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Ausgabe:

1974

Spalte:

613-616

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Luther-Prozess und Luther-Bann 1974

Rezensent:

Ludolphy, Ingetraut

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Theologische Literaturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 8

614

und Trostliteratur. Dadurch, daß Dietrich die frömmigkeits- teren Untersuchung vorbehalten bleiben müsse. Dem Ergeschichtliche
Aktualität der reformatorischen Verkündi- gebnis Bäumers können wir sachlich nur zustimmen. Er
gung erkannte, ist seine geistliche Wirksamkeit nach einem formuliert es folgendermaßen: „Angesichts der Verbrennung
Wort L. Fendts zur „Umschlagstelle der gesamten Theologie der Bannandrohungsbulle und seiner Kampfschriften des
für die Kirche" geworden. Jahres 1520 war für Luther in der römischen Kirche kein
Unter Berufung auf die 1958 veröffentlichte Veit-Dietrich- Platz mehr. Es war daher konsequent, da5 am 3. Januar
Monographie von B. Klaus hat freilich der Herausgeber auf 1521 Papst Leo X. die Bannbulle unterzeichnete, die mit
jegliche biographische und theologische Würdigung ver- den Worten beginnt: Decet Romanum Pontificem" (S. 48).
ziehtet. Im Sinne der Arbeitsstelle ist die Neuausgabe viel- Allerdings versuchen wir stärker als der Vf., die damalige
mehr allein unter dem Gesichtspunkt der geschichtlichen Unumgänglichkeit der uns vorliegenden Entwicklung zu
Erforschung der neuhochdeutschen Schriftsprache erfolgt würdigen.

und dient somit ausschließlich sprachhistorischen Interessen. Kritisch müssen wir fragen, ob alle Auffassungen des
Sic vermittelt dem Benutzer eine instruktive Einführung in yf.s, die von der bisherigen Deutung abweichen, genügend
Mcthodenproblcme einer modernen germanistischen Edi- gestützt sind. Zu vergleichen wären z. B. S. 28, Anm. 39
tion, in der die Ergebnisse der linguistischen Eigendisziplin „Meines Erachtens", Anm. 44 „ist irrig", S. 43, Anm. 104
Craphematik auf die Beurteilung der Lesarten zur Anwen- jst zu berichtigen". S. 45 fehlt der Beleg für die Begründung
gelangt sind. dung der ursprünglichen Nichtangabe der Namen von Lu-
Dcmgcgcnüber hat die inhaltliche Seite der herausgege- theranhängern in der Bannandrohungsbullc. Woher nimmt
benen Texte hier so wenig Berücksichtigung gefunden, daö er die Vermutung, daß die erwähnten Schriftstücke „ge-
in dem rein sprachgcschichtlich ausgerichteten Apparat fälscht" sein könnten (S. 25, Anm. 22; S. 26, Anm. 31; S. 27
nicht einmal Zitate oder Bibelstellen nachgewiesen werden. Anm 35)? In Nachfolge von Lau und H. Bornkamm sehen
Gewiß wird der Theologe um der für ihn ja weit wichti- wjr es nicht als „völlig unbegründete Legende" an, daß „Lugeren
reformatorischen Aussage der Erbauungsschriften ther seine Thesen am .Schwarzen Brett' der Theologischen
Dietrichs willen diese Beschränkung zutiefst bedauern. Um Fakultät angeschlagen habe" (S. 21). Das Faktum und die
so mehr wird er es andererseits begrüßen, in diesem Buch Begründung dafür, daß Luther die Pariser Universität
ein wissenschaftlich vorzüglich erarbeitetes Quellenwerk zu „sympathisch" war (S. 33), sind nicht belegt. Dem Versuch,
besitzen, das ihm diese meist schwer erreichbare Literatur den Zusammenhang zwischen der Kaiserwahl und dem
auch für seine Studien zugänglich macht. Außerdem bietet römischen Prozeß neu zu interpretieren (S.33), braucht man
das bcigcgcbcnc Verzeichnis aller Sammelausgaben und nicht zuzustimmen. Die „ausweichende Antwort" charakte-
Einzeldrucke der hier edierten Schriften eine wertvolle Hilfe. risiert die Haltung Friedrichs des Weisen wohl deutlicher
Marburg (Lohn) Winfried Zeller als die „ausdrücklich" „erklärte" „Bereitschaft", „die päpstliche
Heiligkeit zu ehren und zu gefallen und in billigen
Sachen als der gehorsame Sohn zu leben" (S 35). Luthers

, , . Worte gegenüber den Studenten am Tage nach der Verbren-

Baumer, Remigius [Hrsg.): Lutherprozeß und Lutherbann. nung der Bannandrohungsbulle (s. 47f ) waren ein Aufruf

Vorgeschichte. Ergebnis. Nachwirkung Mit Beitragen von zur Entscheid nicht zum widerstand. Das ergibt sich aus

i SÄÜi on c r'° ■ lMu ,MrTL fv"" dem vollständigen Zitat.

dorff (1972). 80 S. gr. 8° Katholisches Leben und Kir- ,. ...^

, . _ .r. „. , ,. Schwebende Formulierungen und nicht eindeutige Dar-

chenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung, Vereins- . 3 . »

j _ . . ~. - .- bictungen dienen der Klarung von Problemen nicht. Vql.

