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Ausgabe:

1974

Spalte:

362-363

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Peschke, Erhard

Titel/Untertitel:

Katalog der in der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt zu Halle (Saale) vorhandenen handschriftlichen und gedruckten Predigten August Hermann Franckes 1974

Rezensent:

Schicketanz, Peter

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Ml Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1974 Nr. 5 ;)(j'2

primär führt Vogt zum Kampfe gegen die; eliristliehe Offen- Ebene rationaler Argumentation verbleibt. Besonders dort

barungsreligion bzw. gegen die christlichen Kirchen, viel- wo der eigentlich existentielle Anstoß an einer Fehlgestalt

mehr benutzt sein politisches Wollen sekundfir den ,natur- der Kirche und des Glaubens genommen wird, besteht, die

wissenschaftlichen' Materialismus, um autoritäre, vor- Aufgabe rechter Apologetik nicht nur in einer „Prüfung des

nehmlich die herrschenden Staatssysleme zu Fall zu bringen" Atheismus, sondern ebenso" in einer „Selbstprüfling der

(S. 247). Kirche und ihrer Theologie" und in der Anleitung zu einer

Die Beweisführung Bröken basiert vor allem einerseits auf entsprechenden Reform von Theologie und Kirche. Dies, so

dem Nachweis von „Widersprüchen in der Herleitung und zeigt Bröker, wird auch durch die Pastoralkonstilulion des

Anwendung des naturwissenschaftlichen Materialismus" If. Vatikanums intendiert. „Die Fiindamentaltheologie hat

(S. 109—131), andererseits auf der Durchleuchtung der nicht nur die Interessen der Kirche und ihrer Theologie

politischen Haltung von Karl Vogt. Iis handelt sich um gegenüber dem Gegner wahrzunehmen, sondern sie muß

einen indirekten Indizienbeweis, die überzeugendsten Zitate auch innerhalb der Kirche Anwalt der berechtigten Einred

bezüglich des Zusammenhanges von politisc hem und anti- derer sein, die an der jeweiligen konkreten Gestalt der Kirche

re ligiösem Kampf stammen leider nicht ans der Feder von und ihrer Verkündigung ein Ungenügen entdecken" (S. 243).

Vogt selbst, sondern aus der seiner Fremde, so wenn Unzweifelhaft sind hiermit auch für evangelische Iu-

Georg llerwcgh schreibt: „Religion und Politik stehen und tellektuelle Diakonie zwei wesentliche Aspekte angesprochen :

fallen miteinander, denn die innere Unfreiheil der Geister, 1. Hein intellektuelle Argumente können dort nichts aus-

Clie himmlische Politik, stützt die äußere, und diese « ie,|eruin richten, wo tieferliegende existentielle Motive und Interessen

jene'- (S. 190). oder wenn .Johann Seherr äußert: „Daß an anderer Natur das eigentlich treibende Motiv des Zweifels

«ne politische und soziale Befreiung nicht SO denken ist, und des Unglaubens sind, deshalb muß die Möglichkeit des

bevor es mit der religiösen Sklaverei ein Filde hat ... Der Vorliegens solcher Motive jeweils sorgfältig erforscht werden.

Thron ist weiter nichts als ein Aufsalz des Altars. Reißt 2. Rechte Intellektuelle Diakonie muß und wird sich ihre

diesen ein und jener geht von selbst in Trümmer" (215). Aufgabe dadurch erleichtern, daß sie energisch auf nol-

Immerliin äußert sich Karl Vogt verschiedentlich ähnlich, so wendige Reformen in Theologie und Kirche drängt, wobei

etwa zitiert er Donoso Cortcs: „Unsere Gesellschaft hat nur der Befreiung von Kirche und Theologie aus falschen

ein Mittel zu widerstehen gegen den Umsturz — der Priester politischen Verkettungen eine besondere Rolle zukommt, da

niuß lieb mit dem Soldaten verbinden, beide müssen Hand politische Interessen sehr stark wirken.

m I land geben, beide auf dasselbe Ziel lossteuern :... Erhalten Allerdings müssen auch zwei Gefahren deutlich gesehen

der gegenwärtigen sozialen Zustände". Vogt kommentiert werden, die sich bei einseitiger und überspitzter Anwendung

diese Äußerung: „Der Aberglaube und der Schrecken sollen Her Erkenntnisse Brökers ergeben könnten:

sich vereinigen, um ihre Maschinen. Priester und Soldat, auf 1. Die Frage nach etwaigen existentiellen Motiven, die

denselben Punkt wirken zu lassen" (S. 148)! Eine eindeutige hinter den intellektuellen Zweifeln und Einwänden stehen,

Äußerung Vogts, in der er in erhellender Selbsterkenntnis darf nicht dazu führen, daß die intellektuellen Fragen selbst

ausspräche, daß sein eigentlich treibendes Motiv politischer überhaupt nicht mehr richtig ernst genommen werden. Eine

Natur ist. fehlt. Dennoch wird man urteilen dürfen, daß schlechte Apologetik hat. lange genug die Einwände des

Bröker es recht wahrscheinlich gemacht hat, daß für die Denkens bagatellisiert, indem sie auf die vor allem not-

Bekämpfung des christlichen Glaubens und der christlichen wendige Bekehrung der Herzen verwies.

