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Ausgabe: | 1974 |
Spalte: | 387-400 |
Kategorie: | Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft |
Autor/Hrsg.: | Goodall, Norman |
Titel/Untertitel: | Ecumenical Progress 1974 |
Rezensent: | Althausen, Johannes |
Ansicht Scan: | Seite 1, Seite 2, Seite 3, Seite 4, Seite 5, Seite 6, Seite 7 |
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Theologische Literaturzeitung 99. Jahrgang Nr. 5
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zu widerlegen; so präsentierte noch 1963 F. X. Tsuchiya ein
japanisches Rituale (Nagasaki 1605) als „das älteste bekannte
Missionsrituale"; Baumgartner macht darauf aufmerksam
, daß das erste eigenständige und umfallende
Rituale, das in den mexikanischen Diözesen zur Verwendung
kam — das „Manuale Sacramentorum" von 1560 — genau
45 Jahre älter ist (II, 02ff.); noch älter ist das „Manual de
Adultos" von 1540, das — obwohl von ihm nur Fragmente
erhalten blieben — doch als das „erste pastoralliturgischc
Handbuch der Neuen Welt" gelten darf (II, 25ff., 3511.).
Die Fülle des vom Vf. zusammengetragenen Materials
macht es unmöglich, seine Darstellung auch nur abgekürzt
zu reproduzieren. Selbst eine einfache Inhaltsangabe würde
den Rahmen dieser Besprechung sprengen. Deshalb müssen
einzelne Hinweise genügen. Hinzu kommt — und das macht
die Darstellung freilich in besonderer Weise interessant—,
daß der Vf. sich keineswegs auf missions- bzw. liturgie-
gcschichtliche Spezialuntersuchungen beschränkt. So setzt
Bd. I ein mit einem beachtlichen Versuch, den „geistigkulturellen
Hintergrund" zu erhellen, auf dem sich die
geistlich-liturgische Konquista — „la conquista espiritual" —
vollzog: Die mexikanische Wirklichkeit des 16. Jh.s in der
Konfrontation mit. der geistigen und geistlichen Haltung der
Eroberer (I, 22ff.), die hier — völlig unvorbereitet — auf eine
total neue Welt, einen gänzlich unbekannten Menschentyp
und auf eine „bis anbin nie erfahrene Religion" (1, 415)
treffen, die doch auch wieder erstaunliche Bezüge zu christlich
-katholischen Frömmigkeitsformen aufweist und so die
.Neuankömmlinge in Frschrecken versetzt (1,6 ff., 14 ff.,
46 ff.). Wie die beiden Welten im Vorgang der Missionierung
aufeinanderprallen, wie die Missionare dem indianischen
Mensehen, der aztekischen Kultur und Religion begegnen,
wie sie auf dem Boden dieser total anderen Welt eine neue
Kirche begründen — der Bericht hierüber gehört zu den
interessantesten, sicher aber auch anfechtbarsten Passagen
des Werkes (1,41 ff.). Was den Leser hier vor allem frappiert,
ist die im ganzen erstaunlich positive Wertung, die die
politische und geistliche — Konquista durch den Vf. erfährt:
Die militärischen und geistlichen Konquistadoren Werden als
von humanistischem Geist geprägte „Renaissancemenschen"
beschrieben, „in denen sich Realismus und Idealismus, erdnahe
Einstellung und hochfliegende Zukunftspläne paarten"
(1,29 ff.). Es ist sicher mehr als Verharmlosung, wenn der
Vf. meint, die Anwendung rauher Methoden durch die
Conquistadores espirituales _ auch die Anwendung körperlicher
Züchtigungen — mit dem Hinweis auf die besondere
Mentalität der Indios entschuldigen zu müssen (1,44 u. ö.).
Der Vf. widmet ein eigenes Kapitel (1,129 ff.) dem Thema
„Zwang und Freiheit in der Mexiko-Mission" ; hier kommt er
zu einem Schluß, der in seiner vorsichtig-euphemistischen
Ausdrucksweise bezeichnend ist für die ganze Art der Darstellung
: „Es ist klar, daß jede Form von Gewaltanwendung
im Werk der Bekc hrnng abgelehnt werden muß. In diesem
Punkt aber blieben die allermeisten Missionare, den allgemeinen
Auffassungen ihrer Zeit verhaftet, hinter dem
Ideal Las Casas' zurück" (1,143). üb es sich bei den Indios
um „Menschen oder Tiere" handelte, war unter den Eroberern
durchaus umstritten; der Vf. stellt diese Diskussion,
von der entscheidend die Liturgie- und Sakramentenfähigkeit
der Eingeborenen abhing, in einein weiteren
Kapitel (1,116 ff.) ausführlich dar; er weist dabei besonders
auf das positive Engagement von Paul I II. für die Menschenwürde
der Indios hin (1,122 ff.). Der Vorwurf, der immer
wieder gegen die Mexiko-Mission erhoben wird — und der
sich ja auf gewisse Erscheinungen im gegenwärtigen lateinamerikanischen
Katholizismus stützen kann —, daß diese
Mission nämlich nur zu einer oberflächlichen Christianisierung
geführt habe, verbunden mit einein tiefvcrwiirzellen,
unausrottbaren Synkretismus, wird vom Vf. mit Vehemenz
zurückgewiesen: „Indes behaupten zu wollen, die Indioä
hätten nur die rein äußerliche Seite der Liturgie erfaßt,
während der Grund ihrer Seele heidnischen Vorstellungen
verhaftet blieb, schmälert zu Unrecht die Verdienste der
Missionare" (1,114).
