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Ausgabe:

1974

Spalte:

623-625

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Hollmann, Klaus

Titel/Untertitel:

Existenz und Glaube 1974

Rezensent:

Schmithals, Walter

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Theologische Literaturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 8

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vom deus absconditus die Sache des Schmerzes Gottes wohl
anpeilen, aber doch nicht recht erreichen (S. 108, ziemlich
scharf S. 131, vgl. S. 168): „als ,deus absconditus' liebt Gott
i m Zorn, während er im .Schmerz Gottes' durch die Überwindung
dieses Zornes liebt" (S. 110). Es begegnet aber
auch recht positive Würdigung des Begriffes ,deus absconditus
', und zwar so, dafj ich darin Kitamori, Luther und Barth
zugleich sachlich verbunden sehe, einmal indem der Begriff
als Korrelat zu Gnade und Glaube gefaßt wird
(S. 167), sodann indem er streng christologisch
verstanden wird: „Niemals hat sich der Vater besser verborgen
als da, wo er seinen geliebten Sohn ins Leiden und in
den Tod hineingehen ließ" (S. 114).

Schöller bei Wuppertal Jürgen Fangmeier

Hollmann, Klaus: Existenz und Glaube. Entwicklung und
Ergebnisse der Bultmann-Diskussion in der katholischen
Theologie. Paderborn: Verlag der Bonifacius-Druckerei
(1972). 360 S. gr. 8° = Konfessionskundliche u. kontroverstheologische
Studien, XXX. Lw. DM 28.-.
Die vorliegende Abhandlung will einen Beitrag leisten
zur Darlegung und Beurteilung des Weges, den die katholische
Theologie in den letzten 25 Jahren gegangen ist. Sie
wurde in München als Dissertation angenommen und zeigt
die Vorzüge und Mängel einer Erstlingsarbeit.

Ein Vorzug ist zweifellos der Mut, mit dem der Vf. sich
einem so umfangreichen Gebiet zuwendet, das subtile
Kenntnis des Werkes Bultmanns ebenso voraussetzt wie
einen Überblick über wesentliche Entwicklungen neuerer
Theologiegeschichtc auf dem Hintergrund der traditionellen
katholischen Lehre - dies alles im Rahmen eines Problems,
daß noch im Fluß und in seinen schließlichen Ergebnissen
kaum zu überschauen ist.

Angesichts dessen sind Mängel kaum vermeidbar: Zahlreiche
Wiederholungen und Überschneidungen stören den
Fluß der Lektüre, und manche Unausgeglichenheit in Darbietung
und Beurteilung konkurriert mit vorzüglichen Darstellungen
und Analysen im einzelnen.

Im .Ersten Teil' (S. 17-39) werden wesentliche Aspekte
der Theologie Bultmanns dargestellt, durchaus sachgemäß
und mit Schwerpunkt bei den (zusammenhängenden) Problemen
der Entmythologisierung und der Unanschaulich-
keit bzw. Unausweisbarkeit des Heilsgeschehens.

Der .Zweite Teil' (S. 40- 79) sammelt, systematisch geordnet
, Äußerungen von katholischen Excgetcn zur Theologie
Bultmanns. Dabei geht die Darstellung des Vf.s oft in
eine eigene Stellungnahme über; gegenüber weitgehenden
exegetischen Hypothesen stellt er z.B. fest: „Eine Exegese,
die den Zusammenhang mit der kirchlichen Glaubenslehre
nicht bedenkt und praktisch das Prinzip des .sola scriptura'
vertritt, kann nicht für sich in Anspruch nehmen, als Exegese
im Raum der katholischen Kirche zu gelten" (S. 77).

Die Gesichtspunkte des .Zweiten Teils' wiederholen sich
im .Dritten Teil' (S. 80-132), der die Stellungnahme der katholischen
Fundamentalthcologie und Dogmatik zur Theologie
Bultmanns referiert.

Im .Vierten Teil' (S. 133-263) werden relativ ausführlich
drei wichtige Einzclproblcmc diskutiert: die Auferstehung
Jesu, das Problem des Mythos, die Frage der Hermeneutik.
Darstellung und Stellungnahme des Vf.s gehen auch in diesem
Abschnitt oft ineinander über.

Der .Fünfte Teil' (S. 264 - 350) schließlich handelt von
.Möglichkeiten und Grenzen der Rezeption R. Bultmanns in
der katholischen Theologie": Er enthält (S. 328-348) einen
Exkurs über „Rudolf Bultmann und Karl Rahncr".

