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Ausgabe:

1974

Spalte:

631-632

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Boiten, Rolf G. H.

Titel/Untertitel:

Gastfreie Kirche 1974

Rezensent:

Mendt, Dietrich

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 8

632

in der wir uns befinden. Sie wird am deutlichsten in den
Aufsätzen, die sich von den außer-theologischen Wissenschaften
her: um Klärung der heutigen Verkündigungssituation
bemühen: etwa „Die soziale Struktur der Verkündigung
" (Piet van Hooijdonk), „Die Sprache der heutigen Verkündigung
" (Cornelius Verhoeven) und sonst zahlreich eingearbeitete
kommunikationswissenschaftlichc und hör-psy-
chologische Informationen. Überhaupt trägt das Werk der
Forderung Hans-Dieter Bastians nach einer „methodologischen
Neuorientierung" zumindest der Praktischen Theologie
nach Kräften Rechnung, untersucht, was Verkündigung
als Information leistet, wo sie im Rahmen heutiger Linguistik
zu stehen kommt - das allererste Kapitel behandelt
das Thema „Wort und Sprache" (Remigiu1; C. Kwant), so daß
vor Rahncr und Bultmann von de Saussure und Wittgenstein
die Rede ist -, untersucht, wenigstens in Ansätzen,
den gesellschaftlichen Kontext heutiqcr Verkündigung, wobei
hier natürlich auch die Grenze der konkreten Verwendbarkeit
für den Leser aus der DDR liegt.

Diese fruchtbare Spannung zwischen theologischen und
aufiertheologischen Wissenschaften ist aber nur e i n Element
der Spannung, die das ganze Werk beherrscht und
interessant macht. Verkündigung erscheint hier immer wieder
zwischen zwei Polen: Botschaft und Situation, Tradition
und Aktualität, Evangelium und heutiger Mensch. Indem
die Herausforderung der Zeit angenommen und zugleich
christlicher Glaube neu ernst genommen wird, ergibt sich
insgesamt der Eindruck eines nach-konziliaren theologischen
Denkens in der katholischen Kirche, das von einer
hierarchischen, in sich ruhenden Lehr-Institution zu einer
lebendigen, kritisch anfragbaren, brüderlich verantworteten
Verkündigung gelangen will.

Dazu gibt das Handbuch übrigens auch praktische Anleitung
, und dies sind vielleicht seine besten Kapitel. Das betrifft
nicht so sehr die Ausführungen, die ausdrücklich „Die
praktische Predigtarbeit" (Bruno Dreher) behandeln; denn
die Anregungen - vom Wochenlagskalender für die Predigterarbeitung
bis zum empfehlenswerten Sprechton - sind so
konkret, daß sie kaum noch allgemeingültig sein können.
Vielmehr sind es die hermeneutisch-homilctischen Ausführungen
„Zwischen Schrifttext und Verkündigung", vor allem
die zum Neuen Testament von Franz Kamphaus, die echte
Predigthilfe bieten; sie gehen vom prinzipiellen herme-
neutischen Problem der Einzelpredigt einen einsichtigen
Weg bis zum konkreten Beispiel einer möglichen Predigt.
Ferner sind die pastoral-thcologischen Hinweise, die Jan
Bescmcr im Kapitel „Der Verkünder heute" gibt, sehr hilfreich
in der Art, wie sie den Prediger als Person ernst nehmen
, unsre Ausbildung kritisieren und zur Zusammenarbeit
ermutigen. So deutlich die - oft durchgehaltene - römisch
-katholische Tradition an vielen Stellen ist -1 aufs
Ganze staunt man, wie verwcchselbar nahe diese katholische
Konzeption in der systematischen Auseinandersetzung
in der homiletischen Realisierung, vor allem aber in der
exegetischen Arbeit unserer evangelischen ist. An vielen
Stellen gehen die Fronten deutlich quer durch die Konfessionen
. Gerade darum ist das Nachtrags-Kapitel über „Die
evangelische Predigt der Gegenwart" (Walter Uhsadel)
eigentlich überflüssig und eher störend; zumindest hätten
Friedemann Merkels kurze Informationen hier durchaus
ausgereicht. Die entscheidenden Erkenntnisse auf dem weiten
Feld der Verkündigung werden wir ohnehin nicht mehr
unabhängig voneinander finden können.

Jena Klaus Peter Hernien

Boiten, Rolf G. H.: Gastfreie Kirche, praktiziert in Amster
dam Oudczijds 100, übers, v. A. u. A. Heuer. München: Kaiser
(1972). 80 S. 8° « Theologische Existenz heute, hrsg. v.
T. Rendtorff u. K.C. Steck. 172. DM 7.80.

