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Ausgabe:

1974

Spalte:

818-819

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Welten, Peter

Titel/Untertitel:

Die Königs-Stempel 1974

Rezensent:

Schunck, Klaus-Dietrich

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Theologische Literaturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 11

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genommen worden ist. Eine Zeittafel und ein Rückblick 17 hebt der Vf. hervor, daß 'älmä das heiratsfähige er-
auf die Verkündigung Jesajas bilden den Abschluß. v, achsene Mädchen bezeichnet, daß Jesaja eine volks-
Die nicht immer leicht zu lesende Erklärung der Pro- tümliche Rettererwartung vom Paradiesbringer Imma-
phetentexte sieht Jesaja als den Verkündiger Gottes: Er nuel aufgreift, daß jedoch das vom Propheten angekün-
ist der Heilige in Israel, der furchtbar in seinem Zorn, digte Zeichen ein Strafzeichen darstellt und der Imma-
wunderbar in seinem Vergeben, geheimnisvoll in der nuel als Unheilsbote geboren wird. 28,7-13 wird wegen
Lenkung der weltgeschichtlichen Geschehnisse und offen- des einleitenden „Auch diese" seltsamerweise als ein
bar in der den göttlichen Willen verwirklichenden Gestalt „schwer verstümmeltes Stück" eingeführt und das
des Heilsmittlers ist. Er ist der Herr der Geschichte, des- „Gleichnis von der Bauernarbeit" 28,23-29 als ein Trost-
sen Wollen und Handeln der Prophet kundtut, dessen wort gedeutet, das auf die zweckmäßige Ordnung des
von Raum und Zeit unabhängiger Wille im propheti- Handelns hinweist, die in diesem Fall der Schaffung und
sehen Wort laut wird und in einer geschichtlichen Lage Erhaltung des Lebens dient, so daß das scheinbar zerEntscheidungen
fordert, so daß das Wort Geschichte ge- störende Handeln Gottes in Wirklichkeit aufbauenden
staltet. Dabei bewegt sich die Auslegung keineswegs in Sinn hat.

einem von der Umwelt abgeschlossenen Raum. Vielmehr In umgreifender Weise behandelt der Vf. die Darstel-
arbeitet der Vf. — soweit es nur möglich ist — sorgfältig lung der Sanherib-Invasion in 36-37: die Zuspitzung der
und umsichtig die konkreten zeitgenössischen Situatio- Lage bis 701 v. Chr., die Berichte über Sanheribs Erobe-
nen heraus, auf die sich die Worte Jesajas beziehen, und rungszug in Palästina, die beiden in 36-37 zusammen-
raacht dem Leser die weltgeschichtlichen Umwälzungen gefügten Erzählungen, den Verlauf des Feldzugs und die
sichtbar, in denen angesichts der Krisen Israels die pro- antiassyrischen Worte Jesajas, zu denen er auch 37,6f.
phetische Verkündigung aufbrach. Daneben berücksich- 33-34.30-32 rechnet. Daraus ergibt sich für ihn „das ei-
tigt er die religionsgeschichtlichen Fragen und zieht Li- gentliche Problem der jesajanischen Verkündigung": die
nien zum Neuen Testament hinüber. (angebliche) Wendung vom konsequenten Unheilspro-
Auffällig ist manchmal die Abgrenzung der Textein- pheten zum Verkünder der Preisgabe des göttlichen Straf-
heiten. So faßt der Vf. 1,2-9 zusammen, obwohl der Werkzeugs und der Begnadigung des treulosen Volkes
fälschlich als Bußruf bezeichnete Abschnitt 1,4-9 sich Israel. Dies scheint mir allerdings ein grundlegendes Miß-
durch das einleitende „Wehe" als eine gesonderte Ein- Verständnis Jesajas zu sein. Er war kein konsequenter
heit abhebt. 3,12 wird von 3,13-15 getrennt und mittels Unheilsprophet, wie Eichrodt in der Auslegung von 7,1 bis
eines in der Ubersetzung zugefügten zweifachen „Ach' 9 selbst zeigt (ohne Umkehr keine Rettung, d. h. Rettung
«Iis Klage um Israel charakterisiert. Unverständlich ist bei Umkehr). Die Verwerfung der Assyrer als Straf werk -
die Verschachtelung von 8,1-4.16-18 in der Reihenfolge zeug hebt die Gerichtsdrohung bei Verweigerung der
8,1-2.16-17.3-4,18. Auch die Verteilung von 10,5-15 auf Umkehr nicht auf; der nach der Rettung Jerusalems
die zwei Einheiten 10,5-7.13-19 und 10,8-12.16a. 18b.c vor den Assyrern anzusetzende Spruch 22,1-14 kündigt
liißt sich ebenso bestreiten wie die Zusammenfassung den Jerusalemern gerade nicht die Begnadigung, sondern
der Sprüche von 17,1-11 zu „einer der frühesten politi- den Tod an. Anders als Eichrodt muß man sagen: Jesaja
sehen Reden Jesajas" und die Aufteilung von 30,8ff. in war während seiner ganzen Wirksamkeit ein Prophet
30,8 und 30,9-17 an Stelle von 30,8-14 und 30,15-17. der Umkehrforderung, bis er im Jahre 701 mit seinen
Auffällig ist ferner das Bestreben des Vf.s, Jesaja mög- letzten Sprüchen 22,1-14 und 32,9-14 die Wendung zur
üchst viele bzw. alle umstrittenen Sprüche zuzuweisen. unwiderruflichen Unheilsankündigung vornahm und da-
°ies gilt sowohl für die Gruppe der eschatologisehen und mit seine prophetische Tätigkeit beendete.
z- T. messianischen Worte 2,1-4; 8,9-10; 9,1-6; 11,1-9 und Erlangen Georg Fohrer
17,12-14, an deren jesajanischer Herkunft viele Exege-
ten trotz aller seit Jahrzehnten vorgebrachten Gegen-

