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1974

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Systematische Theologie: Allgemeines

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Theologische Literalurzeitung 99. Jahrgang 197ri Nr. 5

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aml. stiftete (vgl. S. 302, 3'21f.) und daß sich aus der Fülle
der Ämter und Dienste gegen Ende der neutcstamcntlichen
Zeit die Trias: Bischof, Prcshyler, Diakon (Witwen und
Diakonissen) heraushob (S. 323f.). Die Kirchengeschichte
ihrerseits lehrt, daß sich die Vorstellung einer Priesterweihe
zum Vollzug des Meßopfers sowie die Thesen von einem
•laben- oder neunstufigen Ordo erst parallel zum mittelalterlichen
Sakramentsbegriff herauskristallisierten (S.313f.).
w eini null das Vatikanum II erneut das Bischofsamt ins
Zentrum rückt und allein als Nachfolge des Apostolates
WWtet, so kehrt es zugleich die mittelalterliche Zuordnung
von Priester- und Bischofsweihe um. Nicht mehr konzentriert
sich das Sakrament in der Priesterweihe und wird
dem Bischofsamt lediglich eine höhere Ehrcnstcllung und
weilgreifendcre Gewalt zugesprochen (S. 313), vielmehr ist
die Bischofsweihe „das eigentliche Weihesakrament und alle
anderen Weihen können nur Teilhabe an diesem Sakrament
sein, so wie sie Gehilfen und Mitarbeiter für die Bischöfe
in der Kirche zeugen und ausrüsten" (S. 329). Dieses Kapitel
müßte also eigentlich überschrieben werden: Das Sakrament
der Bischofsweihe. Aus den gestuften Dienstänitern in den
Eick] esien hebt sich das viele Gemeinden übergreifende
monarchische Bischofsamt einseitig heraus; das Ein- Mann-
System wird dogmatisch festgeschrieben.

Einen evangelischen Leser wird das Urleil über evangelische
Autoren vor allein interessieren; da Auer jedoch die
moderne Diskussion kaum bringt, erscheinen neben Karl
Barth eigentlich nur die Beformatorcn und unter ihnen vor
allem Luther, gegen dessen polemisch-einseitige Thesen in
De caplivitatc Babylonica sich ja speziell die tridentinischen
Lehrenlsiheidungen richten. Leider interpretiert Auer die
Beformatorcn noch unter dem Trienter Vor-Urteil als
"oininalislisch, libcrtinislisch, spiritualistisch (vgl. Bd. VI,

S.41H. 1451.221,243,247;Bd. VII, S.46f. 142t 1451.231,241,
33,i), Das Aufeinanderprallen unterschiedlicher Denk- wie
Aussageslrukluren („sapiential — existentiell") ist nicht
reflektiert. So ergibt sich kaum eine Dialogmöglichkeit; ist
dies ein Anzeichen für einen neuen ökumenischen Frost?
Die Arbeit von August Ilasier: Luther in der katholischen
ftogmatik, München 1968 ist nicht selbstkritisch herangezogen
. Dies sollte bei einer Neuauflage erfolgen.

Anhand einiger Beispiele sei dieses ökumenische Defizit
"iifgewicBcn. Willkürliche Entstellungen finden sich nur
8,'llen, etwa in der unkommentierten Wiedergabe der Tauf-
'' l'rc Luthers nach der Vorlage für das Tridentinuni (Band
VII, S. 46f.; vgl. S. 27 mit dem Verweis auf Harnack). Am
''"lii'iualestcn sind evangelische Positionen dort wiedergegeben
, wo eigene Zusammenstellungen (aus der RGG) aufgriffen
sind, so zur Konfirmation (Bd. VII, S. 107f.) und
z»r Kinzelbeichtc (Bd. VII, S. 137L). Die typischen Verrechnungen
lind durchgehend daraus erwachsen, daß der
reforrnatorische Ansatz ins vorgegebene scholastisch-triden-
'"'ische Schema hineingepreßt wird. So etwa, wenn man
nicht zeigt, wie die Reformatoren (insbes. Luther) nicht von
''"'ern mittelalterlichen Sakramenlsbegriff, sondern von den
Vl(,r Institutionen, Ordinatioues, Mandata Jesu Christi ausgegangen
sind, von der Evangeliumsverkünrligung, der
J'iufe, ,l,.m Abendmahl und dem Schlüsselamt und dem
'""'•n dienend zugeordneten Ministerium. Verdeckt man
''"'srn eigenständigen Ansatz, so muß natürlich das jeweilige
r|,,'l zu den sieben mittelalterlichen Sakramenten unklar
"''schein,.,,, hofften die Reformatoren doch, „kein ver-
""iudiger Mann" werde über die Zahl der Sakramente
••«roß,.,, Zmnk" machen, sofern nur Gottes Wort und Befehl
''"•'"s abgebrochen werde (Apol. XIII, 17; vgl. Bd. VI,

