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Ausgabe:

1974

Spalte:

701-703

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Urban, Hans Jörg

Titel/Untertitel:

Bekenntnis, Dogma, Kirchliches Lehramt 1974

Rezensent:

Koch, Ernst

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Theologische Literaturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 9

702

christliche Sprachüberlieferung bezogene Sinn-Erfahrung
? Wenn nicht, dann räumt hier die konsequente
Aufklärung auch gleich die Geschichte mit aus? Man
muß bei solchen berechtigten Fragen allerdings aufpassen
, daß man Alberts Ausführungen nicht - wie oft
geschehen - in ein ihnen zunächst fremdes Frage-
Schema zu bringen versucht (E.Ströker: a.a.O.,
117 ff.). An Ebeling und Albert könnte in diesem Kontext
doch die Frage gestellt werden, ob und wie sich
„Sinn" in ihre Argumentationen einführen läßt bzw.
eingeführt werden muß, „weil die emergente Eigenschaft
der sinnvermittelten Realitätsverarbeitung, die auf
soziokultureller Entwicklungsstufe auftritt, ein diesem
Gegenstandsbereich angemessenes Theorieprogramm in
mindestens dreifacher Hinsicht affiziert: im Hinblick
auf die Transformation von Erfahrungen in Daten, hinsichtlich
des Aufbaues der Theorien und in Ansehung
des Verhältnisses zwischen Theorie und Erfahrung"
(J.Habermas: Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie
? 1971, 171).

7. Abschließend möchte man sich wünschen, daß
interdisziplinäre Diskussionen, nach denen so viel gefragt
wird, überhaupt erst einmal stattfinden. Was bislang
stattfand, waren meist Streitereien, die Geduld fast
überstrapazierende Wortgefechte und selten auch einmal
anregende Disputationen. Vielleicht liegen deswegen die
Wissenschaften mancherorts so im argen wie derzeit
die Theologie.

Stadt Bcbbtarg Uwe Gerber

Urban, Hans Jörg: Bekenntnis, Dogma, kirchliches Lehramt.

Hie l>;hrautorität der Kirche in heutiger evangelischer
Theologie. Wiesbaden: Steiner 1972. IX, 401 S. gr. 8°
= Veröffentlichungen des Institutes für europäische Geschichte
Mainz, 64. Abt . abendländische Religionsgeschichte,
hrsg. v. J.Lortz. Lw. DM 58,-.

Das Buch gehört in die inzwischen stattliche Reihe
von eindrucksvollen Versuchen römisch-katholischer
Theologen, in einem thematisch begrenzten Querschnitt
eine Sichtung und Bestandsaufnahme gegenwärtiger
evangelischer Theologie vorzunehmen. Was den Gegenstand
der Untersuchung betrifft, hätte sie - so sollte
man meinen - längst von einem evangelischen Autor
geschrieben sein müssen; denn die verhandelten Probleme
spielen auch dann im gegenwärtigen Stadium
ökumenischer Arbeit eine erhebliche Rolle, wenn sie
nicht bewußt gemacht werden. Vielleicht hat Vf. recht
mit seinem Eindruck, daß innerhalb des Protestantismus
„das Problem der Lehrautorität der Kirche und dasjenige
ihrer Ausübung zu einer schlechthin unerquicklichen
und unangenehmen Frage" geworden ist, „die
eher gemieden als in Angriff genommen wird". Als Ziele
der Untersuchung werden genannt, sachliche Information
zu bieten und die erhobenen Ergebnisse mit,,der"
katholischen Anschauung ins Gespräch zu bringen. Begrenzt
ist die Arbeit auf die deutschsprachige Theologie
des 20. Jh.s. Dabei werden die Existenztheologie
R. Bultmanns, die von der Hermeneutikfrage ausgehende
Theologie und die liberale Theologie aus Gründen der
Eingrenzung des Stoffes ausgeklammert (letztere erscheint
eigentlich nur als Reaktion auf die jeweils
herrschenden Richtungen). Als Methode ist eine historisch
-systematische, ausführlich analytisch belegende
Darstellungsweise gewählt, in die immer wieder Passagen
zur Selbstklärung römisch-katholischer Theologie
eingeblendet werden (z. B. 323-24). In ihnen werden auch
Fragen an die katholische Theologie (z.B. Ulf., 149,
151, 320) und Praxis (z.B. 119, 146, 244, 247, 253f.)
formuliert.

