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Ausgabe:

1974

Spalte:

503-505

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Schmitt, Rainer

Titel/Untertitel:

Zelt und Lade als Thema alttestamentlicher Wissenschaft 1974

Rezensent:

Preuß, Horst Dietrich

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Theologische Literaturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 7

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selten über den Stand zur Zeit der 1. Auflage bis in die
Gegenwart weiterführt.

Die Änderungen und Ergänzungen gehen teils auf die
Weiterarbeit des Vf.s und anderer von ihm herangezogenen
Autoren, teils auf kritische Anregungen und Vorscldäge in
Besprechungen der 1. Auflage zurück, von denen der Vf. im
Vorwort die ausführliche Stellungnahme von W. Baum-
gartner in TUR NF 25 (1959), S. 93-110, eigens erwähnt.
Die außerdeutsche und nicht-evangelische Forschung und
Exegese ist nunmehr in erheblichem Ausmaß berücksichtigt
worden, während die kurzen Ausführungen über die Funde
in Ugarit und Qumran (S. 436f.; 439,482,509) auch bei
Beachtung der Grundabsicht des Buches unbefriedigend
sind.

Bei der Überarbeitung ist der Vf. manchmal in der Weise
vorgegangen, daß er den Text der 1. Auflage geändert hat;
wohl am stärksten ist dies in § 98 ,,Die Erforschung der
Prophctie" der Fall. Vor allem sind zahlreiche Erweiterungen
in Petit-Abschnitten in den Text eingefügt worden; so
verhält es sich in 73 der insgesamt 102 Paragraphen. Außerdem
zählt das Buch sieben Paragraphen mehr als die
1. Auflage (abgesehen von der Umformulierung einiger Überschriften
). Neu sind § 23 „Ideen des Zeitalters der Aufklärung
", § 45 „Schleiermachers Kritik am Allen Testament'"
(früher mit Hegel zusammengefaßt), § 64 „Wellhausens
, Israeli tische und jüdische Geschichte'", § 68 „Die alt-
testamentliche Wissenschaft in der römisch-katholischen
Kirche", § 89 „Forschungen zur Textgeschichte und Textkritik
" und § 99 „Weisheit und Apokalyptik"; ferner ist der
frühere § 68 aufgeteilt in § 72 „Die Assyriologie" und § 73
„Der Babel-Bibel-Streit". Im ganzen hat das Buch einen
stattlichen Zuwachs erfahren.

Die in ThLZ 82 erhobenen grundsätzlichen Bedenken
bleiben freilich bestehen. Auf die Frage des Vf.s „Ist das
traditionelle Gegenüber von historischer Kritik und heils-
geschichtlicher Theologie nun auch in einem Zeitpunkt nicht
zur Ruhe und zum Ausgleich gelangt, in dem ein gegenseitiges
Verstehen doch durchaus möglich sein sollte?"
(S. 502) muß die Antwort lauten: Nein, einen solchen Ausgleich
kann es nicht geben, weil die heilsgeschichtliche
Theologie eine Verfälschung des Alten Testaments einschließt
.

Erlangen Georg Fohrcr

Schmitt, Rainer: Zelt und Lade als Thema nltlcstainenllicher
Wissenschaft. Eine kritische forschungsgeschichtlichc Darstellung
. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn
[1972]. 342 S. gr. 8°. Lw. DM 64,-.

Der Titel läßt ein forschungsgeschichtlichcs Werk vermuten
. Der IL'iuptvor/.ug dieser Arbeit — einer leicht überarbeiteten
Münsterancr Dissertation aus dem Jahr 1970 —
ist, daß sie erheblieh mehr bietet, nämlich einerseits eine oft
gründliche Behandlung der einschlägigen alttestamcntlichcn
Texte, andererseits zwischengeschaltete oder zusammenfassende
eigene Stellungnahmen des Verfassers, welche die
weitere Forschung sehr bereichern und ausrichten werden.

Die Einleitung (S. 13—16) skizziert Aufgaben und Methoden
der Untersuchung. „Zelt" und „Lade" sollen sowohl
nach ihrer jeweiligen Herkunft, Eigenart und ihren Funktionen
als auch in ihrem Verhältnis zueinander befragt
werden. Dabei soll der „Sitz im Leben" der Forschungsthesen
dargestellt und methodenkritisch durchleuchtet werden
. Diedabci notwendig miteinfließenden eigenen Stellungnahmen
sollen in Petitdruck geboten werden, was zwar
überwiegend geschieht, dann aber auch schnell die Schwierigkeiten
trotz allen guten Willens offenbart (vgl. nur
S.56ff.).

