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Ausgabe:

1974

Spalte:

840-841

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Matheson, Peter

Titel/Untertitel:

Cardinal Contarini at Regensburg 1974

Rezensent:

Müller, Gerhard

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B30

Theologische Literaturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 11

840

Bischöfe zurückgewiesen" (S. 118). Es ist ihr gelungen,
durch Burgrechtsverträge mit einzelnen Bischöfen dieser
ausdehnungsmäßig größten Diözese Deutschlands
ein partnerschaftliches Verhältnis zu erreichen. Zudem
war es möglich, sich „gleichzeitig dem Geltungsbereich
reichsrechtlicher Bestimmungen zu entziehen" (S. 117f).
Daß schließlich aus dem Machtkampf Österreich den
Vorteil zog, hebt Bender mehrfach hervor.

Das dritte Kapitel (S. 119-175) trägt zwar die Überschrift
: „Zwingiis Reformationsbündnisse", wendet sich
aber erst in einem vierten abschließenden Stück „Zwing-
lis Bündnispolitik" zu (S. 161-175). Die drei voranstehenden
Teile bieten in Kurzfassung eine Biographie
Zwingiis unter besonderer Berücksichtigung der politischen
Theologie des Reformators sowie Ausführungen
zur sozialgeschichtlichen Komponente der Schweizer Reformation
und zu geopolitischen Aspekten der Reformation
in der Schweiz und in Oberdeutschland. Ein kurzer
Exkurs (S. 179-181) geht im Zusammenhang mit dem
zweiten Hauptkapitel des Buches noch einmal auf das
„geistliche Gericht" in der Diözese Konstanz ein.

Bender resümiert folgendermaßen: „Zwingli hat die
alte Form des Burgrechts aufgegriffen, um im schweizerisch
-oberdeutschen Raum eine neue staatlich-politische
Gemeinschaft von Städten als Bürgern einer großen
civitas christiana zwinglisch-protestantischer Prägung
zu sdiaffen. Aber indem er die Gültigkeit des Eides an
seine Ableistung für die evangelische Sache band und
den Genossenschaftscharakter der Stadtbürgerschaft zugunsten
eines religiös überhöhten, obrigkeitlichen Stadtregiments
aufgab, entzog er der neuen Bürgerschaft aus
mehreren Städten das Fundament" (S. 177). Zwingli habe
eher Bündnisse bevorzugt, die „der Glaube erhält"
(S. 178), also solche, die „nur auf einem vergilbten Pergament
" stünden und mit ihm verdürben. Damit habe
der Reformator „das Fundament aller staatlichen Ordnung
" ausgehöhlt; denn ..der Glaube, der nicht erzwungen
werden kann, ist selbst bei denen, die aus ihm leben
und für ihn einstehen wollen, Anfechtungen und Schwankungen
ausgesetzt" (S. 178).

Abschließend weist der Vf. darauf hin, daß eine Untersuchung
der Wirkung Zwingiis „auf die politische
Ethik und die Klärung der Frage, ob und wieweit der
von ihm in den Burgrechtsverträgen aufgegriffene Genossenschaftsgedanke
in der calvinistischen Staatstheoriebildung
zur Wirkung gekommen ist", noch ausstehen.
„Eine Vorarbeit hierzu soll diese Untersuchung sein."

Benders Buch läßt m. E. eine Reihe von Fragen offen:

1. Das angezeigte Thema wird kaum ausführlich genug
behandelt. Auch wenn die Vorgeschichte zum Verständnis
der Geschichte eines hisTorischen Prozesses entscheidend
wichtig sein kann, ist hier versäumt worden,
einsichtig zu machen, wieso die Entwicklung der
Bischofsstadt Konstanz exemplarisch sein soll für
das in vieler Beziehung doch rechtlich anders strukturierte
und eingebundene Zürich.

2. So hilfreich und angemessen der methodische Einstieg
im ersten Kapitel ist, so unpräzis bleiben später
eingeführte Termini wie „reformatorischer Beginn"
(S. 122), „Glaube", ..Verkündigung" (S. 122), „religiöses
Sendungsbewußtsein" (S. 174) und „eidgenössische Idee"
(a. a. O.).

