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Ausgabe:

1974

Spalte:

619-620

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Niemöller, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Der Pfarrernotbund 1974

Rezensent:

Beste, Niklot

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Seite 1

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619

Theologische Literaturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 8

620

Schon das Klima, das dem Leser aus den Presseerzeugnissen
des verflossenen Säkulums entgegenschlägt, birgt
Belehrung. Manches, wie etwa die Kämpfe Pro und Kontra
Union, kulturprotestantische Aspirationen, die seit der
Reichsgründung sich vollziehende Ehe zwischen Protestantismus
und Nationalismus, die sozialen Bestrebungen können
plastischer werden. Weil Publizistik in sich sehr nuancenreiche
Positionen vergröbert und in griffige Schablonen
bringt, werden die Fronten deutlicher markiert als
sonst, und vieles, anderswo in vorsichtig wägenden Formulierungen
dargeboten, erscheint in seiner Direktheit.
Theologie- und Kirchengeschichtsschreibung, die heute weniger
denn je den Parnafj des nur Akademischen beschreiten
kann, hat die Transmissionsriemen, über die die kirchlich
-theologische Programmatik in die Öffentlichkeit gelangte
und zur Wirksamkeit gebracht wurde, sehr zu beachten
. Dafj die Texte kein publizistisches, geschweige denn
kirchenpolitisches und theologisches Spiegelbild der Epoche
geben, versteht sich. Leider sind infolge des engen Auswahlprinzips
die vielfältigen Wand'ungen und Modifikationen
innernalb der einzelnen Zeitungen, die <ich im Laufe
der Zeit einstellten, nicht vorführbar; sie können vom Herausgeber
nur konstantiert werden. Anhangsweise sind dem
Buch Titel-Reproduktionen von neun der elf Zeitschriften
beigegeben.

Insgesamt eine Arbeit, die nicht nur für den mit Presseforschung
Befaßten, sondern auch für den Kirchenhistoriker
des 19. Jahrhunderts nützlich ist und hoffentlich als Anregung
dient, sich intensiver als bisher der Auswertung kirchenhistorisch
belangvoller Zeitschriften zu widmen.
Leipzig Kurf Nowak

Niemöller, Wilhelm: Der Pfarrernotbund. Geschichte einer
kämpfenden Bruderschaft. Hamburg: Wittig (1973). VI,
270 S. 8". Lw. DM 24.-.

Zur Geschichte des Kirchenkampfes von 1939 bis 1945 gehört
der Weg des Pfarrernotbundes. ThLZ 91, 1966, Sp. 723
hat Professor Karl Kupisch gewünscht, daß eine Geschichte
des Pfarrernotbundes geschrieben würde. Jetzt liegt eine
Darstellung vor. In 14 Kapiteln wird auf 148 Seiten dargestellt
, wie es zur Gründung des Pfarrernotbundes kam, welche
Ziele er hatte, wie er aufgebaut wurde und welche Bewährungsproben
sich ergaben. Die Kapitel tragen die Überschriften
: Die Not, Begründung des Notbundes, Aufbau und
Organisation, Der Kampf beginnt. Die Erschütterung der
deutsch-christlichen Macht, Die Krise des Notbundes, Freiwillige
Auflösung? Verfolgung und Sammlung, Ein Verbot,
Rechtsbruch und Rechtsbeistand, Langes Schweigen und
neues Reden, Magere Zeiten, Schwere Verluste, Konsolidierung
im Kriege. Eine grofje Anzahl von Dokumenten sowie
verschiedene Aufstellungen und Listen ergänzen die geschichtlichen
Darstellungen. Ein Namensregister erleichtert
die Suche nach einzelnen Beteiligten. Dem Pfarrernotbund
ging es nicht allein um die brüderliche Unterstützung der
Amtsbrüder, die in Bedrängnis gerieten und finanzielle Einbußen
zu tragen hatten, sondern um den Zusammenschluß
zur Rettung und Erneuerung der evangelischen Kirche. Bei
aller inneren Beteiligung und Hingabc, die man der vorliegenden
Darstellung der Geschichte des Pfarrernotbundes
abspürt, geht es nicht um eine Selbstrcchtfertigung. Eine
Anzahl bisher nicht bekannter Vorgänge wird erwähnt. Der
Vf. Wilhelm Niemöller, ein jüngerer Bruder von Pastor
Martin Nicmöller, sieht die Ereignisse von seinem Standpunkt
als Beteiligter. Der innere Zusammenhang zwischen
dem Leben der Pfarrerschaft in den einzelnen Landeskirchen
und die Verflechtung mit den Ereignissen des Kirchenkampfes
hätten noch stärker hervortreten können. Seit dem
Jahre 1934 ist die führende Rolle an die Bekenntnissynoden
und andere mit Verantwortung bcladcne Stellen gegangen.

