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Ausgabe:

1974

Spalte:

52-53

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Schlißke, Werner

Titel/Untertitel:

Gottessöhne und Gottessohn im Alten Testament 1974

Rezensent:

Schmidt, Werner H.

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Theologische Literaturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 1

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bungen in Masada durch Yigael Yadin. Da der Rezensent
sich mit der ersten französischen Ausgabe ausführlich in
einem Aufsatz „Qumrän-Probleme im Licht einiger neuerer
Veröffentlichungen" in dieser Zeitschrift (87, 1962, Sp. 813
bis 818) beschäftigt hat, soll hier nicht auf Einzelheiten der
Auseinandersetzung mit de Vaux eingegangen werden, sondern
der Band im ganzen gewürdigt werden. Das englische
Vorwort von Sir G. R. Driver ist erhalten geblieben. Zu der
neu bearbeiteten englischen Ausgabe, die noch von dem am
10. September 1971 verstorbenen Autor bearbeitet worden
ist, wie sich in der Diktion der eingefügten Stücke zeigt,
hat Frau Kathleen M. Kenyon ein sehr persönlich gehaltenes
, sympathisch anmutendes Eingangswort geschrieben, in
dem sie schildert, wie der Besuch dieser Vorlesungen von
de Vaux von einer Stunde zur anderen wuchs und wie er
mit seiner Begeisterung für Qumrän seine Hörer mitgerissen
hätte. Das Vorwort von de Vaux zur ersten Auflage ist
auch unverändert geblieben, das zweite Vorwort stammt
ebenfalls von ihm und ist im Juni 1971, wenige Monate vor
seinem Heimgang, geschrieben worden. Er meint darin, daß
in allen Teilen die bessernde Hand spürbar werde, besonders
habe er in Kap. III eingegriffen, da dort die Interpretation
der Funde vorgeführt würde.

Die Bildbeigaben auf den Tafeln sind unverändert geblieben
. Die drucktechnische Wiedergabe erscheint in dieser
englischen Ausgabe noch besser als in der französischen
Ausgabe. Einmal scheint eine Tafelangabe falsch erfolgt zu
sein, auf S. 60 muß es statt Tafel 41 richtig - wie in der ersten
Ausgabe - Tafel 31 heißen.

Die Einfügungen in den Text betreffen auf S. 67-69 das
auf der Tafel 38b abgebildete römische Gewicht aus weißem
Kalkstein mit der Aufschrift LEB. L ist das Symbol für Jahr,
während das E den Zahlenwert 5 repräsentiert. Das B will
de Vaux, einer Anregung von Arye Ben-David in Jerusalem
folgend, als Abkürzung von BASIAEYS verstehen. Nach dem
Vorgang von Mazar will de Vaux dieses Gewicht und verwandte
anderwärts bei den Grabungen Mazars am Südrand
des Jerusalemer Tempelplatzes (vgl. ThLZ 95, 1970, Sp. 814f)
gefundene Gewichte in die Zeit Agrippas I. setzen. Dann
würde sich als Zeit für dieses Gewicht das Jahr 41/42 n. Chr.
ergeben.

Zu Kap. II fügt de Vaux einen Anhang hinzu (S. 87-90).
In diesem Abschnitt geht er aus von seiner früheren Auffassung
, daß das Vorgebirge Ras Feschcha einen trennenden
Charakter gehabt habe und der Ausdehnungsbereich der
Qumränsiedlung dort eine natürliche Grenze fand. Nun sind
tatsächlich verwandte Siedlungsreste auch südlich von Ras
Feschcha feststellbar. So z. B. 3 km südlich davon in Chirbet
Mazin an der Nordecke des Kidrondeltas. De Vaux hat diese
Stätte selbst besucht, nachdem eine belgische Expedition unter
Leitung von de Langhe die Aufmerksamkeit auf diese
Ortslage gelenkt hatte. Es handelt sich um die Reste eines
Gebäudes aus römischer Zeit, vielleicht zur kommerziellen
Ausbeutung der Salzgewinnung am Toten Meer bestimmt.
Sechs oder sieben Kilometer weiter nach Süden in der Nähe
der Quelle von 'en el-Ghuwer wurde ein großes Bauwerk
von Bar-Adon ausgegraben. Münzen aus der Zeit Herodes
des Großen, Herodes Archelaus und Agrippas I. wurden gefunden
, und es wurde Keramik, die der Qumränkeramik
aus Periode II verwandt ist, aufgedeckt. 800 m nördlich von
diesem Bauwerk wurde ein kleiner Begräbnisplatz entdeckt
mit Gräbern vom Qumräntyp, ein Grab enthielt einen Krug,
beschriftet mit Namen Jehohanan. Aber es fehlt die Keramik
aus der Periode Ib von Qumrän, und keinerlei spätere Münzen
sind aufgetaucht. Die Siedlung, wenn sie eine qumrän-
ähnliche Gemeinschaft gewesen ist, hat später begonnen
und früher als Qumrän aufgehört. Keinerlei Dokumente
sind gefunden worden, wie sie überreichlich in den Höhlen
von Qumrän anfielen. Ein Zusammenhang dieser Siedlung
mit der Qumränsiedlung kann angenommen werden, bleibt

aber unsicher. De Vaux weist darauf hin, daß das Westufer
des Toten Meeres in der Eisen-II-Zeit und in der römischen
Periode wesentlich dichter besiedelt gewesen ist als heute.