3. Die Quellengrundlage für die Darlegungen zur Geschichte
einzelner Städte (Konstanz, Eßlingen etc.) kann
der Rez. nicht nachprüfen, möchte aber gern angesichts
der Angabe ungedruckter Quellen aus den Archiven ad
bonam partem votieren. Die Quellenbasis für fast alles,
was die Vita Zwlnglis angeht, ist allerdings unzureichend
. Die Fundierung wichtiger Thesen dürfte sich nicht
auf wenige Zeugnisse aus der Sekundärliteratur geprüfter
- oder ungeprüfterweise (s. z. B. S. 129, Anm. 444)
verlassen (Siegfried Rother, Fritz Schmidt-Clausing,

Kurt Guggisberg u. a.). Nur gelegentlich und kaum wesentlich
zur Erhärtung der Ergebnisse der Arbeit Benders
ist die Benutzung der wissenschaftlichen Zwingt i-
Ausgabe (Z) zu erkennen.

4. Die unverzichtbare Chronologie zur Erhebung der
Vorgeschichte und Geschichte der Reformationsbündnisse
Zwlnglis ist kaum berücksichtigt worden. Sicherlich
hätte die Stellung des Reformators in der politischen
Situation Zürichs viel profilierter herausgearbeitet
werden müssen.

5. Die Studie ist in manchen Teilen in ihren Aussagen
nicht konzinn. Was auf S. 124 einschränkend über die
Wirkung des Humanismus auf Zwingli gesagt ist (humanistische
Methode zur Bibelerforschung und Betonung
des Friedensgedankens), wird auf S. 137 in einer undifferenzierten
Einfluß-Behauptung wieder aufgehoben.

6. Ohne nähere Spezifizierung stellt der Vf. anmerkungsweise
(416) die Frage, ob „Melanchthon überhaupt
zu Zwingiis Lebenszeit als Reformator angesehen werden
kann..."

7. Ob Gedanken von Gerhard Ebeling zum Geschichtsverständnis
durch Bender sachgemäß aufgenommen und
plaziert worden sind (z. B. S. 121), muß mindestens gefragt
werden. Dasselbe gilt auch von dem nicht näher
erläuterten Negativ-Urteil Karl Barths über Zwingli (S.
137f, Anm. 480).

8. Das anerkennenswert ausführliche Verzeichnis der
„Quellen und Literatur" (S. 183-200) erscheint im Duktus
der Darstellung nur zum geringen Teil genutzt. Es
berührt seltsam, wenn RGG und LThK unter der Rubrik
„Gedruckte Quellen" subsumiert werden.

9. Es sind eine ganze Reihe von Druckfehlern stehengeblieben
, die hier nicht alle notiert werden können. Der
ärgste Fehler findet sich wohl auf S. 35 im Zusammenhang
mit den Anmerkungen 78 und 79.

10. Eine beträchtliche Zahl von verbalen Wiederholungen
und Wiederaufnahmen schon andernorts abgehandelter
Themenkomplexe beeinträchtigen zudem die
Freude an der Lektüre.

Berlin Joachim Kogge

Matheson, Peter: Cardinal Contarini at Rcgcnsburg. Oxford
: Clarendon Press; London: Oxford University
Press 1972.X, 193 S. 8°. Lw. £3,25.

Obwohl Contarinis Legation nach Regensburg 1541
schon öfter die Aufmerksamkeit der Forscher in Anspruch
genommen hat, lohnte es sich, wenn auch nicht von neuen
Quellen, so doch von neuen Fragestellungen aus, dieses
Thema wieder aufzugreifen. Der Vf. bezeichnet es mit
Recht als überholt, Contarini als gut katholisch oder in
Wahrheit protestantisch erweisen zu wollen. Er legt
Wert darauf, daß der Legat in Deutschland zwei Ziele
verfolgte: Wiederherstellung der Einheit der Kirche und
zugleich Verteidigung des katholischen Glaubens und der
päpstlichen Interessen, und daß er von drei Faktoren
geleitet wurde: von seinem Ökumenismus, seinem Katholizismus
und seinem Kurialismus. Diese Motive konnten
in unterschiedlichen Lagen zu entgegengesetzten Reaktionen
führen. Matheson zeigt auch, daß Contarini zwar
mit der evangelischen Rechtfertigungsproblematik, aber
nicht mit der protestantischen Lehre von den Sakramenten
vertraut war, so daß ihm die Anerkennung der Trans-
substantiation zu einer conditio sine qua non werden
konnte.

All dies wird innerhalb eines breiteren Rahmens abgehandelt
. Dabei bleibt manches zu allgemein, wenn
etwa behauptet wird, die altkirchlichen Theologen seien
den Reformatoren nicht gewachsen gewesen — viele
Teilnehmer an der Leipziger Disputation 1519 hätten
nicht Johann Eck als den Unterlegenen angesehen. An-