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1974

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 9

704

forderungen an die katholische und die evangelische
Theologie und die Punkte, an denen mit Aussicht auf
Erfolg weitergearbeitet werden müßte. Sie liegen nach
Ansicht des Vf.s im Umkreis der Frage nach dem Verhältnis
Gottes zur Kirche und nach dem Wirken des
Heiligen Geistes.

Ein umfassendes Literaturverzeichnis und ein Personenregister
beschließen den Band.

Man kann nur mit großer Bewunderung vermerken,
mit welcher Geduld und welchem Einfühlungsvermögen
der Vf. sich in die Literatur und die Zusammenhängt!
der Nachbarkonfession eingelesen hat. Das Buch ist dem
entsprechend zu einer Art Standardwerk geworden, das
die Orientierung auf einem weiten Feld theologischer
Arbeit ermöglicht und erleichtert. Aber nicht nur das,
es bietet auch einen qualifizierten Einstieg in die Auseinandersetzung
mit dem Problemkreis. Das Kapitel
über K.Barth z.B. liest sich wie „ein Versuch, ihn zu
verstehen".

Ein paar Bemerkungen methodischer Art, die zu
sachlichen Bemerkungen überleiten sollen, seien angeschlossen
. Bei der gegenwärtigen Gesprächslage verwundert
es etwas, wie der Vf. sich das ganze Buch hindurch
fast ungebrochen auf „das" katholische Verständnis
eines bestimmten Problems berufen kann (100, 108f.,
135, 242, 2(52 Anm.76 usw.). Damit hängt wohl auch zusammen
, daß er von den unterschiedlichsten Partnern
auf evangelischer Seite sagt, sie hätten das Problem der
Lehrautorität „nicht zu Ende gedacht" (101, 109,
141 f., 174, 274, 319, 347 usw.). Liegt der Grund für diesen
seinen Eindruck vielleicht darin daß das Problem
des entscheidenden Dissensus doch vielschichtiger ist,
als der Vf. annimmt? An einzelnen Stellen fragt man
sich (so etwa 348 und 355), ob Vf. vernommen hat, wo
das Herz seines Gesprächspartners wirklich schlägt.
Vielleicht aber ist es nach Lage der Dinge auch ein
unbilliges Verlangen, daß etwa die Frage nach Gesetz
und Evangelium (350) so zum Tragen kommt, wie es für
das Verständnis lutherischer Theologie nötig wäre.
Hängt damit auch zusammen, daß bestimmte Dimensionen
des Bekenntnisses - etwa seine Funktion als
Konzentration von Evangelium und darum als Kristalli-
sationspunkt des Werdens der Kirche - kaum in den
Blick treten (trotz 95f.)? Aber diese Frage muß vielleicht
in erster Linie an die evangelische Theologie gestellt
werden.

Gelegentlich kommt das historische Moment am
methodischen Ansatz zu kurz. Man wird z. B. die Ekkle-
siologie des 2. Vaticanum kaum gegen den Barth der
zwanziger Jahre aufrechnen dürfen (134ff.). Wie hätte
der Barth der frühen Kirchlichen Dogmatik auch in den
damals beargwöhnten Vorboten des Wortverständnisses
des 2. Vaticanum - Przywara, K. Adam, J. A. Jungmann
usw. - „das" katholische Verständnis finden können? -
Eine Einzelheit: W.Eiert hat später dezidiert geäußert,
daß die angemessene Instanz der Lehrautorität das Amt
des Bischofs sei (Ecclesia militans. Drei Kapitel von der
Kirche und ihrer Verfassung, Leipzig 1933, 30ff. sowie:
Lutherische Grundsätze für die Kirchenverfassung, In:
Ein Lehrer der Kirche, hrsg. v. M. Keller-Hüschemenger,
Berlin-Hamburg 1967, 113ff.) (zu 120f.). Als äußerer
Mangel des verdienstvollen Werkes fällt die eigenwillig
gehandhabte Zeichensetzung auf.

Eisenach Ernst Koch

Amiet, Peter: Systematische Überlegungen zur Amtsgnade
(Schluß) (IKZ 64, 1974 S. 2-65).