In Kap. I wird die Lage zur Zeit der Jahrhundertwende
skizziert (der Apostolicumsstreit und seine theologischen
Positionen). Kap. II schildert die Neubesinnung
in den Anfängen der Dialektischen Theologie
(E. Brunner, R. Bultmann, die Gruppe um „Zwischen
den Zeiten"). Diese Neubesinnung wird bezüglich der
Möglichkeit eines interkonfessionellen Gesprächs sehr
hoch gewertet. In Kap. III werden Beiträge der lutherischen
Theologie der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen
dargestellt (P. Althaus, W. Eiert) (Offenbarung,
Schrift, Glaube, Kirche, Dogma, Lehramt). Als neuralgischer
Punkt von Elerts Position wird seine Unterscheidung
zwischen Glaubens- und Lehrverpflichtung
empfunden. Der entscheidende Unterschied zum Dogmenbegriff
der Dialektischen Theologie liege in der
Betonung der Kontinuität der Lehre. Kap. IV befaßt
sich mit der dialektischen Wort-Gottes-Theologie
K. Barths. Kennzeichnend für sie sei ,,,daß das Schwergewicht
der kirchlichen Lehrautorität nicht in der
Kirche selber liegt, sondern im Sich-Ereignen, im Zustandekommen
des Bekenntnisses" (194). Die ekklesio-
logische Dimension des Glaubens und damit ein Ernst-
nehmen des Geheimnisses der Kirche sei Barth erst mit
fortschreitendem Alter bewußter geworden. In Kap. V
wird E. Brunners dialogisch-personalistische Konzeption
dargestellt. Von E. Brunner heißt es, sein Denken sei
„klar und durchsichtig, wie dies bei wenigen Autoren der
Fall ist" (199 Anm. 6). Die von ihm vertretene Kategorie
des Personalismus wird vom Vf. voll bejaht, bemängelt
wird jedoch, daß ßrunner Gottes Wirken in und
mit seiner Kirche zu wenig berücksichtigt. Auch seiner
Kritik der Kirchengeschichte lägen theologische Motive
zugrunde. Kap. VI beschäftigt sich mit der Diskussion
um Bekenntnis und Lehrautorität in der von K.Barth
bestimmten theologischen Richtung (K. G. Steck,
H. Diera, H. Gollwitzer, E.Wolf, H. J.Iwand). H.Diems
Position erscheint als „Zusammenfassung und Systematisierung
der verschiedensten Einwände der zeitgenössischen
evangelischen Theologie" gegen das römisch
-katholische Lehramt. Kernproblem ist „die Syn-
thesis zwischen dem Wort Gottes und dem des Menschen
im Akt des Hörens" und die Frage, wie diese Synthesis
zustande kommt. Das umfangreichste Kapitel ist
Kap. VII, in dem es um die lutherisch-konfessionelle
Theologie der Zeit nach dem 2. Weltkrieg geht. Man gewinnt
den Eindruck, daß Vf. in dieser Theologie - nicht
nur aus Gründen der zeitlichen Nähe - seinen eigentlichen
Gesprächspartner sucht. Er selbst möchte eine
„mittlere" Position vertreten (10) und findet im konfessionellen
Luthertum einen „ausgewogenen Mittelweg"
zwischen einer existentialistischen und einer objektivistischen
Theologie (277). Bedeutsam ist für den Vf.
die Herausarbeitung des inneren Sachzusammenhanges,
in dem für diese Theologie Dogma und Bekenntnis
stehen. Der eigentliche Dissensus zur römisch-katholischen
Theologie liege im durchaus unfertigen Amtsbegriff
der lutherisch-konfessionellen Theologie (292).
Der „angeborene Herzfehler" dieses Amtsbegriffs liege
in der Trennung des „abstrakten Prinzips" ministerium
verbi von seiner Verwirklichungsinstanz (348, 355f.).
Als kritische Fragen an ihn ergeben sich, wieweit das
Wort vom Boten und damit vom Amt getrennt werden
kann (362) und ob dieser Amtsbegriff für Lehrfunktion
und Lehrauftrag der Kirche tragfähig ist (3G6).

Zu ergänzen bleibt, daß ein Exkurs sich mit Beiträgen
zum Problem aus der Evang. Michaelsbruderschaft, aus
dem Kreis der „Sammlung" und aus dem „Bund für
evangelisch-katholische Wiedervereinigung" befaßt.
Eine Zusammenfassung notiert noch einmal die Schwierigkeiten
der interkonfessionellen Verständigung im behandelten
Fragenkreis, die sich daraus ergebenden An-