Eine andere Erweiterung des Buches (S. 93) betrifft die
Identifizierung von chirbet Qumrän mit dem in der Kupferrolle
3Q 15 genannten Ort Sekaka. Zugleich meint dieser
Name auch ein Tal und ein Aquädukt, so daß de Vaux die
vorgenommene Gleichsetzung von Sekaka mit chirbet Qumrän
nicht für möglich hält, weil die bedeutendste Siedlung
in der Buqe'a, chirbet es-Samra, dann ohne Namen bleibt,
obwohl sie, am Anfang des wädi qumrän gelegen, das
größte Anrecht darauf hätte, den Namen Sekaka zu führen;
denn die Siedlung, die am Beginn eines wädi liegt, pflegt in
der Regel den gleichen Namen wie das wädi selbst zu führen.

Eine andere größere Erweiterung ist in den Seiten 123
bis 126 gegeben. Hier führt de Vaux die umfangreiche Auseinandersetzung
mit Cecil Roth und Sir G. R. Driver. Beide
Auseinandersetzungen sind im Ton sachlich und kollegial
in Achtung vor den wissenschaftlichen Leistungen der Genannten
. Ähnlich taktvoll und sachlich ernst ist die Auseinandersetzung
mit den Ansichten von Rengstorf.

Die neue Auflage entspricht dem Forschungsstand um
1970/71, wobei de Vaux auch entlegene und ephemere Literatur
berücksichtigt hat. Man darf sehr dankbar sein, daß de
Vaux in seiner unermüdlichen wissenschaftlichen Energie
dieses Buch einer so gründlichen Überprüfung unterzogen
hat. Dankbarkeit hegt man im Herzen gegenüber dem bis
zum Tod unermüdlich schaffenden Forscher, aber zugleich
auch Wehmut, daß er nicht mehr den großen Ausgrabungsbericht
in den „Discoveries in the Judaean Desert" vorlegen
kann, sondern andere für ihn dies tun müssen als seine
Schüler, die liebend ihn und sein Werk verehren.

Leipzig Hans Bordtke

Schlißke, Werner: Gottessöhne und Gottessohn im Alten Testament
. Phasen der Entmythisierung im Alten Testament.
Stuttgart: Kohlhammcr [1973]. 204 S. gr. 8° = Beiträge
zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament, hrsg.
v. K. H. Rengstorf u. L. Rost, N. F. 17. Kart. DM 39,-.
Die in überarbeiteter Fassung vorgelegte Heidelberger
Dissertation geht dem Verhältnis des Alten Testaments zum
Mythos am Beispiel der vielfältigen Aussagen von den Söhnen
bzw. dem Sohn Gottes nach. Nach einem Überblick über
die sich in der Forschungsgeschichte wandelnde Mythosauffassung
wird die Leitfrage formuliert: „Lassen sich aus der
gegenwärtigen Textgestalt des Alten Testaments noch Rückschlüsse
darauf ziehen, wie Israel dem Mythos begegnete,
d. h., wie der Mythos aufgenommen, verändert oder abgestoßen
wurde?" Die „Untersuchung richtet sich also nicht
auf die Herkunft, die ursprünglichen Gestalten und Gehalte
des Mythos, sondern auf die Art und Weise der Weitergabe
und Interpretation solcher Einflüsse der Umwelt". Es ist zu
prüfen, „ob inhaltlich der Mythos abgestoßen wurde, wenn
auch formal ein Ausdruck oder Bild aus dem Mythos bewahrt
wurde" (lOf).

Das mythische Motiv vom Gottessohn wird in drei Abschnitten
behandelt, die jeweils einen anderen Bereich erfassen
: Der 1. Teil bespricht an Hand von Gen 6; Ps 82; 29
u. a. die Vorstellungen von den „himmlischen Gottessöhnen
", der 2. Teil wendet sich den Aussagen vom König als
Gottessohn (Ps 2; 110; 89,27f; 2. Sam 7,14) zu, und der 3.
Teil stellt die Übertragung des Mythologumcnons von der
Gottesehe auf das Verhältnis von Gott und Volk (Hos 2f;
Jer 2f; Ez 16; 23 u. a.) dar. Schließlich weist der 4. Teil „der
Vollständigkeit halber" noch auf Texte wie Hos 11 oder Jcs
l,2f hin, in denen die Vorstellung der Gottessohnschaft von
weisheitlichem Denken (Erziehung) geprägt ist.

Das Ergebnis der Teile I —III lautet: „Die dem Polytheismus
, dem sakralen Königtum und dem Fruchtbarkcitskult