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Ausgabe: | 1974 |
Spalte: | 858-859 |
Kategorie: | Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik |
Titel/Untertitel: | Archiv für Liturgiewissenschaft 1974 |
Rezensent: | Beckmann, Joachim |
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Theologische Literaturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 11
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eines standigen Verstehens- und Lernprozesses. Gewiß
bieten manche Meditationen zu unbekümmert unverbindliche
Allgemeinplätze an, sind andere Bearbeitungen
nur exegetische Fleißarbeiten. Einige Texte scheinen
mir im bewußten Streben nach Konkretionen zu sehr
auf eine unevangelische Mach-nach-Christologie reduziert
. Jedoch überwiegt positiv der Versuch, hilfreiche
Denkanstöße zu geben.
Im formalen Aufbau ähneln die meisten Meditationen
dem Schema, das von den GPM her bekannt ist: Literatur
, Exegese, theologische Einordnung, homiletische Hinweise
. Dieses Modell behält seinen Wert darin, daß es
- wenigstens theoretisch - Autor und Prediger gleichermaßen
zu strenger exegetischer und theologischer Bemühung
nötigt. Daß die Exegese bei diesem Modell oft einen
großen Raum einnimmt, sollte keinen übermäßigen Unmut
hervorrufen. Ohne ernsthafte Textarbeit ist die Botschaft
des Textes nicht zu hören. Dieser Komplex läßt
sich nicht generell durch gezielte Literaturangaben auf
wenige Hinweise beschneiden. Der Prediger hat aus vielerlei
Gründen oftmals nicht die Möglichkeit, die notwendige
Literaturarbeit selbst zu leisten. Hier geschieht
ein wichtiges Stück Information und über den aktuellen
Anlaß hinaus Weiterbildung. Jedoch fällt auf, daß die
Autoren andere Modelle, die für die Erarbeitung der Predigt
stärker vom Hörerbezug ausgehen, nur in geringen
Ansätzen beachtet haben. Dabei sollte es nicht bleiben.
Die EPM legen laut Vorwort auch auf methodische Hilfen
Wert. In dieser Richtung werden die Erwartungen
der Benutzer besonders hoch sein. Sie möchten eine Pre-
diglhilfe in der Hand haben, die ihnen die zeitaufwendige
Arbeit der eigenen Predigt Vorbereitung verkürzt. Der
Wunsch ist verständlich. Im Tätigkeitskatalog des Pastors
ist die Predigt heute eine Aufgabe unter vielen anderen
. So ist der Ruf nach Halbfertiggerichten groß. Die
Frage nach dem Möglichen muß an diesem Punkt sehr
nüchtern gestellt werden. Die Autoren schreiben die Meditationen
eineinhalb Jahre, bevor der Prediger sie zur
I'redigtvorbereitung heranzieht. Für echte Aktualitäten
bleibt der Prediger selbst verantwortlich. Einige Meditalionen
schließen mit einer Predigtdisposition. Diese Vorschläge
fallen zum Teil recht blaß aus; sie sind lehrhaft
allgemein formuliert. Ob sie wirklich helfen, ist zu fragen
. Die besten Anregungen für die eigene Predigt sind
dort zu finden, wo die Autoren schon in den Konkretionen
am weitesten vorgestoßen smd. Auffällig ist, daß
Anschauungsmaterial (Literatur usw.) kaum fruchtbar
Gemacht wurde.
Allerdings tragen diese Bemerkungen für sich wenig
aus. Die Effektivität der einzelnen Meditationen muß im
Zusammenhang der Funktionen gesehen werden, die die
,,;PM im Blick auf ihren Benutzerkreis wahrzunehmen
''aben. Genannt seien: Vorantreiben der hermeneutischen
Aufgabe, theologische Sachinformation. Bereitstellung
homiletischer Kleinkost. Jeder Komplex trägt in sich sein
e'genes Schwergewicht, der jeweils das Meditationssche-
•na bestimmt. Nur selten ist eine Vereinigung formal in
(>iner Meditation möglich. Es wäre deshalb zu überlegen,
"b die EPM nicht auf eine größere Variationsbreite ihrer
^•"edigthilfen hin angelegt werden könnten. So würden
den verschiedenen Erfordernissen abwechselnd umfassender
gerecht werden. Dazu bedürfte es jedoch gezielter
Planung und Aufgabenverteilung seitens der Herausgeber
.
Mit dem vorliegenden Jahrgang ist das letzte Wort über
^'e zukünftige Gestalt der EPM sicher nicht gesprochen.
