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Ausgabe:

1974

Spalte:

460-461

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Conciliorum oecumenicorum decreta 1974

Rezensent:

Haendler, Gert

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459

Theologische Literaturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 6

460

Titel noch einmal direkt thematisiert. Hier wird im Anschluß
an eine „Theologie der Revolution" vieles und
Wichtiges ausgeführt: z. B. zur „Kirche als Trägerin des
fundamentalen Sinnes der Welt", wofür die heutige
Welterfahrung eine Offenheit hat; oder zur „Beteiligung
der Kirche an der Befreiung des ideologisierten Menschen
". Aber das Konzil ist mit seiner „Kirche als
Sakrament" aus dem Horizont verschwunden, und man
weiß nicht mehr genau, wie diese „revolutionären" Gedankengänge
mit dem Akzent „Welt als Sakrament"
zum vorher Gesagten sich verhalten.

Es soll betont werden, daß damit nicht die Intention
des Vf.s in Frage gestellt werden soll. Im Gegenteil soll
diese Orientierung, die in der Hauptthese des Buches
herausgestellt wird, begrüßt werden. Aber die Beweiskraft
der Darstellung hätte mehr gewonnen, wenn der
Vf. z. B. den wenigen Andeutungen einer (u. a. juristischen
) Verengung des Kirchenbegriffes in der katholischen
Tradition eine entschiedenere Kritik entgegengebracht
hätte. Denn alles läßt sich trotz guten Willens
doch nicht mit der Tradition seit der Väterzeit bis zur
Scholastik vereinbaren. Hier zu harmonisieren bedeutet
eigentlich, das Argument zu entkräften. Denn „sakramentales
Denken" (und dazu: „im Horizont der Welterfahrung
") ist doch etwas anderes, als was die Schultheologie
über das Sakrament zu sagen hatte.

Mit Zustimmung erfährt man die Kritik des Vf.s zum
traditionellen Kirchenbegriff als eine „fortdauernde
Inkarnation". Die Verwendung der christologischen
Parallele in der Ekklesiologie haben schon viele katholischen
Theologen behutsam begrenzt. Die Frage ist aber,
ob nun der Vf. mit seinem Anschluß an einen Gedankengang
pneumatischer Begründung nicht in eine andere
Einseitigkeit gerät, die nicht wenige Risiken enthält.
Ein evangelischer Theologe könnte z. B. kaum dem Satz
zustimmen, „daß Kirche in ihrer geschichtlichen Gestalt
nicht allein auf dem Wort des historischen Jesus beruht,
sondern auch auf der im Heiligen Geist gesetzten Entscheidung
der Apostel" (S'. 363). Die Folgerungen aus
dieser These sind ja klar. Wo Kirche so begründet wird,
verschwindet auch die Notwendigkeit, die Sakramente
;ius der Einsetzung Christi zu begründen. Sie können
aus dem ..Ursakrament" Kirche gesetzt werden. Es ist
eigentlich bemerkenswert, wie diese Art sakramentalen
Denkens sich mit derjenigen Tillichs berührt (Sakramentsfähigkeit
der Natur), der ja für die Sakramente
keine „Einsetzung" postulieren muß. Damit wird aber
einsichtig, daß das sakramentale Denken erst dort
Durchschlagskraft haben kann, wo Gottes Handeln in
Christus durch den Heiligen Geist in die Gegenwart
versetzt wird. Damit ist aber etwas anderes gemeint als
mit einer „Entscheidung der Apostel". An diesem Punkt
spricht die evangelische Theologie vom Glauben, der
vom Heiligen Geist erweckt wird, der dann die Welt als
Gottes Schöpfung entdeckt und mit Wort und Danksagung
heiligt. Hier eröffnet sich ein sakramentales
Denken — durch den Glauben, der an die konkreten
..Sakramente" sich bindet, um die Welt als Sakrament
von Gott zu empfangen. Aber von diesem Glauben ist
in diesem dicken Buch erstaunlicherweise kaum die
Rede, jedenfalls nie in dieser Perspektive. Hier tritt für
den katholischen Verfasser ..die Kirche" an die Stelle.
Aber welche Kirche?

