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Ausgabe:

1974

Spalte:

678-680

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Grotz, Hans

Titel/Untertitel:

Erbe wider Willen 1974

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 9

678

fehlt gänzlich und wäre doch außerordentlich erwähnenswert
: Georg Erasmus von Tschernembl, der evangelisch
-calvinische Führer des nieder- und oberösterreichischen
Adels, Gegenspieler Ferdinands II. - Was
über die österreichischen Täufer gesagt wird, müßte
teilweise berichtigt werden. Wir konnten bis jetzt
keinen Beweis erbringen, daß die Täufer der Refor-
mationszeit mit den Waldensern in Zusammenhang
standen; sie sind weder aus diesen hervorgegangen noch
sind sie in Mähren in die „ebenfalls täuferischen" (?)
böhmischen und' mährischen Brüder übergegangen
(S.115). Als 1622 der Ausweisungsbefehl an die mährischen
Täufer erging, sind alle aus dem Lande gezogen,
zunäc hst in die Slowakei, wo einige blieben, die rekatho-
lisiert wurden, dann nach Siebenbürgen, von dort nach
Südrußland, letzten Endes im vorigen Jahrhundert nach
Kanada und den Vereinigten Staaten, wo sie einen Teil
der dort lebenden Mennoniten ausmachen. Der eindeutig
lutherische Märtyrer in Wien, Kaspar Tauber, der 1524
hingerichtet wurde, hat mit den Täufern nichts zu tun;
an der Stelle, die aus meiner „Geschichte des Protestantismus
in Österreich" angeführt ist, wird nur auf
die gemeinsame Richtstätte Taubers und Balthasar
Hubmeiers hingewiesen, aber nicht auf das Bekenntnis
(S.115). Der von mir herausgegebene l.Band der Osterreichischen
Täuferakten ist teilweise falsch zitiert.

Der fünfte Artikel des Buches, „Der österreichische
Protestantismus", entstammt der Feder des gegenwärtigen
Bischofs der evangelisch-lutherischen Kirche in
Österreich, Oskar Sakrausky. Er stellt den sehr dankenswerten
Versuch dar, das innere Leben dieser Kirche im
Wandel der Zeiten zu erfassen. Für diesen Bereich liegen
einige Untersuchungen vor, die schon wegen des schmalen
, dem Vf. zur Verfügung stehenden Raumes nicht
hätten untergebracht werden können. Es ist richtig, daß
während der Reformationszeit der Adel die führende
Schicht gewesen ist (S.68), daß dem Bürgertum von den
Landesherren niemals Religionsfreiheit zugesichert
wurde (S. 69); deshalb stimmt der erste Satz auf S.63
nicht, „daß die junge evangelische Kirche in Niederösterreich
ihre kaiserliche Bestätigung durch Maximilian
II. erhielt". Daß dem nicht so war, habe ich in
meiner Untersuchung „Leonhard IV. von Harrach und
die steirische Religionspazifikation" im Jahrbuch der
Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus in
Österreich ausführlich dargelegt. Wie ich dort nachwies,
hielten die Adeligen dem Landesherrn die Treue, „eine
Ausnahme machten einige Geschlechter Niederösterreichs
, die aber der reformierten Richtung nahestanden".
Hier liegt offenbar eine Verwechslung mit Oberösterreich
vor; Führer der Stände im Kampfe gegen den Landesherrn
war der reformierte Besitzer der Burg Schwertberg,
Georg Erasmus von Tschernembl.

Zwischen die beiden besprochenen Aufsätze ist die Abhandlung
von Nikolaus Vielmetti, „Das österreichische
Judentum" eingeschaltet, der längste Artikel der gesamten
Reihe. Ob ein solcher Aufsatz unter das Thema
„Religion und Kirche in Österreich" fällt, bleibe dahingestellt
; in die Geschichte der Toleranz gehört er sicherlich
. Er ist von bemerkenswerter Sachlichkeit und Objektivität
getragen.

„Die Glaubensspaltung" lautet der Titel des vierten
Artikels, der von Johann Rainer, Professor für österreichische
Geschichte an der Universität Innsbruck,
stammt. Der Vf. führt dazu evangelisches wie katholisches
Schrifttum an, verdeutlicht die wichtigsten Ereignisse
der Reformation und der Gegenreformation,
berücksichtigt aber vielleicht zu wenig vor der politischen
die religiöse Komponente (S. 49). Diese trat in
vielen Äußerungen adeliger und bürgerlicher Evangelischer
zutage und in der starken Abwanderung im
17. Jh.

