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Ausgabe:

1974

Spalte:

852-853

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Moda, Aldo

Titel/Untertitel:

La dottrina della elezione divina in Karl Barth 1974

Rezensent:

Bertalot, Renzo

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Theologische Literaturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 11

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wordene Offenbarung Gottes vergegenwärtigt sich im
Abendmahl bis zum Tage der Wiederkunft Christi auf
Grund der Realpräsenz, die bewirkt wird durch das
Wort. Die Einhüllung Gottes in das Fleisch des Menschen
Jesus nimmt im Abendmahl Brot und Wein zur Hülle,
um nicht nur gegenwärtig zu sein, sondern um .nutzbringend
' gegessen und getrunken zu werden ... Die Fleisch-
werdung Gottes in Jesus wird im Abendmahl reale Gegenwart
. Nur unter dieser Voraussetzung ist es überhaupt
möglich, bei Luther von dem fortlebenden Christus
, dem ,Christus prolongatus', zu sprechen" (204). (215)
wird gesagt, daß die Kirche der Christus prolongatus sei:
aber dies ist kein Widerspruch.

Die Inkorporation in die Kirche erfolgt durch Wort und
Glauben ebenso wie durch die Taufe, „die als Summe von
Wort Gottes, Wasser und Glauben gesehen werden muß,
wobei kein Glied fehlen darf, weil es sich in solchem
Falle nicht mehr um eine rechte, schriftgemäße Taufe
handeln würde" (222). „Die Taufe dient dem Christwerden
...; das Abendmahl dient dem Christ sein"
(225). Der geistliche Leib Christi wird im Abendmahl
vorausgesetzt (226). So ist das Abendmahl viaticum für
das in der Taufe begonnene neue Leben (229). Weil der
Mensch aus der Taufgnade herausfallen kann, spricht
das Abendmahl ihm sein Christsein neu zu (235).

Zuletzt weist Vf. auf Abendmahlsverweigerung und
Abendmahlsverzicht bei Luther hin. Das Abendmahl ist
für Luther „nicht Mittel für das Zustandekommen
eines Glaubens, ... sondern Ausdruck des einen
Glaubens, Kennzeichen der Verleiblichung" der
Kirche (245). Er lehnt Abendmahls- und Kirchengemeinschaft
mit den Schwärmern ab, weil dann unsere Leute
bei ihnen eitel Brot und Wein empfingen (248). So muß
man auch verzichten, bei Schwärmern das Sakrament zu
empfangen; auch der Hausvater hat dann nicht das Recht,
in seinem Hause das Abendmahl zu halten (251). Vf.
wehrt sich dagegen, das als Starrheit des alten Luther zu
bezeichnen. Hier stehen für ihn die beiden Kirchen, die
rechte und die falsche, gegeneinander, ja Gott und Teufel
(253). Er verwahrt sich auch gegen den Vorwurf der
Schwärmer, Luther verstoße gegen die von Gott gebotene
Liebe. Für ihn beinhaltet Liebe das Ubereinstimmen
in der Lehre (254).

Ein sehr ausführliches Inhaltsverzeichnis beschließt
das Buch.

Daß diese ausgezeichnete und sehr sorgfältig gearbeitete
Studie Anlaß zu Fragen und zum Weiterdenken gibt,
ist nur positiv zu werten. An vielen Stellen möchte man
systematisch weiterdenken und die Linien in die Gegenwart
ausziehen. Vf. hat sich davor konsequent gehütet.
Da Vf. immer den ganzen Luther im Auge hat und sorgfältig
die Schriften der zeitlichen Reihenfolge nach untersucht
und reichlich zitiert, kann der Leser sofort die
Auswertung selbst überprüfen.

Folgende Fragen zum Weiterdenken bzw. kritische
Fragen kamen dem Rez.:

1. Kann man von einer Impanation reden? Diese Redeweise
, die Vf. nicht gebraucht, ist verpönt. Aber ist sie
nicht doch analog zur Inkarnation und Inverbation richtig
? Vf. sagt, für Luther ergibt sich die Realpräsenz im
Abendmahl aus der Inkarnation (202), wobei sie freilich
keine Wiederholung der Inkarnation oder gar eine neue
Fleischwerdung Gottes ist (203). Aber Luther spricht geradezu
von einer Einbrotung, die freilich kein Brotwer-
den ist (206). Einbrotung ist doch Impanation.

