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Ausgabe:

1974

Spalte:

587-588

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Interpreting the Prophetic tradition 1974

Rezensent:

Fohrer, Georg

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Seite 1

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587

Theologische Literaturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 8

Zuletzt ist es dann auch dem Theologen von heute geboten
, zu fragen, ob und inwieweit er Herders Gedanken noch
aufnehmen kann, welche heute noch überzeugen können
und über welche die Zeit hinweggegangen ist. Aber auch
das kann nur in dem Bewußtein geschehen, dafj, wie unsere
historischen Einsichten, so auch unsere theologischen Aussagen
zeitgebunden sind; so rasch wie Willi oft, werden wir
auch mit dem Theologen Herder nicht fertig. Denn darin
behält Willi wieder völlig recht: Wissenschaftsgeschichte
ist Hilfswissenschaft zur Auslegung der Bibel, ihr größter
Nutzen die Einsicht in die Bedingtheit und Mannigfaltigkeit
eigener exegetischer Bemühung."

Die Arbeit von Willi liest sich nicht immer leicht; aber
auch sie zeigt, wie anregend Einzelarbeiten zur Theologiegeschichte
werden können und wie nötig sie sind. Es wäre
zu wünschen, daß die Lektüre dieser Arbeit dieselbe Wirkung
hat wie bei dem Rezensenten, der seine alte Herderausgabe
wieder hervorgeholt und studiert hat. Es lohnt
sich auch heute, Herder zu lesen.

Greifswald A. Jepsen

1 Vgl. Festschrift für Hanna Jursch S. 104. Leider hat er die weiterhin
geäußerte Absicht, einen Aufsatz über Herder zu schreiben, nicht
ausgeführt. Vielleicht wäre dann Willis Beurteilung der Äußerungen
Diestels über H. etwas gerechter ausgefallen; man muß z. B. wohl Die-
stel zugestehen, daß er Im Zusammenhang seines Werkes „Urkunde"
anders versteht als Herder es tat.

(Prophetic Tradition]: Interpreting the Prophetic Tradition.

The Goldenson Lectures 1955 - 1966. Introduction by
H. M. Orlinski. New York: KTAV Publishing House;
Cincinnati: The Hebrew Union College Press 1969.
XII, 343 S. gr. 8° = The Library of Biblical Studies, cd.
by H. M. Orlinski.

Der Band enthält die ersten zwölf Vorlesungen der Reihe,
die Samuel H. Goldenson anläßlich des 50. Jahrestages
seiner Graduierung durch das Hebrew Union College und
seiner Ordination zum Rabbi gestiftet hat. Wie Orlinski in
seiner kurzen Einleitung feststellt, betreffen einige von
ihnen das geschichtliche Bild der alttcstamentlichen Prophetic
während andere sich mit der Tragweite und den Folgerungen
der prophetischen Verkündigung für die heutige
Zeit und ihre Probleme befassen.

