint
mir richtig zu sein. Die als wahrscheinlich bezeichnete
Rückführung des Hymnus auf Paulus selbst bleibt hingegen
sehr fraglich. Das Kreuz ist für ihn etwas anderes
als letzte Konsequenz einer Erniedrigung aus der Präexistenz
, die zwar von Paulus vorausgesetzt wird, aber
nicht seine Christologio grundlegend prägt. Auch ist,
trotz dem apokalyptischen Abschnitt 1 Kor 15,22—28
(wo der Titel typischerweise fohlt I), das Kyriosbekennt-
nis bei ihm völlig auf den Glaubonsgohorsam der Gemeinde
ausgerichtet, der in Phil 2,9—11 höchstens
implizit erscheint. Die Kritik an dem Entwurf des (sonst
gerühmten) Buchs von J. T. Sanders, der stark mit
außerchristlich-gnostischen Erlöserkonzeptionen rechnet
(vgl. jetzt auch H. M. Schenke in: Gnosis und NT,
1973, 218 ff.), scheint mit zutreffend. Die Literatur ist
im ganzen Kommentar gut verarbeitet, auch was das
deutsche und englischo Sprachgebiet betrifft. Nachzutragen
ist der an entlegener Stelle erschienene Aufsatz
von G. Baumbach über die Irrlehrer (Kairos 1971,
252 ff.), der wie der Vf. 3,1b—4,1 + 4,8f. als mögliohes
zweites Schreibon abgrenzt. Zusammenfassend ist zu
sagen, daß J. F. Collange uns einen sohr schönen und
gut lesbaren Kommentar goschenkt hat.

Zürich Eduard Schweizer

Plutta-Messerschmidt, Elke: («erechtiRkeff Gottes bei Paulus.

Eino Studie zu Luther« Auslobung von Römor 3,5. Tübingen
: Mohr 1973. IX, 180 S. 8° m Hermonoutischo
Untersuchungen zur Theologie, hrsg. v. G. Ebeling,
E. Fuchs, M. Mozgor, 14. Lw. DM 39,—.

P.-M. ist Schülerin von Ernst Fuchs. Sie will mit
ihrer hier vorliegenden Dissertation den Zuspruchcharakter
des Paulinischen Wortes von der Gerechtigkeit
Gottes herausstellen, der in der jüngsten theologischen
Forschung durch Verwischung der Grenzlinie
zwischon thoologia gloriao und theologia crucis fraglich
geworden ist (Vorwort). Da sie zur Stützung ihrer These
auch Luthers Verständnis von Rom 3,5 erörtert, ist
ihre Studie zugleich ein Beitrag zur Lutherforschung.
In der Einleitung analysiert P.-M. die über Gottos-
gerechtigkeit bei Paulus geführte Kontroverse zwischen
Bultmann und Käsemann. Bei Bultmann hat die
Gottesgerechtigkoit den Charakter einer Gabe, bei Käsemann
den einer Machtausübung Gottes. P.-M. legt einen
eigenen, übor beide hinausführenden Deutungsversuch
vor und geht dabei von Rom 3,5 aus, weil diese Stelle
von beiden Kontrahenten einmütig im Sinne der Macht -
katogorio interpretiert wird. Hior wird „sich daher jeder
Deutungsversuch bowähren müssen, der die Machtkate,
gorie duroh eine andere . . . ersetzen möchte" (S. 10)#

Teil A (8. 12—77) behandelt Luthors Verständnis
von Rom 3,5 unter der Überschrift: Das den gläubigen
Sünder ansprechende, weil den gläubigen. Sünder
ansprechende Wort Gottes. In sorgfältiger Analyse einschlägiger
Äußerungen Luthers und unter ausgiebiger