;">; Bd. VII, S. 335). Annlog gründet die Spannung
Zw'sel„.n ,,jm.m Nid,,.Anrechnen und einem Tilgen der
^'"•l«' durch die Tnufe (Bd. VII, S. 46; vgl. aber auch
. W3) sowie die Deutung der Absolution als rein foren-
Deklaration (Bd. VII, S. 143) im unterschiedlichen
''r,,,iil"l"is<leg Golteswirkens nach Analogie einer leiblichen
'""dlung oder eines worthnften Zuspruches. Die Aussagen

aus Luthers Kleinem Katechismus zeigen (Bd. VII, S. 145f.),
daß Gott sein in unseren Menschenniund gelegtes Wort nicht
leer zurückkommen lassen will, sondern als eschatologischer
Richter wie Erretter zu ihm steht. Unverständlich ist ferner,
wie man angesichts von Römer 6 die tägliche Hinkehr zu
Christi Kreuz gegen ein tägliches Hineinkriechen in die
Taufzusage ausspielen kann; beides wird doch in jenem
paränetischen „Haltet euch dafür" (V. 11) sachnotwendig
miteinander verbunden (zu Bd. VII, S. 481. 117, 1421.). Die
Grenze willkürlicher Mißdeutung streift Auer, wenn er
aus Luthers Traubüchlein lediglich die Aussage von der
Eheschließung als einem „welllichen Geschäft" herausgreift
(Bd. VII, S. 241) und verschweigt, daß sie nach demselben
Text zugleich ein heiliger, göttlicher Stand, Gottes Geschöpf,
Ordnung und Segen ist, ja, daß der himmlische Vater in ihr
„das Sakrament" seines lieben Sohnes Jesu Christi und der
Kirche, seiner Braut, bezeichnet hat; dies würde ziemlich
genau der von Auer selber vorgetragenen sowohl sehöpfungs-
orientierten als auch christozentrisch-ekklesialen Deutung
entsprechen. Nur wenn man die reforrnatorische Lehre von
der Ehe als Institutio, Ordinatio, Mandatum des weltlichen
Begimentes Gottes, welche in Jesus Christus bestätigt und
ins Licht seines Heilswirkens gerückt ist, ausblendet, kann
man eine direkte Verbindung zum individualistischen neuzeitlichen
I^heverständnis ziehen (Bd. VII, S. 231). Diese
Beispiele mögen genügen; sie weisen auf ein beklagenswertes
ökumenisches Defizit hin, welches leider sachnolwendig mit
der Anlage und Durchführung der Sakrament sichre verbunden
ist.

So dürfte das Urteil über diese beiden inhaltsreichen
Bändchen zwiespältig ausfallen. Der dogmengeschichtlich
interessierte Leser wird aus den instruktiven, materialreichen
Exkursen immer wieder Belehrung schöpfen. Der ökumenisch
aufgeschlossene Leser wird die römisch-katholische Engführung
bedauern und sich fragen, ob dies Zeichen für eine
Klimavcrschlechterung sei. Wer nach einer Aufnahme der
Nöte und Fragen, welche uns heute auf den Nägeln brennen,
sucht, wird die Büchlein schnell beiseite legen. Wer nach der
Wahrheit des Christenglaubens fragt, wird wohl die Spannung
zwischen dem biblischen Befund, der geschichtlichen
Mannigfaltigkeit und den tridentinischen Entscheidungen als
bedrückend empfinden. Dem Vf. gebührt voller Respekt, daß
er dies wenn auch nicht sosehr in den biblischen Rekursen
und ökumenischen Ausblicken als in den geschichtlichen
Darlegungen ohne wesentliche Abstriche aufgedeckt hat. Der
Impuls des II. Vatikanums, die scholastisch-tridentinisch.cn
Verkrustungen durch eine bibbsch-altkirchliche Neuorientierung
aufzulösen, ist durchaus zu spüren. Doch kann
wenigstens der Rezensent sich des Eindruckes nicht erwehren
, daß man zunehmend in eine gewisse Analogie zum
späten Mittelalter gerät. Angesichts der neu sich erschließenden
Einsichten sowohl in den geschichtlichen Befund als auch
in die gegenwärtige Situation werden die kirchlichen Festlegungen
mit einer nahezu willkürlichen Gewaltsamkeit
hochgehalten.

Ileidelbert Albrocht Petent

Amiet, Peter: Systematische Überlegungen zur Amtsgnadr

(IKZ 63, 1973 S. 168-181).
Aumonicr, Eric: Traitc de la Trinit6 et melhode th6ologique

(Science et Esprit 25, 1973 S. 319-339).
Bamberg, Corona: Glauben in einer gleichgültigen Welt

(Geist und Leben 46, 1973 S. 182-198).
Bavel, T. J. van: Vcrrijzenis: grondslag of object van het

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