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Ausgabe:

1974

Spalte:

58-59

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Moehs, Teta E.

Titel/Untertitel:

Gregorius V. 996 - 999 1974

Rezensent:

Diesner, Hans-Joachim

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Theologische Literaturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 1

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ponierend zu nennende Leistung. Dem Vf. gebürt Dank dafür
, daß er die neuen Ergebnisse so schnell für den „Normalverbraucher
" aufbereitet darbietet, ohne dafj der nicht an der
Forschung beteiligte Leser über den verschiedenen Wahrscheinlichkeitsgrad
der einzelnen Aussagen im unklaren gelassen
würde. Selbst der Fachkollege, der an das Buch mit
der ihn vielleicht zurückhaltend stimmenden Frage herangeht
, ob denn nach der Gesamtdarstellung von E. Lohse, Die
Geschichte des Leidens und Sterbens Jesu Christi, Gütersloh
1964 (vgl. ThLZ 90, 1965, 677-680), schon wieder die Zeit
für eine Gesamtdarstellung reif sei, wird durch die Lektüre
des Buches zu einem klaren Ja überzeugt werden.

Da sich der Rezensent mit dem Verfasser in dem Insistieren
auf den Bestand einer vormarkinischen Leidensgeschichte
völlig eins weiß, kann er nur bedauern, dafj seine Untersuchungen
zur Markuspassion auf Grund der längeren Herstellungsfristen
erst nach der hier anzuzeigenden Publikation
erscheinen. In der Frage der vormarkinischen Passionstraditionen
dürfte jedoch durch den je von verschiedenen
Ausgangspunkten her und völlig unabhängig voneinander
erfolgten Aufweis von Dublettenüberlieferungen für die Ein-
zugsperikope durch F. Hahn, für die Gethsemaneperikope
durch K. G. Kuhn, für die Synhedriumsszene sogar (entgegen
ihrer sonstigen Intention, die auf den Nachweis mehrfacher
Bearbeitung zielt) durch E. Linnemann und für die
Kreuzigungsperikope durch J. Schreiber der Weg gewiesen
sein, wobei der Zusammenhang der Stücke untereinander
in sachlicher Hinsicht nicht nur zur Annahme einer, sondern
zweier zusammenhängender vormarkinischer Passionstraditionen
zwingt. Darum ist auch zu bedauern, dafj die Arbeit
von G. Schneider erst mit der Perikope von der Verhaftung
Jesu einsetzt. Nur aus einer Gesamtanalyse heraus wird
man nach meiner Sicht die Alternativfrage entscheiden können
, ob man mehr mit Doppelüberlieferungen rechnen muß,
wie ich im Anschluß an die genannten Autoren meine, oder
ob man eine mehrfache Bearbeitung nachweisen kann, wie
G. Schneider im Anschluß an E. Linnemann im allgemeinen
meint. Kriterien für ein solches Verfahren sollten so lange
noch nicht als erbracht gelten, als man sich noch nicht auf
eine ausweisbare Methode der Redaktionsbestimmung etwa
innerhalb der Spruchguelle verständigen kann. Die Auseinandersetzung
darüber wird hoffentlich die Forschung der
nächsten Jahre in einen produktiven Methodenstreit hineinführen
, was vor allem hinsichtlich des selbständigen Gewichts
und der Vorordnung der Literarkritik gegenüber der
Formkritik anstelle der gegenwärtig üblichen Einordnung
notwendig ist (vgl. W. Richter, Exegese als Literaturwissenschaft
, 1971). Die Prämisse der klassischen „Formgeschichte",
daß stereotype Grundmuster sprachlicher Darstellung Anspruch
auf Ursprünglichkeit haben, ist spätestens seit dem
Aufweis des literarischen Charakters solcher Stereotypmuster
in der matthäischen Bearbeitung (Wundergeschichten,
Ausführungsformcln usw.) oder der Einsicht in das sekundäre
Einwirken des Typs der Wundererzählung auf Jesu
Sabbatheilungen suspekt. Sofern diese Prämisse aber die
Voraussetzung für die Annahme von vormarkinischen „Bearbeitungen
" ist, ist nicht nur Vorsicht geboten, sondern methodischer
Widerspruch anzumelden. Von daher sei der Autor
nochmals angefragt, ob er gut daran tat, die Position J.
Schreibers S. 26f auf die Dublettenfrage zu verkürzen und
S. 110 die Frage der Sprachgestalt (Präsens historicum) kategorisch
abzutun, wo doch alles an dem Zusammenspiel von
Dublettcnspannungen, sprachlichen Kriterien und sachlich
eigenständigen Zügen der Zusammenhänge liegt. Sollte man
sich nicht in Bochum darauf verständigen können?

