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Ausgabe:

1974

Spalte:

367-369

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Ohlig, Karl-Heinz

Titel/Untertitel:

Braucht die Kirche einen Papst? 1974

Rezensent:

Rogge, Joachim

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7. „Ein ,Funktionieren' im bezeichneten Maße schließ! für
Episkopat, Konzil und l'apsl Fühlbarkeit nicht aus, sondern
ein" (S. 461). Ein als Chance verstandenes „fehlbares
Lehramt" wäre dann nicht länger das, was ein unfehlbares
bisher war, nämlich das „schwerwiegendste Hindernis" Itir
einen Ökumenischen Konsens.

Dem „Konsens in der Zukunft" (S. 493) will Kttng dureb
seine Traditionen stürzende Intervention dienen. Seine Liebe
zu der einen Kirche Jesus Christi ist so offenkundig in
seinem ganzen Unternehmen, daß die mancher Kritik unterliegende
Art .....I Weise in Aktion und Bcaklion miteinander

umzugehen, leichtgenommen werden sollte. Klings „Aufrage
" ist weit mehr als Klings frage. Lassen wir sie uns
alle miteinander gestellt sein!

Berlin Joachim Kogge

Ohlig, Karl-Heinz: Braucht die Kirche einen Papst? Umfang
und Grenzen des päpstlichen Primats. Mainz: Matthias-
Grünewald-Verlag, u. Düsseldorf: Patmos-Verlag l!J7.'S.
160 S. kl. 8° — Topos-Taschenbücher, 10. DM 5,80.
Es hat einiges für sich, den Impetus, den dieses kleine
Buch geben will, von seiner Schlußbemerkung her zu verstehen
: „Die vorliegende Studie hat ihre Absicht erreicht,
wenn sie an einem nicht anwesentlichen Punkt zeigen
konnte, daß Einheit der Kirchen kein aussichtsloses Unterfangen
sein muß. Geschichtlich aussichtslos wäre ein solcher
Versuch, wenn gewisse katholische Arg......-nlations- und

Vorstellungsmechanismen mit dem Eindruck einer dogmatischen
Unantastbarkeil und [rreformabilität versehen

würden" (S. 157). Der ,wesentliche Punkt', um den es geht,
ist mit den Begriffen „Primat und Unfehlbarkeit" des
römischen Bischofs anzugeben. Entgegen vielfältigen Tendenzen
in der Gegenwart, beide Termini in ihren Sachhorizonten
zu trennen, hehl der Vf. ihre Zusammengehörigkeit
hervor (S. 16f).

Der Hand umgreift zwei große Themeiikoinplexe. Da
Ohlig von der Gegebenheit des päpstlichen Primats als
einer geschichtlich gewachsenen Größe ausgebt, untersucht

er zunächst seine „Entstehung und Geschichte" (8.21—106).
Bin zueiier Teil bietel dann auf dem Hintergrund der
vorangegangenen Information eine „Theologische Analyse"
(S. 107—15b), deren Kulminationspunkt im obigen Zitat zu
sehen ist.

Der Vf., katholischer Religionspädagoge, der die Probleme
ganz offensichtlich von seiner besonderen Hcrufsver-
pMicbtung her versteht, befindet sich durchaus auf der
Woge heutiger Diskussion um den Universalcpiskopat des
Papstes und setzt hier und da lediglich Akzente, wo tiefgreifende
Vorarbeiten schon vorlagen. Ohlig stützt sieh u. a.
auf den Argumentationskatalog, wie er in dem thema-
bezogenen Concüium-lleft vom April 1071 (7. Jg.) bereits
angeboten worden ist.

Der große geschichtliche Überblick im ersten Teil ist alles
andere als eine ausführlich geratene Einleitung. Der Vf.
wirbt um Verständnis für die gegenwärtigen ('icgebcnhcilcn
aus einer Einsicht, in „das Ergebnis eines zweitausend-
jährigen Geschichtsprozesses" (S. 11). Die Stationen dieses
Werdens weist er vom Schriftencorpus des Neuen Testaments
bis zum 1. Vatikanischen Konzil auf. Ohlig kann aus den
Texten weder eine Übertragung der Priinatialrolle durch
Jesus an Petrus (S. 23) noch eine persönliche Nachfolgerschaft
im Petrasdienst erkennen (S. 33). Schritt für Schritt
gebt er den geschichtshedinglcii Ausformungen weiterer
Macht des römischen Bischofs nach. Eine thcologisch-
ckklesiologische Stringcnz dafür ist jahrhundertelang nicht
zu entdecken. „Der bischöfliche Anspruch ist die religiöse
VVeiterfübrung der römisch-imperialen Tradition", heißt es

368

(S. 57) in Zusammenhang mit der Eni w ick lung im 5. J.ihr-
nundert. Für die wichtige Einschätzung des Papsttums an
der Schwelle des Mittelalters formuliert Oldig: „Die römischen
Bischöfe werden die haben einer — religiös gewendeten
— Heichsidcc. Sie haben einfach die Ueerräiime der
Macht, die mit dein Verschwinden des heidnischen Priester-
tums, mit der kirchlichen Ccschichtslosigkcil des Westens,
der Schwäche des weströmischen Kaisertums und den
Erschütterungen der Völkerwanderung entstunden, erkannt
und haben gehandelt" (S. 60).

