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1974

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

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Neuerscheinungen

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einer französischen Schriftstellerin zum Gegenstand seiner
Untersuchung gemacht hat. Es gehl zwar um einen Teil des
philosophischen Gehalts. Und wenn Schmalenberg erkennt,
daß Simone de Beauvoir nicht in allem der Philosophie
ihres Lebensgefährten Sarire folgt, dann wünschte sieh der
Leser eine genauere Orientierung über die Unterschiede und
würde gern den Abschnitt über Heidegger entbehren, wenn
dafür Sartres Todesverständnis im Blick auf die Romane
der Schriftstellerin eine noch eingehendere Behandlung
gefunden hätte als auf S. 4—9 im Blick auf Heidegger.
Unbegreiflich bleibt es, daß in einer theologischen Dissertation
, die das existcntialistische Todesverständnis zum
Gegenstand hat, Gabriel Marcel niemals erwähnt, geschweige
denn in die Untersuchung einbezogen wird. Daß Fritz Dehn
(1891— 19C7), der über das Todesproblem weit mehr gearbeitet
als veröffentlicht hat, nicht wenigstens mit seinem
„Gespräch vom Tode" (1938) genannt ist, hängt wohl
damit zusammen, daß sich der Autor nur ausnahmsweise
(z. B. Eiert) auf Literatur vor 1945 bezieht. Jacques Choron
(Der Tod im abendländischen Denken 19(17) seheint übersehen
zu sein.

Nun geht es aber um den philosophischen Gehalt von
Romanen im Zusammenhang mit der Autobiographie der
Schriftstellerin. Der Verfasser hat also sein Thema der
Literatur entnommen. Er scheint aber mit voller Absicht
alles zu ignorieren, was evangelische wie katholische Theologen
seit mehr als einem halben Jahrhundert über die
Literatur und zu einzelnen Dichtern und Dichtungen geäußert
haben. Schon Friso Melzer hat in seiner Geschichte

(und leider auch Uhrenrettung!) der evangelischen Literatur-
kritik (des 19. Jahrhunderts) „Kirche und Literatur" (1933)
vor der „Selbstsicherheit" der Theologen gewarnt (S. 176).
Diese Warnung ist das Vorzeichen für alles, was seitdem in
der evangelischen Theologie zur Dichtung gesagt worden ist.
Ks ist nur zufällig, wenn ich in diesem Zusammenhang an die
Bücher über Dostojewski von Martin Doerne (1900—1970, und
Konrad ünasch erinnere oder an Hans-Eckchard Bahr,
Poiesis (1961) oder den Sammelband von Kurt Marli, Kurt
Lflthi, Kurt von Fischer, Moderne Literatur, Malerei und
Musik (1963) oder schließlic h an die Paradigmen christlicher
Literaturbetrachtung von Kurt Ihlenfeld (1901-1972) u. a.
im „Eckart", zuletzt Joachim Günther, Das sehr ernste
Märchen von Gott (1971) — die beiden zuletzt genannten
eher konservative als „moderne" Theologen. Sollten diese
Hinweise aber gar zu weit weg vom Thema der vorliegenden
theologischen Untersuchung führen, kann ich es mir doch
nicht versagen, zwei leider ungedruckte Hallenser Arbeiten
zu nennen, die das Lebenswerk „atheistischer" Dichter zum
Gegenstand haben: Norbert Müller, Die Religiosität des
Dichters Rainer Maria Rilke (Habilitationsschrift 1964) und
Klaus-Peter Kertzsch, Bertolt Brechts Ethik und Anthropologie
in ihrer Bedeutung für die Hermeneutik der Rechtfertigungslehre
(Dissertation 1967) und schließlich die Studie
über den „katholischen" Schriftsteller Heinrich Holl von
Günter Wirth (1967).

An einem Beispiel aus Schmalenbergs Buch läßt sich
schlaglichtartig zeigen, wie sich m. E. das bewußte Ignorieren
dieses ganzen reichen Komplexes auswirkt. In dem
Bericht über das Sterben ihrer Mutter, einer frommen
praktizierenden Katholikin, gibt Simone de Beauvoir (Ein
sanfter Tod, deutsch 1965) die Begründung, mit der ihre
Mutter die Kommunion ablehnt, mit den Worten wieder:
„Ich bin zu erschöpft um zu beten; Gott ist gut" (S. 99).
Schmalenberg sagt dazu: „Die Mutter genießt auf dem
Sterbebett zum ersten Mal das Wunder rles (sc. animalischen)
Lebens" (S. 134). Das ist richtig interpretiert. Dann aber
heißt es: „Gott ist ihr ferngerückt. Er gebt auf in einem
völlig indifferenten Wohlwollen." Das halte ich für eine
zynische Fehldeutung. Warum sollte denn die knappe
Formel „Gott ist gut" im Munde einer sterbenden Katholikin
nicht faktisch ein Bekenntnis zum Evangelium sein,
auch wenn die atheistische Tochter das nicht so versteht?

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Wie sie es versteht, sagt sie in ihrem Berichl selbst ausdrücklich
nicht. Aber der Unterschied zwischen einer
„theologischen" und einer theologischen Untersuchung
moderner Literatur läßt sich gar nichl einfacher demonstrieren
!

Der Arbeit fehlt nach allen Einzeluntersuchungen eine
Zusammenfassung. Sein eigenes Todesverstä od ins hat der
Autorin einem Aufsatz dargelegt (Der Sinn des Todes. Neue
Zeitschrift für systematische Theologie und Religionsphilosophie
14. Bd. 1972) und im gleichen Jahre im Calwer
Verlag eine theologische Einführung in den Problemkreis
gegeben (Tod, Gericht, Unsterblichkeit. Calwer Hefte 124).

Versehentlich erscheint die Abkürzung des theologischen Khreuduktors
Ms Abkürzung eines Vornamens, so hei Carl Stange S. 44, Anm. 109,
S. 142, Z. 13 v. u. und Krnst Kinder S. 47, Anm. 130, S. 139, Z. 9 v. u.
Der mit TO abgekürzte Titel des ersten Bandes der Autobiographie von
Simone de Beauvoir heiüt auch in der deutschen Ubersetzung „Memoiren
einer Tochter aus gutem Hause", und nicht »Eine Tochter aus
gutem Hause" (so p. VII, S. 32,101,138). - S. 11, Anm. 53, Z. 2 ist der
Artikel groß zu schreiben. S. 106, Anm. 29, Z. 1 muß es „in" (statt: an)
heißen, S. 123, Z. 23 „Kompensationen" (statt: Kompensation), S. 130,
Z. 24 „genug" (statt: genung), S. 131, Z. 3 „Toctitcr" (statt: Tolcher),
S. 141, Z. 16 v.u. „llochhuth" (statt: Hochhut), S. 142, Z. 22 „Mezger"
(statt: Metzger), S. 143, Z. 5 v. u. „Euthanasie" (statt: Kuthnnnic). Ludwig
Wächter, Der Tod im Alten Testament (S. 143) ist bereits 1967 im
Druck erschienen, gleichzeitig in der Iwangelisctien Verlngsanstalt, DDR
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