Zur ersten Gruppe gehören folgende Vorlesungen: Sh. H.
Blank, .Of a Truth the Lord hath sent me": An Inquiry into
the Source of the Prophet's Authority (S. 1-19). Sechs beweiskräftige
Gründe zeigen, daß Jercmia das Wort Gottes
verkündigt hat: die Erfüllung seiner Vorhersagen, seine einfache
Zusicherung, die Eliminierung anderer Quellen als
Gott, die Zurückweisung der Annahme der Täuschung oder
der Verwechslung seiner Gedanken mit dem Wort Gottes,
die Bestreitung des Vorwurfs der Häresie und die ethische
und rationale Art seiner Verkündigung entsprechend dem
Wesen Gottes. - W. F. Albright, Samuel and the Beginning
of the Prophetic Movement (S. 149-176). Unter Verzicht auf
eine literarische Analyse der schwierigen und zunächst widerspruchsreichen
Samuelüberlicferungen will der Vf. zeigen
, ..that Samuel was the first great rcligious reformer
after Moses and that he rejected - or diminished - the
spiritual rolc of priests and Levitcs at the same timc that
he turned to eestatie prophets and local sanetuarics to re-
place the Shilonic System . . .". Aus seiner Zeit stammt Dtn
32, das die religiöse Reform Samuels illustriert. - J. Ph.
Hyatt, The Prophetic Criticism of Israelite Worship (S.
201-224). Der Vf. führt fünf Gründe für die Verwerfung
des Kults durch die Propheten an: 1. Der prophetische Protest
wendet sich dagegen, daß man das Handeln Gottes
ganz oder überwiegend mit der Vergangenheit und nicht
auch mit der Gegenwart und Zukunft verband. 2. Der Protest
gegen den Kult entstand, weil dieser viele Elemente
enthielt, die ihn als magisches Handeln erscheinen ließen.
3. Der Kult orientierte sich zu sehr am Menschen mit seinen
Wünschen und Forderungen anstatt an den Forderungen
Gottes. 4. Der Protest richtet sich gegen die zu größe
Vertraulichkeit mit Gott, die Vermenschlichung seines Wesens
und die Betonung seiner Immanenz. 5. Er richtet sich
gegen die Vernachlässigung der ethischen Forderungen Gottes
, der im ganzen Leben Israels und nicht nur im formalen
Kult verehrt werden wollte. - H. M. Orlinsky, The So-called
„Suffering Servant" in Isaiah 53 (S. 225-273). Jes 53 bezieht
sich nicht auf Israel, sondern auf eine einzelne Person:
Dcuterojesaja. Jedoch war damit die Vorstellung von einer
Stellvertretung durch sein Leiden im Leben und Sterben
ursprünglich nicht verbunden. Sie ist ebenso wie seine Bezeichnung
als leidender Knecht schlechthin erst nach dem
Tode Jesu und als seine Folge in Jes 53 hincingelesen worden
. - R. de Vaux, Jerusalem and the Prophets (S. 275- 300).
Die theologische Bedeutung Jerusalems als Sitz der davidischen
Dynastie sowie als Stätte der Lade und des Tempels
hat sich im Lauf der Jahrhunderte stark gewandelt. Von der
Nathanverheißung 2. Sam 7 ausgehend führt der Vf. über
die Reichsspaltung und das jeweilige Verhältnis des Nordreichs
(Ahia von Silo) und des Südreichs (besonders Jesaja,
Jcremia und Ezechiel) zu Jerusalem durch die Überlieferung
und behandelt auch die nachexilische Zeit. Die Tradition
von der Unverletzlichkcit Jerusalems wird nicht aus der
geschichtlichen Situation von 701 v. Chr. (Rettung vor den
Assyrern), sondern von einer älteren jebusitischen Hcilig-
tumstradition hergeleitet.

Die Vorlesungen der zweiten Gruppe bedürfen keiner
ausführlichen Charakteristik. Absicht und Inhalt ergeben
sich aus ihren Titeln: A. Cronbach, The Prophets: Our Con-
currence and our Dissent (S. 21-41: prophetische Gedanken
, denen wir zustimmen, denen wir nicht zustimmen und
denen wir teilweise zustimmen können). - J. B. Agus, The
Prophet in Modern Hebrew Literature (S. 43-80). - L. H.
Silbcrman, Prophets and Philosophers: The Scandal of
Prophccy (S. 81-100: Interpretation alttcstamcntlichcr Prophetic
und Offenbarung durch mittelalterliche und moderne
jüdische Philosophen). - E. F. Magnin, The Voicc
of Prophecy in this Satellite Age (S. 101-121). - L. A. Olan,
The Stone, which the modern Buildcrs Rejected (S.123-147).
- L. I. Feuer, Prophetic Religion in an Age of Revolution
(S. 177-200). - B. J. Bamberger, The Changing Image of the
Prophet in Jewish Thought (S. 301-323: Überblick vom
Frühjudentum über die talmudische Zeit und das Mittelalter
bis zur Gegenwart).

In den Vorlesungen beider Gruppen wird - abgesehen
von den Beiträgen zur Auslcgungsgeschichtc - unter verschiedenen
Gesichtspunkten und unter Hervorheben verschiedener
Aspekte immer wieder sichtbar, welche grundlegende
Bedeutung die alttestamcntliche Prophetic für den
biblischen Glauben besitzt und welche überragende Rolle
ihre Verkündigung für unsere Gegenwart spielen kann.

Erlangen Georg Fohrer

Seybold, Klaus: Das davidischc Königtum im Zeugnis der
Propheten. Göttingen: Vandcnhoeck & Ruprecht 1972.
183 S. gr. 8° Forschungen zur Religion und Literatur des
Alten u. Neuen Testaments, hrsg. v. E. Käsemann u. E-
Würthwein, 107. DM 34.-; Lw. DM 38.-
Dic Thematik des vorliegenden Buches gehört zu einem
der weniger durchsichtigen Gegenstände des Alten Testaments
. Die Auswahl und die Verwertung der vorhandenen
Quellen bieten nämlich nicht leicht zu bewältigende Schwie"
rigkeiten, besonders, was ihre Zuweisung zu den überliefe"
ten Verfassern, ihre Datierung und ihre Erklärung betriff'-
Es ist deswegen erfreulich, daß ein junger Studiosus den M"1
gehabt hat, sich einem Gegenstand zu widmen, bei de"1
man sich leicht die Finger verbrennen kann. Die hcuti<Jc
Theologie und auch die Orientalistik brauchen Leute, wclchc