Der Vf. meint nicht ohne Grund, feststellen zu können,
daß zu Beginn der Auseinandersetzung das Bestreben
kennzeichnend war. „die Bcdcnklichkciten und Gefahren der

Theologie Bultmanns sowie die Unvereinbarkeit wesentlicher
Bestandteile seiner Konzeption mit der katholischen
Lehre aufzuzeigen und zu begründen", während in der Folgezeit
die Bereitschaft immer größer wurde, „Intentionen
und Durchführungen des von Bultmann durchgeführten
theologischen Programms in die katholische Theologie aufzunehmen
" (S. 348). Aus einem .Nein, denn. . .' sei über ein
.Zwar, aber. . .' weithin bereits ein Ja, wenn auch. . .' geworden
. Dabei seien die Annäherungen an die Theologie
Bultmanns im Bereich der katholischen Dogmatik und Fundamentalthcologie
umfassender als in der konkreten
Schriftauslegung - dies eine für den Exegeten, der längst
gewohnt ist, evangelische und katholische Kommentare unterschiedslos
zu gebrauchen, überraschende und nicht völlig
überzeugende Feststellung.

Die weitgehende Aufnahme Bultmanns in die katholische
Theologie, wie sie z. B. von Hasenhüttl vorgenommen wird,
sei freilich, so urteilt Hollmann, nur möglich, weil das Gemeinsame
unter Nichtbeachtung des Trennenden in den
Vordergrund gestellt werde. Das Trennende sieht der Vf.
vor allem in der mangelnden .Objektivierung' theologischer
und christologischcr Aussagen bei Bultmann; das An-sich-
sein der Glaubcnsinhalte, die seinshafte Christologic, die
Tatsachen der Heilsgeschichtc würden von Bultmann in
unzulässiger Weise preisgegeben. Diese zentrale Kritik ist
natürlich nicht spezifisch katholisch; sie beherrscht auch die
protestantische Diskussion der Theologie Bultmanns. Dabei
wird Bultmanns Position allerdings von Hollmann wie nicht
selten von evangelischen Theologen sehr einseitig gesehen.
Entmythologisierung versteht der Vf. wesentlich als Elimi-
nicrung von Fakten, weniger als Interpretation einer in bestimmte
Sprache gefaßten Botschaft. Die hermcncutischc
Konzentration auf das ,pro nobis' erscheint ihm als Anthro-
pologisierung der Theologie. Damit wird Bultmanns Intention
schwerlich getroffen, und es ist auch nicht sachgemäß,
das psychologisicrende Ostcrvcrständnis von Willi Murxsen,
das z. B. von dem katholischen Theologen Schlettc aufgenommen
wird, bloß als eine Modifizierung Bultmannschcr
Ansätze zu verstehen. Bultmanns Position ist in allen diesen
Fragen differenzierter; daß Bultmann einer objektiven Vcri-
fizierbarkeit von Glaubensinhalten wehrt, will doch diese
Inhalte selbst nicht in Frage stellen.

Interessant ist unter anderem, in wie starkem Maße Hollmann
in Übereinstimmung mit der durchgängigen katholischen
Kritik bei Bultmann einen Dualismus von Gott und
Welt, eine Mißachtung von Leiblichkeit, Natur und Geschichte
meint feststellen zu müssen. In diesem Punkt trifft
sich die mehr oder weniger konservative katholische Kritik
nicht zufällig mit der ,linksprotestantischen', eine Gemeinsamkeit
, die in dem gemeinsamen Ansatz bei einer natürlichen
Theologie begründet liegt. Daß auch mit dieser Kritik
Bultmann schwerlich angemessen verstanden wird, kann
dem nicht zweifelhaft sein, der den dialektischen Charakter
von Bultmanns Gcschichtsvcrständnis einschließlich der dialektisch
verstandenen Zwci-Reiche-Lehre beachtet.

Nach den oft recht kritischen Urteilen des Vf.s gegenüber
einer zu weit gehenden Übernahme Bultmannschcr Gedanken
in die katholische Theologie liest man im .Fünften
Teil' etwas überraschend, daß die Gottesfrage, die zum
Zentralproblcm auch der katholischen Theologie geworden
ist, schwerlich anders als auf den von Bultmann gewiesenen
Wegen beantwortet werden könne. Die Unverfügbarkeit
Göttes dürfe nämlich nicht als .Wirklichkcitsmangcl' miß'
Verstanden werden, sondern sei gerade Zeichen der Gott'
heit Gottes (S. 290); Gott sei der Kommende, der Bcgcfl'
nende, der stets Neue (S. 295f). Dementsprechend sei Gl**'
be als personales und existentielles Verhalten zu beschre'"
ben (S. 300ff), freilich so, daß die Welt zum Raum wird'
„wo der Mensch, da er ohne weltliche Bezüge und DirnO1'