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Ausgabe:

1974

Spalte:

907-909

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Hübner, Hans

Titel/Untertitel:

Das Gesetz in der synoptischen Tradition 1974

Rezensent:

Bertram, Georg

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907

Theologische Literatureeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 12

NEUES TESTAMENT

Hübner, Hans: Das Gesetz in der synoptischen Tradition.

Studien zur These einer progressiven Qumranisierung und
Judaisiorung innerhalb der synoptischen Tradition.
Witten: Luther-Verlag 1973. 261 S. gr. 8".

Dio vorliegende Arbeit geht von der exegetischen
Untersuchung aus und sucht zu möglichst genauen
Bestimmungen der Begrifflichkeit zu kommen. So
kommt es zwar nicht zu ondgültigen Erkenntnissen.
Wohl aber werden weitreichende Möglichkeiten der
Deutung erschlossen. Es finden sich Wege zur klareren
historischen Einordnung und zum theologischen Verständnis
. Es geht hier weithin um ein Judentum, das
mitten in der hellenistischen Welt stehend sich um so
eifriger und schroffer in seiner Eigonart behauptete
Das besondere Verdienst dos Vf.s liegt in der förderlichen
Verarbeitung dos geistig und glaubensmäßig so
von Spannungen erfüllten Stoffes, der von der vielschichtigen
internationalen Literatur unter oft widersprechenden
Voraussetzungen behandelt wurde und
wird. Als Grundfrage der Forschung ergab sich das
Problem einer etwaigen (Re-)Judaisiorung oder (und)
Qumranisierung der synoptischen Jesus-Überlieferung
und allmählich sich steigernder entsprechender Einflüsse
(vgl. Braun und Stauffer, dazu ThLZ 93, 1968
Sp.739—743). Letztlich muß wohl oino Glaubensentscheidung
fallen. Aber dio rodaktionsgeschichtlicho Methode
kann eine sach- und sinngemäße Ordnung des
Stoffes vorbereiten und zu oinor klaren Übersicht über
dio möglichen Ergebnisse führen. Aber die Meinungen
widersprochen sich. Don einen orscheint Mt als radikaler
Antinomist, don andern im Gogontoil als radikaler
Nomist. Abor das Verständnis des mosaischen Gesetzes
wio der Autorität Jesu bloibon umstritten. Der Stoff
des vorliegenden Werkes, das sich auf die Synoptiker
beschränkt, kann nur in beispielhafter Auswahl dargeboten
und verstanden worden. Mündliche und schriftliche
Tradition wird in weitem Sinne genommen.und der
Auslegung müssen die verschiedenen methodischen Möglichkeiten
der Litorar- und Quellenkritik, der Form-
goschichte wie der Rodaktionsgeschichte dienen. Und
alle Überlioforungon lagen wohl in verschiedenen Rezensionen
vor.

In fünf Kapitoln werden die Hauptfragen bohandolt.
Die Einleitung bildet das Programm Mt 5,17—20. Es
folgen dio Antithesen, dio Sabbatfrage und die Frage
nach Rein und Unrein aufgrund von Mk 7,1—23. Dabei
wird die grundsätzliche Bedeutung des Logions Mk 7,15
für das Weson dos Glaubens in allen Religionen sowohl
bohauptot als auch bestritten. Die Diskussion über dio
Reinheitsvorschriften, ihre Ausbildung und Anwendung,
und die Notwendigkeit uU auf die Einzelheiten einzugehen
, kann bedeuten, daß das entscheidende Wort
Mk 7,15 in der Mannigfaltigkeit der Meinungen einschließlich
auch der der modernon Exegoten verdeckt
und vorschüttet wird und seine kritische Wirkung verhört
. Es handolt sich bei Jesus nicht um verschiedene
Moinungon in der Frage der kultischen Reinheit, sondern
um die Befreiung von Bindungen, in denon viele
Religionen besonders der Antike befangen waren, in
denen der Mensch, welchen Glaubons auch immer, zT
auch heute noch gebunden ist. Trotzdem bleibt os notwendig
, das jüdische, rabbinischo und qumranischo Material
für dio Frage von Reinheit und Unreinheit im
Zusammenhang des Logions Mk 7,15 zu besprochen und
so dio Bodoutung des Josuswortos jenseits jodor Kasuistik
auf einer neuen Ebene festzulegen. Dio paar
Aussagen bei don Synoptikern vortreten dieselbe Anschauung
, wio auch dio paulinischo Überlieferung das
Thema kultisch begründeter Abstinenz berührt. Im