Im dritten Aufsatz legt Franz Loidl, o. Professor für
Kirchengeschichte und Patrologie an der Katholisch-
Theologischen Fakultät der Universität Wien, die von
Anfang an schwierige „Diözesanorganisation der katholischen
Kirche Österreichs" im Laufe der Jahrhunderte
dar, die erst in unserer Zeit durch die Schaffung der Bistümer
im Burgenland, Tirol und Vorarlberg zum Abschluß
gekommen ist.

Der zweite Aufsatz stammt von Heinrich Koller,
o. Professor für Geschichte des Mittelalters an der Universität
Salzburg; er ist eine Darstellung der „Christianisierung
des Ostalpenraumes", die auf neuestem Schrifttum
fußt. Der erste Beitrag ist naturgemäß dem Anfang
religiösen Lebens gewidmet; Hermann Vetters, o. Professor
für klassische Archäologie in Wien, schrieb „Über
Glauben und Kulte der Kelten und Römer im österreichischen
Raum vor der Christianisierung".

Damit ist der Kreis des Geschehens, diesmal, wie eingangs
bemerkt, von hinten nach vorne wandernd, geschlossen
.

Wien Grete Mecenseffy

Hereswitha, Zr.M.: Documenten in verband met de geschiede-
nis der Heilig-Graforde tussen 1299 en 1762 (Augustiniana
23, 1973 S. 468-546).

Loewenich, Walther von: Die Gfschichte der Kirche, ts Altertum
und Mittelalter. II: Von der Reformation zur Neuzeit.
München u. Hamburg: Siebenstern Taschenbuch Verlag
f 1971]. 160 S.+ 224 S. 8° = Siebenstern-Taschenbuch 2 u. 10.

Schoeps, Hans-Joachim: Ein Lebenswerk - Ernst Barnikol
(ZRGG 25, 1973 S. 343-345).

Schowalter, Paul: 25 Jahre Mennonitische Forschungsstelle
(Mennonitische Geschichtsblätter 30, 1973 S. 80-90).

Trocme, Etienne: Le christianisme primitif, un mythe histori-
que? (EThR 49, 1974 S. 15-29).

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

Grotz, Hans: Erbe wider Willen. Hadrian II. (867-872) und
seine Zeit. Wien-Köln-Graz: Böhlaus Nachf. 1970 356 S. 8°.

' Grotz (SJ) will den Papst Hadrian IL aufwerten.
Sein Buch beginnt mit der Feststellung: „Im Urteil der
Historiker ist Papst Hadrian II. meist schlecht weggekommen
. Gewöhnlich sieht man in ihm den ersten
Papst, mit dem das sogenannte dunkle Jahrhundert der
Papstgeschichte zwar noch nicht begann, aber doch eingeleitet
wurde. Unter seinen Händen, so sagt man, zerfiel
das große Werk, das sein Vorgänger Nikolaus mit
viel Energie aufgebaut hatte" (S. 12). Kapitel 1 „Zeit der
Vorbereitung" (S. 15-42) trägt die Nachrichten zusammen
, die wir über Hadrians II. Leben vor seiner Papstzeit
haben. Kapitel 2 „Bündelung der Erbschaft. Der
Vorgänger" (S. 42-116) stellt den machtvollen Papst
Nikolaus [, dar mit manchem kritischem Unterton.
Das Zentrum des Ruches ist Kapitel 3 „Der Krbc und
die Erbschaft" (S. 117-304), in dem die verschiedenen
Schauplätze dargestellt werden, auf denen sich Hadrian
II. zu bewähren hatte. Kapitel 4 „Bestandsaufnahme
" (S.305- 15) sowie ein Anhang „Zu den wichtigsten
Quellen" leiten über zu einer Zeittafel, Registern
und Karten. Die letzte Umschlagseite schließt mit dem
Satz: „Nach wissenschaftlicher Methode erarbeitet, ist
dieser Band dennoch nicht nur für Historiker, Theologen
und Byzantinisten geschrieben, sondern er will jedem
Interessierten die Zusammenschau einer ganzen Epoche
ermöglichen." Tatsächlich liest sich manche Seite des
Buches wie ein historischer Roman. So beginnt Kapi-