Sie beginnen in einer Zeit mit ihrem Erscheinen, in der
J** Kanzelpredigt als die wesentliche Kommunikations-
to»"m kirchlicher Verkündigung Ihre Monopolstellung Verden
hat. Diese Problematik kann nidit unbeachtet blei-
bGr>- Theologische Lehre und pastorales Selbstverständ-
nis Identifizieren gottesdienstliche Predigt noch weithin
mit der Form der Kanzelrede. Das hat historische Gründe
. Für die Reformatoren war die Kanzelrede die angemessene
verbale Kommunikationsform, denn sie entsprach
den Gegebenheiten gesellschaftlicher und kirchlicher
Wirklichkeit. Diese Form-Vorgabe hat bekanntlich
nicht unwesentlich zur Prägung der protestantischen
Kirche beigetragen. So ist es verständlich, daß die Homiletik
auf diese Kommunikationsform fixiert war und ist.
Kaum zu überschätzen für die letzten Jahrzehnte ist der
Einfluß der Dialektischen Theologie. Schien doch die
Kanzel-Predigt, auch wenn darüber kaum reflektiert
wurde, der Struktur der Offenbarung als Einbruch von
„oben" besonders zu entsprechen. Formfragen waren
ausgesprochenermaßen Nebensache. Spätestens heute
kann auch die Homiletik nicht mehr an der Tatsache vorübergehen
, daß infolge einer soziologisch bedingten Entwicklung
andere Formen gottesdienstlicher Verkündigung
neben der Kanzelrede zu entdecken und praktizieren
sind. Sie ist auf Öffentlichkeit angewiesen, die ihr nur
selten eignet. Als Einbahnkommunikation vermag sie
den in pluriformen Bezügen lebenden Hörer nur ungenügend
im Sinne der befreienden Kräfte des Evangeliums
zu motivieren. Die Identitätskrise mancher Prediger hat
darin ihre Ursache, daß ihnen diese Zusammenhänge
nicht bewußt sind. So erwarten sie Abhilfe von guter Anleitung
zum Predigtmonolog. Eine trügerische Hoffnung.
— Müßte diese Situation nicht in den EPM mitberücksichtigt
werden? Wie können sie dazu beitragen, andere nötige
Formen gottesdienstlicher ..Predigt" zu entwickeln?
(Die Meditation zu Himmelfahrt versucht das im Ansatz,
189). Nicht nur die hermeneutische Aufgabe, auch die
methodischen Hilfen korrespondieren der Gemeindewirklichkeit
. Der von den Herausgebern angeregte Austausch
zwischen Benutzern und Autoren sollte auch in
der angedeuteten Richtung genutzt werden.
Rostock Uwe Schnell
Dudey, Irmgard: Zeitmangel - Ein Beitrag zur Frage
..Heil durch Entlastung?" (ZdZ 27,1973 S. 371-377).
Gerest, Claude: Geistliche Bewegungen und kirchliche
Institution (Concilium 9, 1973 S. 619-630).
Ilenkys, Jürgen: Gemeindeseminare — über eine neue
Form des Glaubensgespräches mit Erwachsenen (ZdZ
27, 1973 S. 286-292).
Hervieu-Leger. Daniele: Gibt es Anzeichen einer religio
sen Erweckung in unserer Zeit? (Concilium 9, 1973
S. 604-612).
Nissiotis, Nikos: Skydsgaard, Kristen Ejner; Chadwick.
Owen und Daniel O'Hanlon: Soll es in der Kirche in
Zukunft Parteien geben? (Concilium 9,1973 S. 566-584).
Reißer, Horst: Ein Traugespräch (PB1114,1974 S. 381-387)
Sommerauer, Adolf: Beichtgeheimnis - praktisch - persönlich
(PB1 114, 1974 S. 373-380).
-Vorschlag: Rationalisierung bei Kasualien (PB1 114,
1974 S. 461-471).
Suenens, Leo-Josef; Visser't Hooft, Willem; Potter, Philip,
und Theodore Hesburgh: Wie können wir unnötige Po-
larisierungen überwinden? (Concilium 9, 1973 S. 585
bis 593).
Urbina, Fernando: Religiöse Erweckungsbewegungen und
christliche Unterscheidung der Geister (Concilium 9,
1973 S. 631-637).
Versteeg, J. P., Dr.: De Heilige Geest en het gebed. Kampen
: Kok 1973. 34 S. 8° = Apeldoornse Studies, 6. hfl.
5.90.
LITURGIEWISSENSCHAFT
Archiv für Liturgiewissenschaft, in Verb. m. A. L. Mayer
u. O. Helming hrsg. v. E. v. Severus. Band XIV. Regensburg
: F. Pustet 1972. 584 S. gr. 8° ■ Abt-Herwegen-In