In einem Kapitel geht der Vf. der Frage ..der katholischen
Kirche als Ganzsakrament und der sakramentalen
Struktur der nichtkatholischen Kirchen" nach. Verglichen
mit der Breite, in der andere Fragen behandelt
werden, tritt dieses eminent ökumenische Problem in
sehr mangelhafter Kürze auf. Die „institutionell vollkommene
Kirche" läßt sich hier nur durch ihre ..konkrete
" und „aktuelle" Verwirklichung in Frage stellen.
Aber wenn man struktur-funktionalistisch denkt, wie
dies beim Vf. grundsätzlich geschieht, so muß gerade von
der „funktionellen" Anerkennung her auch eine „strukturelle
" Anerkennung der nichtkatholischen Kirchen
ermöglicht werden. Dies ist das grundsätzliche evangelische
Bedenken gegenüber dem katholischen Kirchenbegriff
. Wer von den evangelischen Theologen würde
sich in folgender grundsätzlicher Formulierung des Vf.s
wiedererkennen: „Das katholische Verständnis geht davon
aus, daß die letzte Frage des unruhig suchenden
Herzens nicht in der Frage nach Gott schlechthin liegt,
sondern in der Frage nach dem gegenwärtigen und
sakramentalen Gott. Diese Grundvoraussetzung ist gewiß
in der evangelischen Theologie z. B. wegen ihrer
starken Betonung des Worthaften und Ereignishaften
schwer vollziehbar" (S. 418) ? Richtete sich doch Luthers
Protest eben gegen einen Deus nudus im Gegensatz zu
einem Deus revelalus in carne involutus und damit
praesentissimus! Daß Luthers Protest gegen „die abergläubischen
Tendenzen des katholischen Volkes" später
„in einen Protest gegen das Stoffliche im Sakramentsgedanken
" entartet wäre, kann unglücklicherweise nur
dann behauptet werden, wenn Luther mit Bultmann
ausgelegt wird (S. 479). Es sei damit nur angedeutet, daß
die Ausführungen des Buches vom ökumenischen Gesichtspunkt
her nicht befriedigen können. Eine größere
Genauigkeit in einer kontroverstheologischen Schriftenreihe
wäre hier angebracht gewesen Denn die Belesenheit
des Vf.s ist in der gegenwärtigen katholischen Literatur
geradezu überwältigend. Es ist gerade die methodische
Anlage des Buches, die sachlich dadurch gewonnen
hätte, einiges per longum et latum Ausgeführtes
einzusparen und anstelle dessen diese mit der Ekklesiologie
grundsätzlich zusammenhängende Problematik
besser zu beachten.

Der reiche Inhalt dieses Buches und die breite Problematik
, die darin angesprochen wird, erlauben einem
Rezensenten nur einige — wie es ihm scheint — wesentliche
Punkte für ein ekklesiologisches Gespräch zwischen
den theologischen Traditionen herauszuheben. Als Zustimmung
zur Grundtendenz sollen die angebrachten
kritischen Fragen verstanden werden. Denn es handelt
sich um eine wichtige, fleißige Arbeit. Die hier erörterten
Probleme werden uns nicht loslassen. Es wird aber
sicherlich keine Abwertung, sondern im Gegenteil ein
Lob für dieses Buch bedeuten, wenn die weitere Diskussion
viel mehr mit den vom Vf. angeführten Autoren
als mit ihm selbst geführt werden muß.

Genf VilmosVaJta

Conciliorum Occumenicorum Dcrrcta. Curantibus J-
Alberigo, J. A. Dossetti, P. P. Joannou, C. Leonardi,
P. Prodi. Consultante H. Jedin, III. Bologna: Istituto
perleScienze Religiöse 1973. XXIV, 1135 S.. 169* S. 8°-

Die grundlegende Bedeutung des Quellcnbandes als
objektives Informationsmittel wurde bereits für seine

1. Auflage, die bei Herder 1962 erschienen war, in der
ThLZ festgestellt (89, 1964 Sp. 444-46). Damals bezeichnete
sich der Band als „ein notwendiges und unentbehrliches
Textbuch für alle Teilnehmer und Konsultoren
des 2. Vatikanischen Konzils Inzwischen ist. jenes

2. Vatikanische Konzil abgeschlossen und nun ebenfalls
in den Textband eingegangen. Auf rund 300 Seiten werden
die entscheidenden Texte gebracht: Die Constitut'0
de sacra liturgia und das Decretum de instrumenta
communicationis socialis vom 4. 12. 1903 (S. 820—49) so'
wie die Constitutio dogmatica de ecclesia, das Decrcturn