übrigen konnten dio Worte Jesu auch unverstanden
weitergegeben werden. Von dem Zustand der Gemeinden
in Jerusalem wie in Galiläa und ihrem goistliehen
Charakter haben wir keino sichere Kenntnis, und können
daher von Rejudaisierung nur etwa in bestimmten
Einzelfällen roden. Lk schoint keino solchon Vorstellungen
vorauszusetzen. Er üborgeht dio Thematik von
Mk 7,15 nicht. Dio Frage der kultischen Roinheit hat
der 3. Evangelist in scharfer Polemik behandelt und in
Apg 10 mit dem Bericht über die Potrusvision noch
unterstrichen. Dio Möglichkeit kultischor Unroinhoit ist
danach von Gott selbst aufgehoben. Dio Haltung der
Qumrangemeinde aber ist für dio Haltung Josu selbst
und grundsätzlich auch für die ohristliche Gemeinde
bedeutungslos geblieben.

In dem lotzton dor fünf Kapitel, überschrieben ,Die
Autorität Jesu' wird dio Üborlieforungsgoschiohto als
solche dargostollt und dabei dio Rodaktorentätigkoit
bohandolt. Wenn man Mt 28,18—20 als Schlüssoltext
betrachtet, so ist damit auf die Predigt des irdischen
Jesus verwiesen. Gemäß Mt 9,6, vgl. Mt 11,25—27,
besaß schon der irdische Jesus dio eschatologischo Dimension
, und Ostern begründet die Predigt der Kirche
als Woitergabo der Predigt des irdischen Jesus. Im
Hören des Wortes wird dorn Höror gegeben, diese Autorität
für sich solbst anzuerkennen. Das Vordienst-
Denken ist damit ausgeschaltet und scheinbar juda-
istischc Aussagen gehen auf vorgegebene Tradition
zurück. Wio weit die tradierende Gemeinde judon-
christlich oder heidenchristlich bestimmt war und wio
das Sondergut dos Mt einzuordnen wäre, darübor läßt
sich Bestimmtes noch kaum sagen. Auch dor 3. Evan-
golist übornimmt widersprüchliches Material. Nach Lk
16,16a gab os bis dahin nur Gesetz und Propheten als
Offenbarungsträgor. Nun abor kommt hinzu dio Predigt
vom Reich. Das Gesetz ist damit für Lk in das Schoma
Verheißung und Erfüllung hineingestellt. Der Osterglaube
bedarf der Demonstration. So werden aus den
Zweifelnden Glaubende. So kommt bei Lk den Wundern
größere Bedeutung zu. In der Logionquollo ist zumindest
ein Spruch enthalten, der das Endo dos Gesetzes verkündet
. Aber daneben stehen widersprochendo Aussagen
, und wir sind noch nicht in der Lage, eine klare
und eindeutige Beurteilung vorzunehmen und deutliche
Schlüsse für das vorliegende Thema zu ziehen. Bei Mk
wird der Mensch dorn Gesetz übergeordnet. Danoben
aber steht dio Berufung auf das AT. Dor Bogriff Nomon
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um seinen eigentlichen Sinn. Lohre und Vollmacht ge-
hein n zusammen, und dem Wort Mk 7,15 kommt wohl
ein besonderes Gewicht im Aufbau zu. In der Kirche
geschieht die Vorkündigung des Auferstandenen, der
sich solbst verkündigt. Die neuo Autorität dos Evangeliums
bedeutet die Ausschaltung dor Autorität des
Gosetzes. Dabei bleibt dio Stollung der Schriften als
gültig vorausgesetzt. Mk denkt nicht gesetzlich, aber
daß or das Gesotz grundsätzlich ablohnt, läßt sich nicht
mit Bestimmtheit behaupten. Oer letzte Abschnitt ist
Jesus selbst gowidmot: Dor Vf. greift auf don Stürmerspruch
zurück. Jesus hat das Endo doB Gosetzes verkündet
und das Kommen der Gotteshorrschaft. Seine
sittliche Botschaft ist im Lichte dor oschatologischen
Verkündigung zu sehen und erhält gerade dadurch ihren
Unbedingtheitsanspruch. Gott fordert Rechenschaft.
Durch seine Fürsorge gelangen wir zur Froihoit von dor
Sorge und vermögen Liebe zu üben. Zum Schluß kommt
Vf. noch einmal auf die Antithesen zurück. Dio gelehrte
Stellungnahme wird noch einmal schematiseh geboten
und dann die Notwendigkeit, da zu modifizieren, festgestellt
. Aber damit beginnt die Diskussion eigentlich