Der Pfarrernotbund hat Hilfe geleistet. Wer die Geschichte
der Auseinandersetzungen jener Jahre verfolgen will, wird
in dem vorliegendem Buch erkennen, dafj nicht die gesamte
evangelische Pfarrerschaft in Deutschland zusammengefaßt
werden konnte, aber die Not des Kampfes wurde gesehen
und die Opfer zur gegescitigen Hilfe sind gebracht.

Schwerin N. Beste

Eidberg, Peder A.: Hans Andersen. En frikirkclig rikspoli-
tiker i 1890-ärcne (NTT 75, 1974 S. 33-54).

Hoff mann, Willi: Das Verständnis der Natur in der Theologie
von J. T. Beck (Theol. Promotion, Bonn 1973/74).

Vogler, B.: L'apport de l'histoirc des mentalitcs ä l'histoirc
religieuse: A propos de trois theses differentes (RHPhR
53, 1973 S. 426-439).

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Kilamori, Kazoh: Theologie des Schmerzes Gottes. Übersetzt
v. T. Kato u. P. Schneiss. Göttingen: Vandcnhocck &
Ruprecht [1972). 172 S. gr. 8° - Theologie der Ökumene,
11. Kart. DM 21.-.

Das japanische Original des Buches ist bereits 1946 (r,1958)
erschienen und sein Inhalt im deutschen Sprachraum nicht
ganz unbekannt geblieben. Vgl. C. Michalson, Japanische
Theologie der Gegenwart, 1962, und dazu ThLZ 89, 1964 Sp.
782-784, sodann K. Ogawa, Die Aufgabe der neueren evangelischen
Theologie in Japan, 1965, und hierzu ThLZ 91,
1966 Sp. 817f. Der Vf. ist Lutheraner und lehrt Systematische
Theologie am Union Thcological Seminary in Tokio.

„Mir wurde der Schmerz Gottes als das Herz des Evangeliums
geoffenbart" (S. 15). Gott ist „Gott im Schmerz", indem
der Schmerz Gottes Zorn und Liebe in Gott vermittelt.
„Der Gott, der den Sünder dem Tod überantworten muf),
streitet mit dem Gott, der den Sünder liebt. Die Tatsache,
dafj es beide Male derselbe Gott ist, ist eben der Schmerz
Gottes" (S. 17). Zugleich qualifiziert Gottes Schmerz seine
Liebe. „Gott im Schmerz ist der alles einhüllende Gott"
(S. 21). „Der totale Sieg des .Schmerzes Gottes' gegen den
Sünder ereignet sich dann, wenn der Sünder im Schmerz
Gottes Gott nicht mehr widersprechen k a n n " (S. 157).
„Nur wegen seines .Schmerzes' kann Gott auch im Scheitern
seiner .Liebe' Sieger bleiben" (S. 163).

Wir begegnen einer Theologie, die die Theologen und Philosophen
von Kontinenten ins Gespräch bringt, dabei aber
zentral biblische Theologie sein will und es auch ist,
und einer Theologie, die ihre Wisscnschaftlichkcit streng reflektiert
und sich doch nicht scheut, ein uns ungewohntes
Mafj an Subjektivität in ihren Denkweg einzubringen.

Des Verfassers zentrale biblische Textgrundlagc besteht
in Jcr 31,20 und Jes 63,15: „Dasselbe Wort* - "?E bzw.

v:~ _ „wird in Jer 31,20 mit .mein Herz schmerz*
mich' übersetzt, und in Jes 63,15 mit .herzliche Barmherzig"
keit" (S. 152; s. 'Anhang'. S. 152ff). Vf. findet, insbesondere
Jercmia habe den Schmerz Gottes gesehen (S. 162) - so daft
das „Buch Jcremia die wichtigste Stelle in der ganzen BiV>c'
einnimmt" (S. 161). Bzw.: „Jercmia ist der Paulus des Alte1'
Paulus der Jeremia des Neuen Testamentes. Der für Paulu*
.Gott am Kreuz' ist, ist für Jcremia ,Gott im Schmerz'
(S. 15f.). Freilich auch: „Jesus Christus ist die persona 00
Schmerzes Gottes" (S. 168; cf. Zweites Kapitel). „Wir sind sehr
betrübt darüber, daß die Botschaft vom Sterben des Sohne5
Gottes am Kreuz kein Staunen mehr hervorruft... Ich selb*'
habe dieses Staunen durch Jcr 31,20 wiedergefunden" (S. W4
Der Schmerz Gottes ist das Wesen Gottes, darum die Ta''
Sache des Kreuzes das Axiom theologischen Denkens (S.

Es kann hier nicht aufgezeigt werden, wie intensiv i"1
extensiv Vf. die Bibel durchmißt und wie weitgehend er "