Da die Aufarbeitung der Literatur sehr gründlich erfolgt
ist, wird man um so mehr bedauern, daß von den verschiedenen
Aufsätzen, in denen H. W. Bartsch seinen pointierten
Beitrag zur Sache geleistet hat, nur die Behandlung einer
Spezialfrage registriert wird (vgl. dazu meine Zusammenfassung
in: Theol. Versuche IV, 1972, 47ff). Bei der Literatur zur
Matthäuspassion sollte nicht K. M. Fischers Aufsatz aus
Theol. Versuche II, 1970, 109ff fehlen. Die Probleme der Johannespassion
erscheinen noch in einem anderen Licht, wenn
M. Weises Analyse der johannäischen Passionswoche, KuD
11, 1966, 48-62, beachtet würde, von wo aus sich auch die
Bedeutung des Wochenschemas für die Markuspassion noch
stärker hervorheben ließe. Hinsichtlich der Verwendung des
Alten Testaments könnte das Bild der Redaktion für Matthäus
und Johannes noch etwas Profil gewinnen, wenn neben
den Spezialmonographien von A. Suhl und M. Rese auch
die von W. Rothfuchs 1969 ausgewertet würde.

Lizenzausgaben und Übersetzungen erscheinen wünschenswert
, doch sollte man ihnen vielleicht eine zweite Auflage
zugrunde legen, die diese oder jene Anregungen und
Rückkoppelungen nochmals bedacht hat.

Naumburg Wolfgang Schenk

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Moehs, Teta E.: Gregorius V. 996-999. A biographical Study.
Stuttgart: Hiersemann 1972. IX, 114 S. m. 2 Tabellen
gr. 8° = Päpste u. Papsttum. In Verb. m. R. Elze, O. Engels,
W. Gessel, R. Manselli, G. Müller, T. Nyberg, W. Ulimann,
E. Weinzierl, P. Wirth u. H. Zimmermann hrsg. v. G. Denz-
ler, 2. Lw. DM 48,-.

Die deutsch-amerikanische Forscherin widmet diese knappe
, aber eindringliche und kritische Biographie einem der
Päpste, die nicht nur ihrer Herkunft und ihres kurzen, aber
ereignisreichen Pontifikates wegen seit langem das Augenmerk
der Wissenschaft auf sich gezogen haben. Begegnen
wir in dem kärntnischen Adligen, dem Vetter Kaiser Ottos
III. und Urenkel Ottos I., doch nicht nur dem ersten Deutschen
auf dem päpstlichen Thron; vielmehr wird mit diesem
Pontifikat, das durch das Gegenpontifikat Johannes XVI.
(Johannes Philagathos) und viele Wirren innerhalb und
außerhalb Italiens markiert ist, sowohl die Periode der großen
Kirchen- und besonders der Klosterreform, die vor allem
mit dem Namen Cluny verknüpft ist, eingeleitet wie auch die
Zeit der Auseinandersetzung zwischen kaiserlichem und
päpstlichem Vorherrschaftsanspruch vorgezeichnet. Die Verfasserin
folgt einem bewährten biographischen Schema, indem
sie eine Introduktion, die der Information über die
Problemlage gewidmet ist, die wichtigsten Abschnitte der
Vita, die aufs engste mit der allgemeinen und der Kirchengeschichte
des ausgehenden 10. Jh.s verknüpft sind, folgen
läßt. Sie lauten: Gregory's Youth and Contemporary Problems
; First Year of his Pontificate; The Papacy in Exile -
Gregory and the Monastics, and the Synod of Pavia; The
Antipope and Gregory's Return to Rome; Gregory, the Empire
, and Otto III.; Death of Gregory and Aftermath. Genealogische
Tafeln, Bibliographie, Abkürzungsverzeichnis sowie
ein Personen- und Ortsnamenindex schließen die Arbeit ab.

Interessant ist es, wie Vf. Gregor V. in die Pontifikate dieser
Periode, zwischen den laxen Johannes XV. und den gelehrten
, als Reformer jedoch sehr strengen Silvester II. einordnet
und wie sie die Abhängigkeit Gregors von seinem
kaiserlichen Vetter analysiert. Die verstiegenen Pläne des jugendlichen
Kaisers, der möglichst in gleicher Weise über
Imperium wie Sacerdotium herrschen wollte, machte Gregor
V., der sich den Mönchsreformern annäherte, vor allem
jedoch die Selbständigkeit der Kurie und des entstehenden
Kirchenstaates akzentuierte (wobei er sich auf die pseudo-
isidorischen Dekretalen stützt), kaum mit; vielmehr suchte
er vor allem bei den französischen und italienischen Klerikern
und Äbten Unterstützung, die freilich nicht wirksam
wurde. Am ehesten hat sich ein Mann wie Abbo von Fleury,
der für sein Kloster weitreichende Privilegien erlangte, für