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Ausgabe:

1974

Spalte:

386-389

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Baumgartner, Jakob

Titel/Untertitel:

Mission und Liturgie in Mexiko 1974

Rezensent:

Bieritz, Karl-Heinrich

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1385

Theologische Literaturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 5

:i8C

Es ist dem Rez. nicht möglich, ihren Gang hier im einzelnen
aufzuzeigen. Warum gerade das A. solch eingehender
Erforschung wert ist, wird vor allem vom 3. Kapitel her
verständlich, in dem der „Sinn des A. als Canticum novum"
dargestellt wird (13 — 22). Gegenüber seinem Verständnis im
Alten Bund, wo es mehr eschatologisch uls Bekenntnis zu
einer erhofften Zukunft empfunden wird, liegt im A. der
Christen das Bekenntnis: Das Reich Gottes hat schon mit
Christi Auferstehung und Erhöhung begonnen. Die A.-
Akklnmuliunen sind als neues Lied der Christen erst durch
ihres Herrn „Thronbesteigung" möglich geworden. Nicht
ohne Grund mag uns ihre erste liturgische Verwendung im
Papyrus von Fnyum gerade zu Beginn des 4. Jh.s begegnen:
es ist jn die Zeit des Mailände r Edikts, und da mag das
Siegesgefühl der Kirche, die über alle Verfolgungen zulclzi
triumphieren darf, das A. in ihren Gottesdienst eingefügt
haben. Vielleicht waren es zur Zeit der dogmatischen
Streitigkeiten ähnliche Empfindungen des Sieges der Hechtgläubigkeit
über alle Häresien, die dem liturgischen Gebrauch
des A. weiteren Auftrieb gaben. Während nun in der östlichen
Liturgie, die sieh ja zumindest seit dem 5. Jh. als
Bild der himmlischen versteht, das A. geradezu Teilhabe am
Lobdienst der Engel bedeutet, kennzeichnet den Westen und
zumal Born eine Sehen vor Emotionen und damit einem
Überschwang auch der Ereudc, die sich nicht in Worten
ausdrücken kann. Iiier weiß die Liturgie darum, daß wir
erst auf dem Weg zum Eschaton, zur Vollendung und zum
Jubel der Ilimmelswelt sind. Darum wird hier aus der
liturgischen Vorwegnähme bereits der eschatologischen,
himmlischen Ereude die Ereude des von Gott zwar in seinem
Herzen berührten Menschen, der aber doch zugleich immer
neu um diese Freude ringen muß. Iiier gilt darum auch:
„Die Mysterien von Sünde und Gnade werden ,erlcbbar', so
daß in der Fastenzeit ein A. seelisch nicht möglich ist" (17)
(im Unterschied zur östlichen Liturgie). Neben diesem theologischen
Gehalt arbeitet der Vf. ein gegenüber der bisherigen
Forschung neues Verständnis des A. in bezug auf
Minen Ort in der Liturgie, nämlich als der zweite Gesang
zwischen den beiden Lektionen der Messe, heraus. Indem man
in der Forschung die Zusammengehörigkeit von Lectio und
Rcsponsum oder l'salm zur konstitutiven Regel erhob, hat
DU das A. nur als „Zwischengesang" zwischen Epistel und
Evangelium gewertet. Der Vf. kann nun m. E. schlüssig
nachweisen, daß nach dem Vorbild der in Rom bekannten
Jerusalciner Liturgie auch in Rom „die Frohbotschaft nicht
°ls Lesung im Sinn der anderen Texte behandelt wird; sie
setzt nicht fort, sondern wird abgetrennt und durch das A.
Ingekündigt. Die Episteln dagegen gehören trotz ihrer
deutlichen Bindung nn das Evangelium zur Einheit der
eigentlicher] Lektionen" (19). Das A. wird hier also zur
Begrüßung des Herrn, der im Evangelium zugegen ist.
Schon die liturgische Gestaltung der Evangelienlcsung und
speziell das ihr vorausgehende „Per evangelia dicta deleantur
"oslra delicta" hätten übrigens davor bewahren müssen, es
w'e bisher üblich den anderen Lektionen ohne weiteres gleichzustellen
.

Eine Nenbelehung des A. beule kann für den Vf. nicht
durch Wiedererweckung seiner vergangenen Kunslformen
•rhofft werden. Sie setzt eine Freud« des Herzens voraus
»oder vielmehr das Verlangen, etwas zu sagen, ,quod nec
verhis, nee syllabis, nee litleris, nec voce' — heute würde es
beißen müssen, nicht mit der Sprach« der Worte noch d«r
Sprache der Musik, also weil dem armen Mensehen keine
■Bdere Wahl bleibt, Dttr mittels des Schlagzeuges-etwa „po-
*'!st crumpere" (100). Heute wird es dann „mehr ein Celcuma
'=a taktniäßige Kommandorufe des Hudcrmeisters) sein
m»sscii ... bis aus diesem Celcuma der Pilgerschaft, dem
'•"'"us novns d«s homo novus unserer Zeit, jenes A. wird,
nach Augustiii ,Cihus' und ,Potus' ist, .Quies cordis'"

Ein Literaturverzeichnis und ein ausführliches Register

vervollständigen das Buch, in dem man eine Anzahl Druckfehler
gern hätte vermieden gesehen.