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Berücksichtigung der Sekundärliteratur kommt P.-M.
zu dem Ergebnis: „Das Geschehen der iustificatio hat
. . . die Struktur der Kehro, weil sich die iustificatio
als fieri des Wortes ereignet" (S. 46). Die iustitia doi
ereignet sich, indem „Gott als dem in Wahrheit Sprechenden
in uns Raum" gogebon wird (S. 47). „Daß
der Sünder sprechen kann ,ego peccator sum', weist ihn
schon als den Gerechten aus"; er kann os nur im
Glauben an Gottes Wort. Gott kommt in seinem Wort
auf uns zu, indem or unsore Worko (uns solbst) in unser
Nichts führt, „an dorn sich das Plus des Wortos Gottos
als Plus erweist", so daß Gott durch unsere Antwort
in uns in Wahrheit Gott (gerocht) wird (S. 76). „Wo man
mit Luther in der Explikation von ,iustitia doi' beim
fieri des Wortes ansetzt, da erscheint die ,iustitia
imputativa' als .iustitia offectiva', weil als das
Goschohen, dessen einziger auetor Gott ist, als
Wortwechsel zwischon Gott und Mensch ..." (S. 74).
„Um der dem Ereignis eignenden Kehre-Struktur willen,
die ihn nie den donum-Charaktor der fldes vergessen
läßt, kann Luther die fides nicht hoch genug rühmen"
(S. 48).

Teil B (S. 78—155) steht unter der Überschrift:
dikaiosyno theou als Spraohereignis Die Präzisierung
des Textes durch Luthers Ansatz als Verifizierung von
Luthers Ansatz durch den Text. Der 1. Abschnitt
„Dikaiosyno thoou als Spracheroignis in Röm 3,5" hat
drei Teile: I. Das Wort Gottes als den Sünder ansprechendes
, II. Die Kehre, III. Das Wort Gottes als den
Gerechton aussprechendos. Eine Schlüsselstellung hat
bei P.-M. der Bogriff to porisson, „das Plus", (Röm 3,1).
An ihm verdeutlicht sie das, was sie die Kehre nennt .
Auf die Frage, ob dio Juden ein Plus haben, antworten
V.l „in jeder Weise" und V.9 „keineswegs". „Angesichts
dieses Widerspruchs stollt sich dio Frage nach den
Kriterien des Plus" (S. 90). Aus V.2 orgibt sich: „daß
ihnen die Worte Gottes anvertraut worden sind", ist
das Kriterium des Plus (S. 91). Der Blick auf den Ablauf
der Geschichte erweckt aber dio Frage: „Ist etwa Gott
ungerecht ?" (V.5). Die Antwort darauf „Wie wird Gott
dio Welt richten?" besagt zweierlei: „Ungoglaubt,
stehen dio logia tou theou widor don anthropos auf.
scheint, als Gabe zurückgewiesen, die dikaiosyno theou
den Menschen in dor Tat als Macht zu überkommen. . "
(S. 121). Geglaubt erweist sich das Wort Gottes darin,
„daß es don schillernden Frommen aus dem Ort vermeintlich
noutralor Selbstbeobachtung in die Eindeutigkeit
vor Gott holt" (S. 122). „Denn eben das ist
dikaiosyno theou, daß der Mensch vor Gott bekennt:
adikia hemon" (S. 130). Ergebnis: 1. Auch in Röm 3,5
ist der Genitiv theou ein genetivus auctoris, 2. „Boi dor
Explikation dor dikaiosyne theou ist am Gabe-Charakter
der dikaiosyne theou festzuhalten, insofern sie
sich für don Glaubendon als Sprachgewinn ereignet",
3. Bei der Explikation der dikaiosyne theou ist dem
Macht-Charakter der dikaiosyne theou Rechnung zu
tragen, denn dies, daß ,die hier mitgeteilte Gabe . . .
nicht und nie von ihrem Gebor ablösbar' ist, erfährt der
Glaubende in der ... Kehre-Bewegung des WovtO*"
(S. 140). Der 2. Abschnitt „Die Konkretionen des Wort
Wechsels .dikaiosyne theou' als Sprachgewinn" lenkt
den Blick kurz auf die übrigen Belegstellen von dikaio
syne theou, um zu zeigen, daß der Paulinische Sprach
gebrauch „nicht .schillernd', sondern prägnant und eindeutig
" ist (8. 154).

Die eindrucksvolle, scharfsinnige Studie hinterläßt
die Frage, ob hier genügend die Unterscheidung /«i
sehen Gesetz und Evangelium, die für Luther zentrale
Ii'ih'iitimg hat, zum Ausdruck kommt. Stellenweise
klingt es so, als ob bereits das richtende Gosetzeswort
als solches das Wort der Verheißung ist (■/. H. S. 122);

Theologisohe Literaturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 12