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Ausgabe:

1974

Spalte:

659-662

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Studies on the second part of the Book of Isaiah 1974

Rezensent:

Fohrer, Georg

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059

Theologische Literaturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 9

000

ALTES TESTAMENT

Oilin-k-, Harry M., and Norman H. Snaith: Studie» on the
Second Part «f tlic liook of lsaiah. The so-ealled "Servant
of tlie Ixnd" and "Sid'fering Servant" in Second lsaiah hy

H. M.Ürlinsky. Isaiah 40-60. A »Study of the Teaching of
tIm* Second lsaiah and its ('onsequencei l»v N. ll.Snail h.
leiden: Brill 1907. IV, 204 8. gr. 8° = Supplements to
Vetus Testament um ed. by (J.W. Anderson, P.Ä.H. de Boer,
(!. H.Castellino, ff.Ca/.elles, E.Hnmmershaimb, (J.H.May,
W.Zimraerli, 14. Lw. hfl. 00,-.

Die Flut der Veröffentlichungen Uber Gestalt und Bedeutung
des sog. Knechtes Jahwes bei Deuterojesaja
nimmt nicht ab. Das vorliegende Buch enthält gleich
zwei voneinander unabhängige Beiträge zum Thema, die
verschiedene Wege gehen und zu verschiedenen Ergebnissen
, gelangen und die nur äußerlich in einem Band
zusammengefaßt sind. Ungeachtet dessen sind die Lektüre
und der Vergleich beider Studien anregend und
lohnend.

I. H.M.Orlinsky, The So-called „Servant of the
Lord" and „Suffering Servant" in Second Isaiah (S.l
bis 133). Der Vf. gehör! zu denjenigen, die erkannt haben
, daß für die alttestamentliche Wissenschaft eine
Zeit der Revision von herkömmlichen Deutungen und
von unhaltbaren Hypothesen begonnen hat. In diesem
Fall geht es um den sog. Knecht Jahwes. Der Vf. ist um
den Nachweis bemüht, daß „Knecht Jahwes" bei
Deuterojesaja kein terminus technicus ist und daß insbesondere
Jes 53 weder vom stellvertretenden Leiden
und Sterben des Knechts noch vom „Leidenden Knecht"
spricht. Diese Vorstellungen und Begriffe sind vielmehr
ein typischer Fall von Eisegese; sie sind nachträglich
in die Texte hineingelesen worden, nachdem Jesus gelebt
und gelitten hatte und als man begann, sein Geschick
im Lichte dieser Texte zu interpretieren.

Im l.Kap. weist der Vf. mit Recht darauf hin, daß in
den gemeinten Texten wie bei vielen anderen Vorkommen
im AT von einem „Knecht" im allgemeinen Sinn
des treuen Anhängers Gottes die Rede ist, nicht jedoch
von einem durch den Zusatz „Jahwe" hervorgehobenen
„Knecht Jahwes", daß diese Bezeichnung vielmehr Mose
vorbehalten bleibt. Später wird dies dahingehend präzisiert
(S.94f.), daß von den 21 Vorkommen des Wortes
'äbäd in Jes 40 -55 sich 14 Vorkommen auf Israel oder
die Israeliten beziehen, während in 6 Vorkommen (in den
Sprüchen über den sog. Knecht Jahwes) eine einzelne
Person, nämlich Deuterojesaja, gemeint ist und Jes
44,20 wegen Textstörung besser außer acht bleibt. Darf
man also korrekterweise nicht mehr vom „Knecht
Jahwes" bei Deuterojesaja sprechen, so konstatiert der
Vf. im 2. Kap. darüber hinaus, daß die auf den Knecht
bezüglichen Texte - meist nennt man Jes 42,1-9;
49,1-6; 50,4-9 und 52,13-53,12 - nicht als eine zusammengehörige
Gruppe genommen werden dürfen, wie es
seit dem Kommentar von B.Duhm überwiegend geschieht
: "There is a priori no more reason for isolating
either certain 'ebed or any 'ebed passages in Second
Isaiah than for lifting out of their preserved Hebrew
context passages that deal with the gentile nations, or
with foreign kings, or with Israel in exile and the like."
Doch dieser Schritt des Vf.s erfolgt mit weniger Recht
als der erste. In literarischer Hinsicht muß man ihm zustimmen
, denn die über die Schrift Deuterojesajas verstreuten
Texte bilden in der Tat keine in sich einheitliche
Größe. Wohl aber lassen sie sich als sachlich-thematisch
geprägte Gruppe von Texten zusammenstellen,
wie man auch die Sprüche Deuterojesajas über andere
Völker oder über Kyros zusammenstellen kann.