Greifswald William Nngel

Baumgartner, Jakob, Dr. theol., SMB: Mission und Liturgie
in Mexiko. I: Der Gottesdienst in der jungen Kirche Neuspaniens
. XIV, 422 S. II: Die ersten liturgischen Bücher
in der neuen Welt. VIII, 399 S. Schöneek/Bcckenried
1971/72. gr. 8°= Neue Zeitschrift für Missionswissenschaft,
hrsg. vom Verein zur Förderung der Missionswissenschaft,
Schöneck, Supplementa XVIII u. XIX. Je sfr. 46, — .

„In den Dingen, die den Glauben oder das Allgemeinwohl
nicht betreffen, wünscht die Kirche nicht eine starre Einheitlichkeit
der Form zur Pflicht zu machen, nicht einmal
in ihrem Gottesdienst; im Gegenteil pflegt und fördert sie
das glanzvolle Erbe der verschiedenen Stamme und Völker;
was im Brauchtum der Völker nicht unlöslich mit Aberglauben
und Irrtum verflochten ist, das wägt sie wohlwollend
ab, und wenn sie kann, sucht sie es voll und ganz
zu erhalten. Ja, zuweilen gewährt sie ihm Einlaß in die
Liturgie selbst, sofern es grundsätzlich mit dem wahren und
echten Geist der Liturgie vereinbar ist ..." (Liturgic-
konstitution, 37). Kein Zweifel, daß die vorliegende Untersuchung
zum Thema „Mission und Liturgie in Mexiko"
angeregt und ermöglicht wurde durch diese Erklärung des
II. Vatikanischen Konzils; der vom Konzil in diesem
Zusammenhang aufgenommene und legitimierte Begriff der
'aptatio' (LK 38, 39, 40, 44 u. ö.; vgl. auch das Stichwort
,accomodatio') mußte römisch-katholische Missionswissenschaftler
und Liturgiker ermutigen, den Spuren früherer
,aptationes' und ,adaptationes* in der Missionsgeschiehte
nachzugeben und die liturgische Entwicklung einzelner
Missionsgebiete zu erforschen — nicht nur aus missions- oder
liturgiegesebichtlicbem Interesse, sondern mit der erklärten
Absiebt, die Geschichte früherer Adaptions- und Akkn-
modationsprozesse für die Forcierung und Steuerung der
gegenwärtigen Entwicklung fruchtbar zu machen; einer
liturgischen Entwicklung, die gerade in den historischen und
neueren Missionsgebielen in einem Tempo, das vor Jahren
noch keiner zu erahnen gewagt hätte, in Richtung auf eine
immer stärkere Dezentralisation und Anpassung des gottes-
dienstlichen Lebens an die kulturellen Eigenheiten der betroffenen
Völker und Volksgruppen drängt.

Die umfangreiche Untersuchung, die J. Baumgartner
jetzt für das historische Missionsgebiet Mexiko vorlegt,
entspricht ganz dieser Tendenz: „Ein Thema wie das vorliegende
wäre vor einigen Jahrzehnten aller Wahrscheinlichkeit
nach mit etwelchem Erstaunen aufgenommen
worden. Besteben denn in den überseeischen Kirchen gottes-
dienstliche Kigentruditionen, mit denen an belassen ei sich
überhaupt lohnt?" (I, XI). Die Frage stellen, heißt für den
Vf., sie zu bejahen; und dem Beweis dieser These — der
freilich nur mit Einschränkungen gelingt — widmet er die
über 850 Seiten seiner zweibändigen Untersuchung. Daß er
hierbei eine bestimmte Tendenz verfolgt, wird an mehr als
einer Stelle deutlich: Wahrend die Adaptionsbemühungen
vor allem der Jesuiten in den ostasiatischen Missionsgebieten
in das allgemeine Bewußtsein durchaus eingegangen sind,
wurde ähnlichen Bemühungen im lateinamerikanischen
Raum bisher so gut wie keine Beachtung geschenkt: „Vergleicht
man das pastoralliturgische Wirken der Missionare
des 16. Jh.s in Neuspanien mit demjenigen im Fernen
Osten . . ., kommt man zum Schluß, daß die Mendikanten
Mexikos sich mit ihren Leistungen sehen lassen dürfen.
Vielleicht reflektierten sie weniger bewußt und systematisch
über gottesdienstliche Adaptation als die Jesuiten in .Ostindien
', in der Praxis jedoch beschritten sie ebenso kühne
Wege" (I, 422). Im Beweisgnng für diese These gelingt es
dm Vf., auch ausgesprochene liturgiehistorische Fehlurteile