Kirchen durch Vogt naturwissenschaftliche Gründe nicht 2. Es darf, worauf Bröker selbst verweist, nun auch nicht
alleine, ja nicht einmal primär ausschlaggebend gewesen jn Umkehrung früherer falscher Verquickungen von Kirche
Sind, sondern politische Motive die eigentlich existentiellen und politischer Renktion zu einer „opportunistischen Anwaren
, passung" an die Well von heute kommen (S. 244). In der
I nd zumindest kann als erwiesen gelten, daß dieses DDR haben die evangelischen Kirchen aus solcher Einsicht
''rioritälsverhältnis bei vielen von denen, die den natur- heraus die Formel geprägt, daß es für die Kirche darauf
Wissenschaftlichen Materialismus und Atheismus der da- ankomme, ihren Zeugnis- und Dieiislauflrag nicht gegen und
«•Ilgen Zeit aufgriffen und weiter propagierten, vorlag. nicht neben, sondern in der Gesellschaft wahrzunehmen und
Selbst ein t heologiscb wie politisch so konservativer Apologet bejahen sie die Feststellung, daß es eine „Sozialisicrung" der
J*le Theodor Christlich maß in seinem Buch „Moderne Theologie und Kirche nicht geben dürfe und geben we rde.

■wcifel am christlichen 'Hauben für ernstlich Suchende

erörtert" (18702) den politischen und sozialen Ursachen des Berlin H ii n s- II i i» rieh JsnUHl
Atheismus eine erhebliche Bedeutung bei, denn meistens
Kreil,, er „nicht das reine, sondern das verderbte Christentum"

11 (8. 15), wobei eben das Bündnis zwischen Kirche und

' spotiseheni Polizeistaat ein besonders provozierendes

»•Herbnil des Christentums darstellt. „Die Stickluft des Feschke, Erhard, u. Friedrich de Boot [Bearb.]: Katalog der

|°»«ei»taatei". stellt Christlieb in Sperrdruck fest, „ist für in der Universitäts- und Lnudesbibliothek Sachsen-Anhalt

l'iigh.ul.....dasselbe, was .las Treibhaus für eine Pflanze" ™ Halle (Saale) vorhandenen handschriftlichen und gc-

(S- 27). „Sobald . . . nach dem Wiener Kongreß die Zeit des druckten Predigten August Hermann Frnnckes. I [alle/Saide :

'""deruen Polizeistaales begonnen hatte, fing auch der Universitäts- und Landesbibliotlick Sachsen-Anhalt 1972.

"»glaube an, mit neuer Kraft sieh zu entfalten" (S. 28). 136 S. 8° = Schriften zum Bibliotbeks- und Bücherei-

'"' Christlich bringt ausdrücklich Vogt. Moleschott und wesen in Sachsen-Anhalt, hrsg. von der Universitäts- und

l"''"'cr mit der Unterdrückung der Bewegung ron 1848 in Landesbibliothek in Halle (Saale), 36.

e*J>indung (S. 29). Die evangelische Kirche ist und war predigende Kirche,

j. "" 'st Bröker nicht an einer historisch-psychologischen Die Predigt hat deshalb immer wieder im Mittelpunkt

I ter*Uchung als solcher interessiert, sondern er verstellt theologischer und auch verlegerischcr Tätigkeit gestanden.

l!u< h, ,lei„ MJne Habilitationsschrift zugrunde liegt, als Trotzdem hat weder die herkömmliche Kirchcngeschichls-

l|J".' " 'h il rag zur Fuiidameiitalthcologie. Ausgehend von dem Schreibung noch die Geschichte der Sebriflauslegung davon

°*«piel Vogt leitet Bröker zu der grundsätzlichen Er- ausreichend Kenntnis genommen. Der Bereitstellung des

(|'.'""'"is weiter, ddl.) hinter den Argumenten des Denkens, historisch vorhandenen Materials dient der vorliegende

• "er Atheismus ins leid führt, bisweilen, keineswegs Katalog.

Weitere hintergründige Motive stehen, die oft die Der Katalog hat 1722 Nummern und umfaßt. Kranekcs

existentiellen lind Wer das verkennt, argumentiert Wirksamkeit in Halle von 1692 (Nr. 1 ist früher) bis 1726.

8 ' "rist zu flach und vordergründig, wenn er auf der Francke selbst hat nur mit Dispositionszetteln gepredigt. Die