2. Mit Recht verweist Vf. darauf, daß die Taufe, verbunden
mit Wort und Glauben, die Inkorporation in die
Kirche darstellt, das Abendmahl aber das viaticum. Von
der „kirchenkonstituierenden" Bedeutung des Abendmahls
sollte man also besser nicht sprechen. •

3. Eine Unklarheit besteht beim Vf. darin, daß er (VII)
sagt, daß Luther von den vier Weisen der mittelalterlichen
Schriftauslegung die tropologischc „unvergleichlich
bedeutsamer als alle übrigen" gewesen sei (vgl. auch
72), (27) aber, daß Luther „nur den sensus litteralis seu
historicus beibehalten" habe.

4. Vf. bezeichnet wiederholt die Sündenvergebung als
res sacramenti (z. B. 184, 191). Es hat sich aber eingebürgert
, Leib und Blut Christi als res, die Sündenvergebung
als virtus sacramenti zu bezeichnen.

5. Entscheidend bleibt die Bedeutung des Wortes. Es ist
hervorzuheben, daß Vf. diese Bedeutung klar erkannt
hat. Aber vielleicht hätte Vf. mehr von den (2—21) gewonnenen
Erkenntnissen in der Unterscheidung von Jesus
Christus als Verbum Dei und den verba dei, zwischen
dem verbum incarnatum und verbum inverbatum (18)
für die Bedeutung des Wortes im Abendmahl bringen
sollen. So richtig es ist, wenn man die Abendmahlstheologie
als Theologie des Wortes bezeichnet, wenn man hier
unter Wort Christus meint, so frag-würdig wird es doch,
wenn man unter Wort hier das verbum inverbatum
meint. Und so möchte Rez. doch Gollwitzer zustimmen,
daß die Exegese Luther „zwinge". An dieser Stelle, wo
Vf. das Abendmahl aus der Christologie abgeleitet sehen
möchte, kann Rez. ihm nicht einfach folgen. Es soll hier
kein Gegensatz konstruiert werden. Weil Luthers Christologie
durch seine Exegese bedingt ist, ist es auch seine
Abendmahlslehre. Vf. müßte wohl die Exegese für Luthers
Abendmahlslehre stärker berücksichtigen.

Diese Anfragen heben den durchweg positiven Eindruck
, den diese Studie macht, nicht auf, sondern unterstreichen
ihn auch dann, wenn man hier und da etwas anderer
Meinung ist. Es kann hier leider nicht herausgearbeitet
werden, wie geschickt Vf. methodologisch vorgeht
und wirklich Luther in seiner Entwicklung sprechen läßt.
Für manchen mag es überraschend sein, wie wenig im
Grunde sich Luthers Lehre auf dem untersuchten Gebiet
entwickelt hat. Dem Vf. kann für seine Arbeit nur gedankt
werden. Es bleibt zu hoffen, daß sie nicht einfach
ad acta gelegt wird, sondern heute, wo die in ihr angeschnittenen
und untersuchten Fragen so stark im Gespräch
sind, auch berücksichtigt wird.

Schlettnu/Erzgeb. Karl-Hermann Kandier

Moda, Aldo: La dottrina dclla clezione divina in Karl
Barth. Bologna: Edizioni Patron [1972]. 128 S. 8°.
Lire 1.500.-

Moda hat es verstanden, Barth im Lichte seiner besten
kath. Interpreten zu lesen, ohne sich je den leichten Kritiken
zu beugen, welche reichlich innerhalb und außerhalb
des Protestantismus aufgetaucht sind. Interessant
ist der Antrieb, nachzudenken über die Notwendigkeit
eines stärkeren Verweises der kath. Theologie auf die
Erwählungslehre. Er wünscht, daß sie die berechtigte
Stellung finde, welche ihr in der dogmatischen Bearbeitung
zukommt, indem er vorschlägt, Ihr Raum neben
der Offenbarungs- und Gotteslehre zu geben. Die Begegnung
mit Barth ist also bestimmend und bereichernd
gewesen, so daß sie nicht als bloßes intellektuelles
Abenteuer abgetan werden kann. In unserer Zeit stellt
diese Fähigkeit und Verfügbarkeit eine Ausnahme und
eine Hoffnung dar, nicht nur für die Ökumene, sondern
auch für die Begegnung mit den Menschen unserer Welt,
welche von der Gewalt gezeichnet ist.

In seiner Kritik stellt or sich ;in die Seite Malfhasars.
Bouillards und Küngs. Er macht sich ihren Vorwurf zi
eigen, daß Barth die Rolle des Menschen, den subjektiven
Aspekt des Heils und die Selbstverantwortung der Sünde
bagatellisiere. Er zieht es vor, von Christus, der solidarisch
mit uns Ist, zu reden, als Ihn als unseren Stellvertreter
zu bezeichnen. In der Tat findet der ethische Aspekt
der barth. Überlegung im Anschluß nn dogmatische Themen
nicht die notwendige Untersuchung bei Moda. Je'