B. beschreibt ein neues Gemcindemodell in der Innenstadt
von Amsterdam in Häusern, die an sich auf der Abbruchliste
stehen und deshalb billig zu erwerben sind. Zunächst
in „Oudczijds 100", in unmittelbarer Nachbarschaft
eines Pornokinos und dann in mehreren Häusern arbeitet
man vor allem mit Gastarbeitern, denen man nicht nur
eine Vcrsammlungsstätte, sondern auch vorübergehend Unterkunft
beschafft, damit sie zu einer Arbeitsbcwilligung
kommen. Man kümmert sich auch um die Ausbildung ihrer
Kinder und versucht, ökumenisch zu arbeiten.

Bezeichnend für das Amsterdamer Modell ist auf der
einen Seile das strenge Ausgehen von der Situation. Es wird
eine Gemeinde erfunden, die mit einer herkömmlichen Gemeinde
äußerlich gesehen so gut wie keinerlei Ähnlichkeiten
hat, die aber mafjstabgcrccht das Evangelium in die
Amsterdamer Innenstadt hineinverkündigt. Dabei entsteht
keine neue statische Gemeinde, die ein neues etwa für alle
Innenstädte passendes System erfindet, sondern eine dynamische
Gemeinde, die ständig auf der Lauer liegt, um gehorsam
zu bleiben, mit anderen Worten: um dem lebendigen
Christus auf der Spur zu bleiben! Dabei läßt diese Gemeinde
bewußt das Wort niemals beiseite. B. begründet das
und setzt sich gegen alle Versuche, schweigsam missionarisch
und diakonisch tätig zu sein, zur Wehr. Auch die Kirche
gehe auf eine menschenwürdige Gestalt des Lebens in
der Innenstadt aus, meint er, aber „sie sieht das nicht als
letztes Ziel an, sondern wertet ein solches Dasein als Zeichen
eines Heils, das alles, und damit also auch ein menschenwürdiges
Dasein umfaßt" (14).

Dresden Dietrich Mendt

Bach, Ulrich: Diakonie als Lebensweise der Kirche. Anfrage
zu dem Arbeitspapier „Das Wohl der Behinderten" (IM
64, 1974 S. 35-42).

Backofen, Karl-Heinz: Hilfe zum Dienst (IM 64, 1974 S. 52
bis 53).

Becher, Werner, und Alwin J. Hammers: Zur Analysis eines
Seelsorgegesprächs. Die Verkündigung der Liebe Gottes
als theologische und psychologische Aufgabe (WzM 26,
1974 S. 93-102).

Cooperation in Thcological Education - 1973 (Thcological
Education 10, 1973, 1-65).

Degen, Johannes: Liebestätigkeit und LcidcnsbcwältigunS
(WissPrKiCes 63, 1974 S. 56-63).

Döhlcr, Gotthilf: Altes oder „neues" Apostolikum? Sieg'
hafte Höllenfahrt Christi oder schrecklicher Abstieg
das Reich des Todes? (LRb 21, 1973 S. 210-230)

Eiselc, Günther, u. Lindner, Rcinhold: Das biblische Wort
im helfenden Gespräch (PB1 114, 1974 S. 165-170).

Ergebnispapicr „Das leibliche, geistige und seelische Wohl
des Behinderten" erarbeitet von einer Urlaubsgcmcin'
schaft Behinderter und Nichtbehinderter in Verbindung
mit einem Fortbildungskurs der Diakonischen Akadcm>c
für Mitarbeiter aus der Behindertenhilfe (IM 64, 1974
S. 42-48).

Fischer, Martin: Das Geheimnis des Menschen. Theolog1'

sehe Überlegungen zur Zielsetzung der Bchindcrtcnhi'^

(IM 64, 1974 S. 5-14).
Geest, Johannes van der: Reflexionen zur Theologie &cX

Seelsorge (WzM 26, 1974 S. 85-92).
Geiger, Martin [Hrsg.): Diskussionspapier - Das Wohl dcf

Behinderten. Fragen aus diakonischcr Vcrantworti"1*'

(IM 64, 1974 S. 29- 34).
Homosexualität. Zwei Dialoge im Abstand von zwölf Ja

ren (PB1 114, 1974 S. 105-116).
Koller, Wilhelm: Lehre in der Predigt (PB1 114, 1974 s'

291-295). -■

Kortzflcisch, Siegfried von, und Trutz Rendtorff: Korrck'1'

herrschender Urteile. Erste Folgerungen aus einer ^

frage im Kirchenvolk (LuMo 13, 1974 S. 73-76).