Schriften der Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus _ - _ _ . . . „. a

,. __ , „ S. 30 „Das Brcvc kann man in gewissem Sinne

t-athoheorum, 32. Kart. DM 9.20. , . . . . . . 3 „

(Sperrung nicht im Original) als eine Bestätigung des Vor-

In dem vorliegenden Heft sind vier Aufsatze vereint. gchcns VQn mmfz sehcn„ WA Bf j 2g3 f bczichj sich nicht

"er crstc (s.7-17) ist ein Nachruf auf den am 30. Marz guf dcn vorangehenden Text (s. 29, Anm. 48). Zu welchem

»W2 sechzigjährig verstorbenen Freiburger Professor für dcr angeschnittenen Probleme soll Borth verglichen werden

M'chengcschichtc und Religiöse Volkskunde August Fran- ^s 35 Anm 74j?

Jn. den ehemaligen Vorsitzenden der Gesellschaft zur Gefahrlich sind cmotional gefarbte Ausdrücke, die der

Herausgäbe des Corpus Cathol.con.rn D.ese Gesellschaft SachIichkdt „icht dienen wje _Luther j r {s 32 Anm

"at Verdienste um die Erforschung der Reformationsgc- . . .... t„ . . r ■

srhi.u. j j- ^j- • ... , j 1 .u 1 u v__ 61), „fragwürdiges Dokument , „seine wirkliche Gesm-

scnidite und die Edition der Werke der katholischen Kon- ' »____ '

lro„„-iu . iT7j * »_mj. - ^ .„ nung , Luther „dokumentierte ... in schroffster Form (S. 47).

iroverstheoogen des 16. Jh.s. Der Nachruf stammt von einem „ ' , , .. _. , . ., .... i

^hüler Franzens. Remig.us Bäumer. Dieser schrieb auch Dcr A"sdruck ?™bic«" ^ mufi sprad.gesch.chtl.ch

den zweiten Aufsatz (S. 18-48) „Der Lutherprozeß-, ein verstanden werden.

Oberblick über den Verlauf und eine Auseinandersetzung j N°* e.n.ge Anfragen bzw. Feststellungen: Wo steht .n

"* der neueren Literatur über das römische Verfahren dem Breve Leos X. (WA Br I, Nr 164) etwas von dem W,

N*n Luther. Als dritter (S. 49-68) und vierter (S. 69-80) Verruf in Deutschland (vgl. S. 30)? W.eso wäre d.e Un.ver-

^hÜeßen sich die beiden Referate von Hermann Tüchle und *.tät Erfurt als Richter über d.e Lc.pz.ger D.sputahon für

tEr*in Iserloh an. die von diesen Forschern auf der Jahres- Linner günstig gewesen (S. 33)? Er hatte dort lcd.gl.ch das

«Otlng der obengenannten Gesellschaft am 5. Oktober 1971 Artistische Studium absolviert. Daß Luther mit dem „Ge-

* Nürnberg gehalten wurden. Das erste bringt „Des Pap- danken gespielt" habe, nach Paris zu gehen (S. 33), ist wohl

'tes und seiner Jünger Bücher. Eine neuentdeckte römische zu wenig. Von einem „erstaunlichen Selbstbewußtsein Lu-

;crteidigung und Antwort auf Luthers Schrift .Warum des thers" (S. 46) kann man nicht sprechen. Der S. 32. Ann. 62

,PaPstcs und seiner Jünger Bücher von Dr. Martin Luther erwähnte Teil des Handbuchs „Die Kirche in ihrer Gesch.chte

!£**«»t sind'". Das zweite behandelt „Aufhebung des Lu- stammt nur von Lau. Die Interpretation Baumers von Laus

'^'bannes? Kirchcngeschichtliche Überlegungen zu einer richtiger Feststellung (S. 16. Anm. 5) trifft nicht dessen Ab-

aktuellcn Frage" sieht. Wozu wird nach der Angabe der Stelle in der WA

Räumer ist der Ansicht, daß die bisherigen Darstellungen (S. 33. Anm. 68) unnötigerweise auf die Walchschc Ausgabe

. Js -utherpreesses fragwürdig seien, weil sie umstrittene verwiesen (S. 34. Anm. 69)? Die *J~J*&$J+'

,pUp,|en unkritisch verwendeten Fälschungen nicht erkann- lenden Angaben werden in Anm. 128 (S. 48) nachgeholt.

^ und Fehlinterpretationen gaben Er will sie deshalb Diese Auswahl zeigt, daß der Aufsatz nicht unwidcr-

hen°n hier zur Diskussion stellen, wenn auch eine einge- sprechen bleiben wird. Wir sehen der kommenden Diskus-

ndc Klärung der angeschnittenen Probleme einer spä- sion mit Spannung entgegen.