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Ausgabe:

1974

Spalte:

39-50

Autor/Hrsg.:

Winkler, Eberhard

Titel/Untertitel:

Die Frage der Effektivität des kirchlichen Dienstes 1974

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Theologische Literaturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 1

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des Taufbefchls und der Begründung der Taufe im Willen
Christi als solches schon erledigt, wenn wir im historischen
Sinne von einem preaeeeptum nicht mehr sprechen
können? Ohne daß es dogmatisch weiter expliziert und
etwa ekklesiologisch oder pneumatologisch durchreflektiert
wird, deutet Ratschow auf der letzten Seite seines
Buches die hier sachgemäße Denkrichtung an: wie Aposto-
lat und Mission, so geht die Taufe faktisch „aus dem Geheimnis
des Daseins des Auferweckten hervor" (253). Die
Frage bleibt dann, wie diese Behauptung theologisch zu
begründen ist.

4. Die Verlegenheit in der Frage des „Propriums" ist in
der evangelischen Sakramentstheologie weit verbreitet.
Schlink geht mit vielen anderen Theologen davon aus, dafj
Gott auf mannigfache Weise an demselben Reichtum seiner
Gnade Anteil gibt (95), die Besonderheit der Taufe
also nur eine Besonderheit der Art und Weise der Gnadenmitteilung
ist. Warum es neben Predigt noch Taufe
und Abendmahl gibt, ist nicht aus einer vorliegenden Besonderheit
der Sache selbst zu erkennen, sondern positiv
allein dem „geschichtlichen Auftrag, den Christus gegeben
hat" (96) zu entnehmen. Immerhin nennt Schlink, wie wir
bereits sahen, dann doch auch eine sachliche Besonderheit
der Taufe: sie ist der „Zugang zum Reichtum des göttlichen
Gnadenwirkens" (ebd.). Diesen Ansatz finden wir
bei Ratschow umfänglich ausgebaut. Nur ist er bei ihm
vor allem ekklesiologisch gewendet. Die sachliche Besonderheit
der Taufe gegenüber anderen Weisen der Gnadenzuwendung
Gottes an den Menschen liegt in ihrer Funktion
der Inkorporation in den Leib Christi, in ihrem Wesen
als Missionssakrament. Diese ekklesiologische Fassung
des Propriums der Taufe legt sich in der Tat nahe,
wenn man die Taufe selbst, wie sie heute in der Kirche
und durch sie vollzogen wird, betrachtet und fragt: Was
tut die Kirche, wenn sie tauft? Antwort: Sie nimmt einen
Menschen in ihre Gemeinschaft auf, bekennt sich zu ihm,
übergibt ihn damit Christus, der seinerseits seine Treue
diesem Menschen zuwendet. Das Neue Testament gibt
die Antwort in der Regel nicht in dieser Form, weil es nicht
die Frage stellt, die wir stellen und stellen müssen. Vielmehr
knüpft es, wo es theologisch von der Taufe redet,
weithin an die Tatsache des Getauftseins an und legt es
paränetisch aus, worauf u. a. W. Marxsen hingewiesen hat.
Dabei kommt es freilich auch zu ekklesiologischen Aussagen
(z. B. 1 Kor 12,13). Aber es gibt doch daneben einige
wenige Aussagen, die unserer Fragestellung nahekommen.
In erster Linie ist hier an Mt 28,19 zu denken, sodann aber
etwa auch an Aussagen der Apg wie 2,41 oder 10,44-47.
Hier erscheint der ekklesiologische Aspekt, der Charakter
der Taufe als „Missionssakrament", als Grundsinn der
Taufe. Vielleicht sollte eine künftige theologische Tauflehre
diese ekklesiologische Seite wesentlich stärker in den
Vordergrund rücken und prüfen, ob sie nicht tatsächlich
als Proprium dieser kirchlichen Handlung geltend zu machen
wäre.