ETHIK

Sohn, Walter: Der soziale Konflikt uls ethUchr» Problem.

Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus G.Mohn [1971|. 251 S.
gr. 8° = Studien zur evang. Ethik, hrsg. v. T. Rendtorff,
H.E.Tödt, H.-D. Wendland, 8. Kart. DM 48,-.

W.Sohn, Dozent an der Evangelischen Sozial-
akademic Friedewald, legt einen umfangreichen und
methodisch sorgfältig durchdachten Versuch vor, am
Beispiel industrieller Zusammenhänge hauptsächlich der
BRD und der USA die Grundeleinente zu analysieren,
die ethische Konflikte in der'Arbeitswelt auslösen und
in einem unheilvollen Kreislauf durch unterschiedliche
Interessen der Partner, durch unvollkommene
Organisationsstrukturen und vor allem durch unkontrollierten
, rigorosen Gebrauch der Macht verschärfen.

S. sieht sich zu seiner Untersuchung dadurch herausgefordert
, daß die immer vernehmlicher und konkreter
werdende Kritik an den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen
Machtverhältnissen der BRD deutlich gemacht
haben, daß „Appelle an die persönliche Einsicht
und den guten Willen der Beteiligten nicht weiterhelfen
, sondern daß wir uns mit den Problemen organisierter
Macht selbst beschäftigen müssen. Daraufwar
die evangelische Sozialethik in Deutschland kaum vorbereitet
".

Das Vorhaben des Vf.s, durch seine Untersuchung zur
Schließung dieser Lüc ke beizutragen, ist dringlich. Die
an sich hochstehende protestantische Persönlichkeits-
ethik hat sich als unzureichend erwiesen, die drängenden
sozialen Konflikte der modernen technischen Welt in
dem vom Vf. untersuchten Bereich zu lösen, da sie weitgehend
nur die Individualethik zum Gegenstand hatte.

Die in drei Teile übersichtlich gegliederte Darstellung
beginnt mit der Begriffsbestimmung des sozialen Konfliktes
, seiner Abgrenzung und seiner Erscheinungsformen
(11-66), wobei völlig unkritisch die Theorien des
Soziologen Ralf Dahrendorf als Ausgangsposition benutzt
werden, der dem sozialen Konflikt eine wichtige
Funktion bei der Entwicklung sozialen Fortschritts zuweist
(11 f.).

Der zweite Teil des Buches, „Der soziale Konflikt als
Situation" (67-143), legt die Grundzüge einer liberalen,
pluralistischen Gesellschaftstheorie dar und erweitert
die Definition v. Oppens (Das personale Zeitalter, 151)
durch weitere wirtschaftstheoretische Ausführungen,
von denen einige besonders merkwürdig sind, daß nämlich
etwa „die Aussicht auf eine stabile Demokratie in
dem Maße größer wird, in dem Gruppen und Einzelmenschen
eine Vielzahl sieh überschneidender politisch
relevanter Zugehörigkeiten aufweisen" (125, zit. Lip-
set).

In der Fülle der Widersprüche der Interessen und
Machtgruppen sieht der Vf., ohne das irgendwie begründen
zu können, eine „Chance der Stabilisierung" (125)
des kapitalistischen Wirtschaftslebens, zu dessen Wesen
der soziale Konflikt gehört. „Nicht zuletzt auf diesem
Zusammenhang zwischen den partiellen Interessen der
einzelnen und ihrer Formierung in den Interessenorganisationen
beruht die grundsätzliche Unaufheb-
barkeit gesellschaftlicher Konflikte in der pluralistischen
Gesellschaft" (125). Aber man muß dafür sorgen, daß
durch „taktische" oder aber durch „strategische Vermittlung
" (123) „keine Interessengruppe ihren Willen
der anderen kompromißlos aufzwingen kann oder daß
jede einzelne Gruppe die Macht hat, eine für alle ausweglose
Lage zu schaffen" (127).

Für den Fall, daß nun aber doch durch übertriebene
Machtansprüche der Unternehmer und rücksichtslose
Profitinteressen der Monopole die Gewerkschaften zu