Am ausführlichsten befaßt sich der Vf. im 3. Kap. mit

Jes 52,12-53,12. Er will zeigen: 1. daß nur Jes 53 sich
auf den Knecht bezieht, während 52,13 15 Israel meint
(was allerdings aufgrund formkritischer Erwägungen
über die Struktur von Jes 52,13-53,12 zweifelhaft ist);

2. daß Jes 53 nicht von Israel, sondern von einer Einzelperson
spricht, was sicherlich zutrifft; 3.-4. daß die
Vorstellung vom stellvertretenden Leiden und vom
„Leidenden Knecht" eine theologische und gelehrte
Fiktion ist; denn 53,7-12 "indicate, rhetorically, nothing
more than that the person in question suffered much
in the course of his mission from God to Israel, but did
not die in consequence of it; instead, he would live long
after that chore, long enough to enjoy several geneia-
tions of progeny and victory over his adversaries"; 5.
daß es keine altorientalischen Parallelen für die Vorstellung
vom stellvertretenden Leiden gibt (worin dem
Vf. wieder zuzustimmen ist, vgl. auch U.M.Kümmel,
Ersatzkönig und Sündenbock, ZAW 80, 1908, 8.289 bis
318); 0. daß „Knecht Jahwes" und „Leidender Knecht"
als termini technici christlichen Ursprungs sind, Nicht
ganz zustimmen kann ich dem unter 3.-4. Dargelegten.
Denn zwar, redet Jes 53 nicht von einem Opfertod des
Knechts Für die anderen, d.h. nicht von einer Stellvertretung
durch das Leiden im Sterben, da er das
„Schuldopfer" für sich selbst dargebracht hat, wohl aber
enthält der Spruch die Vorstellung von der Stellver-
tretung durch das Leiden im Leben des Knechts, die
freilich mit dem Vergeltungsglauben und mit der Vorstellung
von Tausch und Übertragung von Strafleiden
und Sünden- und Straflosigkeit verknüpft und darum
kaum mehr nachvollziehbar ist (vgl. im einzelnen meinen
Beitrag: Stellvertretung und Schuldopfer in Jesaja
52,13-53,12 vor dem Hintergrund des Alten Testaments
und des Alten Orients, in: Das Kreuz Jesu, Göttingen
1969, S.7-31). So sind von den Ausführungen des

3. Kap. einige Abstriche zu machen. Dagegen kann ich
dem Nachweis des 4. Kap., daß es sich bei der als
„Knecht" bezeichneten Einzelperson um Deuterojesaja
selbst handle, schlicht und einfach zustimmen.

In einem Anhang behandelt der Vf. die Redewendun -
gen 'or gojim und berit 'am, die er wegen der angeblichen
nationalen Grundhaltung Deuterojesajas so versteht:
„Israel will be 'a light of nations' in the sense that Israel
will dazzle the nations with her God-given triumph and
restoration: the whole world will behold this single
beacon that is God's sole covenanted people. Israel
will serve to the world as the example of God's loyalt v
and omnipotence."

2. N.H. Snaith, Isaiah 40-66: A Study of the Tea-
ching of the Second Isaiah and its Consequences (S. 135
bis 264). Die Studie stimmt mit derjenigen von Orlinsky
nur in wenigen Punkten überein - z.B. nationale Grundhaltung
Deuterojesajas, Sprüche über den Knecht keine
eigene Gruppe -, gelangt jedoch zu anderen Ergebnissen
. So geht der Vf. im l.Teil, der Deuterojesaja gewidmet
ist, davon aus, daß außer Jes 40-55 auch 60-62
wegen der Ähnlichkeiten in Stil und Vokabular sowie
wegen der gemeinsamen Themen der Erlösung und der
Rückkehr nach Jerusalem von jenem Propheten stammen
- eine Ansicht, der man schwerlich zustimmen kann,
nachdem gezeigt worden ist, daß in Tritojesaja der
Sinn solcher Ausdrücke und Redewendungen mehr oder
weniger stark geändert wird, so daß eher literarische
Abhängigkeit und bewußte Anlehnung der Verfasser an
Deuterojesaja anzunehmen ist (vgl. W. Zimmerli, Zur
Sprache Tritojesajas, Schweiz. Theol. Umschau 20,1950,
S. 110-122).

Im 2.-6. Kap. des 1.Teils - The Prophet of the return,
The Nationalist, The Servant of the Lord, Exegesis of
Isaiah 40-55. 60-62, Jesus and the Servant of the Lord -
legt der Vf. seine Grundauffassung von Deuterojesaja