Den Großteil seiner Darstellung widmet der Vf. nun
allerdings der Schilderung der sakramentalen und liturgischen
Vollzüge in den mexikanischen Missionsgebieten.
Dabei werden die einzelnen Handlungen nicht isoliert betrachtet
, sondern in den Kontext des gesamten Missiuns-
gcseheliens, in den Kontext der besonderen missionarischen
Situation hineingestellt. So wird z. 15. (1,144 ff.) nicht nur
die Tauffeier als solche beschrieben, sondern auch die
prähapiismalc I nterweisung, die Nachbereitung der Taufe,
die postbaptismale Katechese, die Hilfsmittel bei der
religiösen Unterweisung — kurz, der gesamte Vorgang der
Katechesation geschildert. Auch Hinweise auf Taufzahlen
und Tuufqualit ät, Taulnniuen und Patenschaft fehlen nicht;
besondere Schwierigkeiten, die sich für die Taufpastoral aus
der missionarischen Situation ergaben, werden erörtert
(1,219 ff.). Ähnlich umfassend und instruktiv werden auch
die übrigen sakramentalen bzw. liturgischen Vollzüge abgehandelt
: das Sakrament der Firmung (1,222 lt.), die Feier
der Eucharistie (1,226 ff.), das Sakrament der Buße (1,264
ff.), das Sakrament der Krankensalbiing (1,284 ff.), das
Sakrament der Ehe (1,293 ff.), die Feier des Sonntags und
der Feste im Kirc henjahr (1,322 ff.), St undcngeliel, Toten-
liturgie und Prozessionen (1,346 ff.), Andachten, christliches
Brauchtum und Heilige Schrift (1,358 ff.). Besonderes
Interesse verdient das Kapitel über die aktive Teilnahme der
Eingeborenen um Gottesdienst (1,387 ff.); folgt man der
Darstellung des Vf.s, so stellt, die liturgische Adaption
indianischer Musik und indianischer Gesänge in der Tal
„eine beachtliche Leistung missionarischer Anpassung" dar
(1,397); Schwierigkeiten ergaben sich für die Missionare vor
allem ans der t radit ionellen Tanzfreudigkeit der Indios; aber
auch hier versuchten einige Missionare — zum Teil gegen den
Widerstand de» Kirche —„die alten Tänze zu ven Ii rill Hellen"
(1,404).
Man muß es ausdrücklich bedauern, daß es im Kähmen
dieser Besprechung nicht möglich ist, näher auf die Fülle
überaus interessanter Einzelheiten einzugehen, die der Vf. zu
den einzelnen Themenkomplexen zusammengetragen hat.
Der Vf. selber unternimmt den Versuch, in einem kurzen
„Rückblick" die Fülle des Materials zusammenfassend zu
werten; das Urteil, das er über die Mexiko-Mission im
allgemeinen und die liturgische Arbeit di r Missionare im
besonderen fallt, entspricht jener Tendenz, die zu Beginn der
Darstellung schon deutlich wurde: man gelangt angesichts
der Tatsachen, sofern man sie im damaligen geschichtlichen
Kontext betrachtet, zum eindeutigen Schluß,
daß die hellen Seiten bei weitem überwiegen" (l/ill). Der
Vf. hebt besonders den „Willen zur Adaptation" hervor,
der — freilich mehr emotional als theologisch begründet
dir Mexiko-Missionare kennzeichnete : ..Obwohl sie sich in der
theologischen Bewertung des Heidentums die damaligen
negativen Kriterien zu eigen machten, ließen sie im missionarischen
Alltag, speziell was die Liturgie angeht, ständig
Rücksicht auf Vorgegebenes walten; sie gelangten zu einem
hohen Grad des Vcrstchens dessen, was diesem durch und
durch religiös veranlagten Schlag nottnt" (1,416). Freilich,
verschweigt der Vf. auch nicht die zeitbedingten Schranken,
die dem Adaptionsprozeß gezogen waren: „Die Indigeni-
sierung drang nicht bis ins Herz der Liturgie vor . . . Die
Kirche von damals verstand es nicht, die kulturellen und
religiösen Reichtümer des Landes, in dem sie Wurzeln zu
schlagen begann, ihrem gottesdienstlichen Leben einzuverleiben
" (1,412).
Bleibt noch ein kurzer Hinweis auf Band II der Darstellung
, der im wesentlichen einige liturgie- und missionsgeschichtlich
interessante Quellen bietet: Das bereits erwähnte
Mexiknnense aus dem Jahre 1500 — das „Manuale
Sacra.....iitorum secundum usum Ecclesiae Mexicanae" —
wird ediert und kommentiert (11,62 ff.); auch die vom
„Manual de Adultos" von 1540 erhaltenen Fragmente