Ein kurzer Teil A (S. 17—48) bietet die forschungsgc-
schichtlichen Voraussetzungen des Themas sowie seine ersten

Entfaltungen aus der Zeit von de Wette bis Wellhauten dar
(auch Äußerungen der „Konservativen" — hier z.U. H.
P'wald!), wo durch die kritische Erforschung von Dtn und
P die Probleme sich erst herausbildeten: Wie verhält sich
die Stiftshütte von P zum Zelt von Ex 33,7—11; Num 1H.
wie sich die Lade aus Ex 25,10—22; 37,1—9 P zu der in den
älteren Texten (Num 10,33—36 alt? Jos 3f.; 6 usw.). Am
Ende des Teils formuliert der Vf. zusammenfassende Fragen
und methodologische Erwägungen, die er dann in den drei
weiteren Teilen der Arbeit verfolgt. Die häufiger eingeblendeten
Zusammenfassungen zeigen das didaktische
Geschick des Vf. und erleichtern dem Leser die Lektüre.

Der große Teil B (S. 49—147) geht den Fragen nach Aussehen
, Inhalt, Funktion(en) der Lade nach sowie der Art der
mit ihr verbundenen Vorstellung der Gottesgegcnwart. Dies
geschieht nun zum Glück nicht so, daß jeweils der historische
Gang der Forschung nachgezeichnet wird, sondern die
historische Darstellung ist au Sachproblcmc gebunden bzw.
an die wichtigsten Textgruppen, so daß zugleich mit dem
Kennenlernen des historischen Gangs der Forschung der
Leser auch in Sachfragen weitergeführt wird (vordtu. Texte
zur Lade?; Alter und Inhalt der Ladesprüchc; dtr. Interpretation
; Herkunft und Geschichte der Lade; ihr Inhalt
und das Verhältnis Lade—Gottheit; Funktionen der Lade;
gab es mehrere „Laden"? usw.). Die Fülle des referierten
Forschungsmaterials sowie der diskutierten Gesichtspunkte,
Texte, Thesen verbietet hier ein genaueres Referat. Die
Zusammenfassung der eigenen Stellungnahmen (S. 173f.)
ergibt jedenfalls, daß die Lade (als ein einfacher Holzkasten)
von nomadisierenden Gruppen, die später zu den mittel-
palästinischen Stämmen gehörten, aus der Steppe mitgebracht
wurde. Sie war kein leerer Gottesthron, auch kein
Thronschcmcl, sondern eher ein wirkmächtiges Symbol, ein
machlhaltiges Unterpfand von Jahwes Gegenwart, mehr
Kriegspalladium als Prozessioushciligtiim, wenn auch nicht
allein auf den Jahwekrieg bezogen (hierbei u. a. Exkurse
über „Jahwe Zebaoth". „Jahwe der Kerubenthroner").

Teil C (S. 175—255) skizziert wiederum zuerst die forschungsgeschichtliche
Situation betr. „Zelt der Begegnung",
wie sie durch die Arbeiten Wellhausens und anderer (Sellin,
Uartmann, B. Luther usw.) ergab. Dann werden die Texte
und Nachrichten über das heilige Zelt analysiert, d. h. die
Texte vor P mit den Fragen nach eigener „Zelt-Version"
(Lehining), dem Davidszelt und seiner Herkunft wie Geschichte
, der Gibeon-Tradition; dann dem Verhältnis dieser
Texte zu P, die Frage nach möglichen Zwischengliedern, der
traditionsgeschichtlicheu Ilerleituug von P betr. Stiftshülte;
die für P typischen theologischen Begriffe werden untersucht
(miskan u. a.), und es ergibt sich, daß ein altes Be-
gcgnungszelt als Orakelheiliglum bei JEbckannt war, wenn
auch seine Herstellung („Textverlust, spätestens bei R p")
nicht erzählt ist; es war leer, höchstens mit Orakelgerät
Vielehen, Jahwe wohnte dort nicht, sondern fand sich je und
je ein; P arbeitet mit Jerusalemer Tempeltraditionen seine
Theologie der Stiftshütlc aus, hat den vorexilischen Tempel
als Vorbild und gestaltet „(Juasi-Rituale" (Görg), in denen
er echte nachbildet.

Teil D (S. 256-303) geht dem Verhältnis von Lade und
Zelt nach, indem erneut Voraussetzungen und Beginn der
Diskussion (bis 1917) sowie deren weiterer Fortgang und
Entfaltung geschildert werden. Wie in Teil B wird auch hier
die These einer „Lücke" vor Ex 33,7 abgelehnt («In» umstrittene
In beziehe sich dort wahrscheinlich auf Jahwe!) und
schließlich die These vertreten, daß Zelt und Lade Heiligtümer
verschiedener Gruppen gewesen seien (Zelt : südpa-
lSstinische Gruppen um Hebron), wobei die Geschichte beider
zu verfolgen versucht wird. Eine Schlußbetnichtung
(S. 304-310) versucht die unterschiedlichen Gotlescrfnhrnn-
gen und Gottcsansehauungen von Lade und Zelt (gegenwärtiger
und ferner Gott usw.) in ihren theologischen Folge"
und Folgerungen kurz zu skizzieren.