Eine derartige ge schichts pragmatische Begründung für die

Ausweitung der zentralen Siedlung Horns (S. 02) wird für die
folgenden anderthalb .lahrlausende durchgehalten. Anspruch
und Wirklichkeil hätten sich dabei häufig nicht
gedeckt. Einige Glieder in der Entwicklung sind vielleicht
nicht ihrer Bedeutung entsprec hend rubriziert worden. So
fe hlt etwa eine W ürdigung des Beitrages zur Papsliclee durc h
Innozenz III. (1108—1216), dessen Person für den Zenit
päpstlic her Mnehl fülle stehen mag. Die Differenzierung
zwischen geistlicher und weltlicher Macht der römischen
Bischöfe: fcddl bei Oldig auffälligerweise. Vielleicht wäre durc h
ihre Beachtung manches nicht so flächig geraten wie es jelzl
dasteht.

Der theologisch-analytische zweite Teil der Studie beginnt
mil der enMUten Entschärfung der ,,(lesehie hie als M,il.(sl;il>
der Interpretation" (S. 10!)). „Eine I nlcrpietalion, die

ahistorisch-punktuell den Wortlaut der Konzilsbeschlüsse —
und sonst nichts — zum Ausgangspunkt nimmt, gehl am
Kern der Sache vorbei. Wer so verfährt, interpretiert nicht
das Dogma, sondern sich Selbst bzw. das ihm — anband der
Dnginenformulierung — aufgrund seiner kurzlebigen Tradition
plausible Verständnis." Jedem in der Ilerincneulik-
debatte auch nur einigermaßen Bewanderten isl deutlich,
welche Verflüssigung bisheriger Ecslschrcibuiigcn hier im-
gesl lebl werden will.

„Braucht die Kirche einen Papst '/" Diese el was lapidare
Frage des llaupllitels wird aufgegliedert durch die l'esl-

steOung, daLI „institutionalisierte Knmmunikationsmecha-
nismen und Kommunikationszeniren" (S. 138f) sein müßten,

„wenn der Wunse h nach Einheit nicht nur verbal sein soll".
Wenn der Vf. im romischen Bischofsamt „ein kirchliche!
KommUnikationsZentrum" sieht, isl das mit dem Oedankcn
verbunden, daU „sich die konkrete Gestalt des Primats je:
neu Verändern" müsse (S. 130). „In der Geschichte ist dieser
Wandel belegt ; In der Zukunft kann der Primat nur erhallen
bleiben, wenn er Seine Letztdefinierte Gestalt des 10. Jahrhunderts
hinter sich läßt." Immerhin, so fährt Oldig fort,
„verlangt die Forderung nach Effizienz einer Einhcils-
instilution, daß sie sich auf minimale und fundamentale
Aklivitäten beschränkt; denn nur so wird sie von den
pluralen Kirchen und Gruppierungen als Gesprächspartner
akzeptiert werden können ..." (S. l'iO). Als Gcsprächs-
teflnehmei zunächst auf der anderen Scile> isl vornehmlich
der „Weltkirchenrat" in Ge nf (S. l'i.'J) avisiert.

Primats- und Unfchlbarkeilsproblcinatik, auch unter Beachtung
der von Oldig mil Hecht präferierlen geschichtlichen
Betrachtungsweise, sowie das faktische Vorhandensein von

Koinmunikationsmcchauismcn und -zcnlien müßte.......h

schärfer profiliert vorgestellt werden als das hier geschieht,

und zwar mit der im.....r präsenten Testfrage, ob nic ht die

Definition oder Umschreibung des einen Phänomens die
Behauptung eines anderen ausschließe.

So haben wir eher ein schwieriges I'ragenpakel vor uns
als die Charakteristik einer schon klar ausgeloteten Perspektive
, wenn der Vf. gegen Ende seiner Gedankengänge
folgendes äußert: ..Vielleicht isl es nicht gänzlich iilnpischi
in ehr Zukunft beide Gestalten, Weltkirchenrat Und tf
mischen Primat, zusammenbringen zu wollen. Niedleicht'
könnte nac h dem überfälligen Beitritt der katholischen
Kirche zum Weltkirchenrat mit der Zeit eine neue (komprei-
miBhafte) Form entstehen: ein Weltkirchenrat, in dein def

Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 197^ Nr. 5