5. Ergibt sich aus dem Gesagten, dafj vom Glauben erst
aufgrund der vollzogenen Taufe gesprochen werden kann

(Ratschow S. 238ff)? Wenn Ratschow recht hätte, wäre die
Kindertauffrage mit einem Schlage gelöst. Jedoch ist Ratschow
seiner Sache offenbar selbst nicht ganz so sicher,
wenn er auch formulieren kann: „Der Glaube wird in bestimmter
Weise auf die Taufe zugeführt. Der Glaube wird
nach der Taufe in anderer Weise fortgeführt" (240). Also
gibt es „in bestimmter Weise" doch schon Glaube vor der
Taufe? Das wird man in der Tat kaum bestreiten dürfen.
Muß dann aber nicht auch das Taufbegehren als Äußerung
bereits vorhandenen Glaubens gedeutet werden (gegen
Ratschow, 238)? Auch im Neuen Testament reden wenigstens
die Berichte der Apg ganz eindeutig vom Glauben
vor der Taufe und nennen ihn als Anlaß, sich taufen zu
lassen (z. B. Apg 8,12 und 13). Der richtige, von Ratschow
S. 241 ausgesprochene Grundsatz, daß Glaube von der Gemeinde
her ist, bleibt davon unberührt, da auch ein Glaube
vor der Gliedschaft in der Gemeinde nicht ohne die Gemeinde
denkbar ist. Die Taufe ist - unbeschadet ihres Wesens
als Tat Gottes und Handlung der Gemeinde und unbeschadet
ihrer Bedeutung als Glaubensgewinn für den
Gläubigen - auch Bekenntnis des Glaubens vonseiten
des Täuflings: das sollte man, wie bereits oben angedeutet
, K. Barth und vor ihm Zwingli nicht bestreiten. Die
Kindertauffrage ist deshalb wohl weder dadurch zu klären
, daß man „die zeitliche Reihenfolge von Glauben und
Taufe durch Gottes eschatologisches Handeln relativiert"
sein läßt (gegen Schlink, 133), noch auch dadurch, daß
man das Taufbegehren der Eltern vom Glauben abrückt
(gegen Ratschow, 238f). Vielmehr gilt es nach wie vor
nachzudenken darüber, ob nicht tatsächlich das Taufbegehren
von Eltern und Paten für ein Kind ein Zeichen ihres
stellvertretenden Glaubens ist. Allerdings auch nur ein
Zeichen: denn es ist schließlich der Lebensvollzug der Eltern
überhaupt und insgesamt, an dem als an ihrem Glaubensvollzug
die Kinder ungefragt teilhaben, mit allen Freuden
und Entbehrungen, die damit verbunden sind. Und
diesen Gesamtvollzug müßte man im wahren Sinne unter
der Kategorie der Stellvertretung zu sehen versuchen, so
wie ja sogar auch ein erwachsener Christ auf Stellvertretung
in diesem Sinne angewiesen ist, weil keiner für sich
allein glaubt.

Die Bücher über die Taufe von Edmund Schlink und Carl
Heinz Ratschow geben, wie vielleicht deutlich geworden
ist, mancherlei zum Nachdenken über die Taufe und darüber
hinaus über die Methodik dogmatisch-theologischen
Arbeitens auf. Sie zeigen, daß und wie die lutherische
Tauftheologie nicht in unbeweglichen Bastionen verharrt,
sondern auf dem Wege ist. Könnte das nicht ein hoffnungsvolles
Zeichen im Blick auf anstehende praktisch-kirchliche
Entscheidungen in der Tauffrage, aber darüber hinaus
im Blick auf die theologische Lage überhaupt sein?

1 Schlink, Edmund: Di« Lehr« von dar Tau!«. Kassel: Stauda Verlag
1969. 174 S. gr. 8° — Sonderausgabe des gleichnamigen Beitrages
aus Leiturgia, Handbuch des evang. Gottesdienstes, hrsg. v. K-
F. Müller u. W. Blankenburg. Bd. V: Der Taufgottesdienst. Kort. DM

I Ratschow, Carl Heinz: Die ein« christlich« Tauf«. Gütersloh: Gütersloher
Verlagshous Gerd Mohn <1972>. 279 S. 8». Kart. DM 28.-.

Die Frage der Effektivität des kirchlichen Dienstes

Von Eberhard Winkler, Halle Saale

Ernst Sommerlath zum 85. Geburtstag

Im Hintergrund der folgenden Ausführungen steht ein
Amtsverständnis, das sich in mancher Hinsicht von dem des
verehrten Jubilars unterscheidet1. Das rege Interesse des
Systematikers Ernst Sommerlath für die praktischen Aufgaben
der Kirche ermutigt mich, ihm einige Überlegungen

zu widmen, die eine akute Problematik im Dienst der Pfarrer
und anderer kirchlicher Mitarbeiter zum Inhalt haben.
Bei der Frage nach der Effektivität geht es um das Verhältnis
der eingesetzten personellen und materiellen Kräfte 7M
den damit erzielten Wirkungen. Im technischen und ökono-