R' iinde mit unerschütterlicher Hartnäckigkeit festhalten, W clten, Peter: Die Königs-Stcmpel. Ein Beitrag zur Mili-

H* auch für die Sprüche über den Sturz des Weltherr- tärpolitik Judas unter Hiskia und Josia. Wiesbaden:

sehers 14,4b-20, über Ägypten 19,1-15 und Tyrus 23,1-14 Harrassowitz 1969. XIII, 198 S.m. Abb., 5 Taf., 1 Falt-

sowie für die Verheißungen 29,17-21 und 32,15-20. So 8r- 8° = Abhandlungen des Deutschen Palastina-

verbleiben als nichtjesajanische Einheiten - von kleine- Vereins. Kart. DM 44,-.

•en Zufügungen abgesehen — 4,2-6; 10,20-27; 11,11-16; Diese Thematik erneut aufzugreifen und zum Gegen-
l3; 15; 16; 21; 29,22-24; 30,18-26; 32,1-8; 33 und 34-35. sland einer umfassenden Untersuchung zu machen, zeugt
Exegetisch bemerkenswert ist die Beurteilung von von Mut und echtem Forscherdrang. Nachdem allein zwi-
LlH-20 als Entscheidungsforderung einerseits (S. 26) und sehen 1950und 1969 rund 50 Arbeilen zu diesem Thema er-
verheißene Generalamnestie andererseits (S. 33) — schienen waren und sich darunter so erfahrene Kenner
nur eins von beiden kann stimmen, in diesem Fall die der Materie wie F. M. Cross jr., N. Avigad, Y. Aharoni,
erste Auffassung. Die Bezeichnung der Judäer als So- Y. Yadin und P. W. Lapp zu Wort gemeldet hatten, ohne
domsführer und Gomorravolk 1,10 versteht der Vf. als jedoch zu einer auch nur groben Ubereinstimmung in
scharfe Geißelung der gottvergessenen Zuchtlosigkeit. der Herleitung, Datierung und Ausdeutung zu gelangen,
f'bwohl das Alle Testament mit diesem Vergleich durch- mußte es ein reizvolles, zugleich aber wenig aussichtslos
nicht auf die Sünde, sondern auf das Strafgericht reiches Unterfangen sein, die Thematik der Königsstem-
l,ber die beiden Städte anspielt: zum Ausrottungstode pel erneut aufzugreifen. Der Vf., als Schüler von K. Gal-
vei'urteilt. Richtig dagegen wird gesehen, daß sich Jesaja ling in der Biblischen Archäologie ebensogut wie im Al-
'n seiner ersten Zeit gegen die politische Führung und ten Testament ausgebildet, hat dieses Thema dennoch
"'cht gegen das ganze Volk wendet (zu 1,21-26). Daß der gemeistert und in einer äußerst präzisen und gewissen-
lnR Jahwes über die ganze Erde hereinbrechen wird haften Untersuchung einer wie mir scheint überzeugen-
J*Ufi.), ist schwerlich anzunehmen; vielmehr zieht die den Lösung zugeführt. Dabei werden über die Hauptfra-

f>'Wüstende Golleserscheinung von Norden nach Süden gen zur Klassifizierung, Datierung und Verwendung der

Pa,ästir>a hinweg. Zutreffend wird in dem Ruf sog. Königsstempel hinaus auch wesentliche Erkennt-

"Wehe" der Innere Zusammenhang zwischen Gottfeind- nisse über die historischen Zusammenhänge und Gege-

i^oft und Selbstzerstörung erkannt (zu 5,8ff.) und zu benheiten im Südreich Juda sowie zur Topographie die-

ü' "° d'e jesajanische Verbindung von Restvorstellung ses Gebiets gewonnen.

"d Umkehr betont: „ohne Umkehr gibt es keinen Rest!" Die Arbeit ist in der Weise angelegt, daß nach Ausführen
über den häufigen Fehlinterpretationen von 7,10 bis rungen Uber „Text und Symbol" (S. 4-46) und „Henkel