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Ausgabe:

1974

Spalte:

353-356

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Kohls, Ernst-Wilhelm

Titel/Untertitel:

Luther oder Erasmus 1974

Rezensent:

Holtz, Gottfried

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Theologische Literaturzeitung 90. Jahrgang 1974 Nr. 5 354

Landes. In den letzten Jahrzehnten ist nur eine inzwischen also schon wenige Wochen nach «lein Erscheinen seiner neu-
längst vergriffene Gesamtdarstellung der Geschichte dieser testamentlichen Textuusgahc, daß er einen Kritiker hatte,
zweitgrößten orthodoxen Kirche im europiiisclicii liereich in der seinen Angriff auf das Zentrum seiner Theologie richtete.
' iiii i' begrenzten Auflage erschienen (Moisescu, Gh. I. - Erasmus erstrebt die Erneuerung der Exegese und die
Lupyia, St. — Eilipaseu, AI.: Utoria Bliericii Bomanc Grundlegung einer Laien- und Lcbenst heologic. Dem
[Geschieht« di r rumänischen Kirche] Uucurc$ti 1957 f, letzteren Anliegen dienen vor allem die „Annotationes" und
- Bde.) die „l'araclesis", eine Vorrede zur Textausgahe. ,1" den
Ursprünglich als llandhuch für Studierende gedacht, gibt Schriften des Neuen Testamentes lebt, atmet und spricht
der f. über diese Zweckbestimmung hinaus allen In- Christa! für uns — fast könnte ich sagen: noch wirkungs-
tcrcssenlen in 50 Vorlesungen einen sachlich und methodisch voller als in seinen Erdenlagen' (Erasmus). Im Rückgriff
gut durchdachten Überblick über die Geschichte seiner auch auf crasmische Erühschriften hehl Kohls schon im
Kirche von ihren Anfängen (Christianisierung der dako- ersten Kapitel bestimmende Einflüsse des Paulus, des
romanischen Urbevölkerung) bis zur Gegenwart. Hierbei Origenes und des I licrouymus hervor, was später im zweiten
wird der territorialen Aufteilung des heutigen Staats- Kapitel breit ausgeführt wird. Kohls legt größten Wert

gebietet in den frttheren Jahrhunderten Rechnung getragen darauf, Erasmus als Schrifttheologen zu zeigen. „Aber der

und die verschiedenartige kirchliche Entwicklung in den Unterschied besteht darin, daß Luther die Relativität und

einzelnen Uandesleilen Dobrodscha, lianat. Moldau, Mini- Unfähigkeit seihst der besten Theologie auf Grund der allein

tenien (Walachei) und Trnnssylvanicn (Siebenbürgen) vor entscheidenden Offenbarung Gottes in dir Bibel erfahren

1859 (Vereinigung der rumänischen Fürstentümer) und 1918 hat" (157). In dem zweiten Kapitel wird auch dogmen-

(Eingliederung des Banates und Siebenbürgens) gesondert geschichtlic he Umschau gehalten. Erasmus folgt Hieronymus

bebandell. Die einzelnen, thematisch in sieh abgeschlossenen und damit Origenes, dessen Theologie er geradezu für das

Vorlesungen zeichnen sich durch eine klare und — bis ins christliche Abendland neu erweckt, und dem frühen August in,

Schriftbild hinein — übersichtliche Gliederung aus. sie besonders in dessen Schrift ,,Dc doetrina ehrisliana".

schliel.ien jeweils mit einer kurzen Zusammenfassung der VOf- Luthers Auguslinismiis ist entscheidend durch die Spüt-

gelragenen Hauptgedanken. Jeder Vorlesung sind Quellen- Schriften, also die antipclagianlschen, bestimmt, wie er

"täte und Literaturangaben zum weiterführenden Studium ausdrücklic h im Brief an Spalatin schreibt. Beide Partner

Beigefügt. beraten sich also auf Augustin, aber auf Schriften seiner

Uber das rumänisc he Sprachgebiet hinaus wäre dem Werk verschiedenen Ent wicklungsstufen.

Verbreitung dnreh Übersetzung in andere Sprachen zu Die theologischen llauptdiffcrcnzcn, die Kohls mit

wünschen. reichem Quellenmateria] belegt — wir nennen die Probleme

*Jwn (Btbs) Paul Ziehe der Gerechtigkeit, der Gnade, des Gesetzes, der Willensfreiheit
, des Verhältnisses von Vernunft und Offenbarung —

- können hier im einzelnen nicht nachgezeichnet werden. Es

dürfte sich auch weithin erübrigen, wenn man herkömmliches

Balthasar, Hans Urs von: Aktualität von Lisieux (Geist und Wissen, ohne das niemand von uns sein wird, mit zwei

Lehen 46, 1973 S. 120—142). Hauptanliegen des Verfassers konfrontiert, dessen eines die

•Mll, Jan: Die Kirche Sankt Katharina in Krakau (Augusli- Grundlage der Theologie' des Erasmus betrifft und dessen

Diana 23, 1973 S. 271 — 292). anderes um das Prinzip der Lutherdcul ung von ge ste rn und

" Kenna, Ricardo: II ucllu s de la Historia Universal en el heute gehl.

Rio de la PlatS (CuaderaOS de Teologia 1, 1970 S. 4— 11). Was Erasmus betrifft, so dürfe seine Meinung über die

Willensfrage in der Kontroverse von 1524/25 nicht länger
verwässert werden. Es sei falsch, mit Dilthey in Erasmus den
„Voltaire des 16. Jahrhunderts" zu sehen. Das Vorurteil
verschließe den Blick für die Tiefe des Gegensatzes. Erasmus
btttC nie elicAulonomic des Willens vertreten, sondern die
Befreitheit des Willens durch die Gnade. ,Wir müssen sagen,

R E FO R M ATI O N SZ EIT daß Wir das ganze Werk Gott verdanken, ohne den wir nichts

vollbringen. Was der freie Wille letzhch leistet, ist nicht der

.. Bede wert. Und selbst das ist schon ein Geschenk der

Ohls, Ernst-Wilhelm: Luther oder Erasmus. Lathen göttlichen Gnade, daß wir unsern Sinn auf das Heil der

ücologie in der Auseinandersetzung mit Erasmus, I. Erlösung richten oder daß wir mit der Gnade zusammen-

'"sei: E. Reinhardt 1072. XVI, 360 S. gr. 8° = Theo- arbeiten' (Erasmus). Da aber setzt Luther an. „Es ist

"K'schc Zeitschrift, Sonderham! III. Kart. DM 24,80. wesentlich, zu sehen, daß Luther die crasmische Zentral-

''"s Buch muß als eine organische Eorlsetzimg des zwei- auffassung des von der Gnade befreiten Willens . . . sogleich

BBndigen Werke s ..Die Theologie' des Erasmus" (Basel 1966, abgelehnt hat" (166). Erasmus hätte unklare Vorstellungen.

.'• Reinhardt Verlag) gelten. De« zweite Band des neuen „Der Begriff ,freier Wille' ist folgerichtig ein göttlicher

V,'rl«'s ist in Aussiebt gestellt. Begriff und ist allein auf Gottes Majestät anwendbar . . .

Daß iln ersten Kapitel mit Untersuchungen zur eras- Wenn wir aber den Begriff nicht ganz aufgeben können

""se he,, Ausgabe de s .Neue n Testamentes einge setzt wird, (was in begrifflicher und religiöser Hinsicht das beste Ware),

j^*** auf den erstell Blick als Nachtrag zum früheren Werk. so dürfen wir sachlich nur lehren, daß der Begriff .freier

**j*h) aber wird mit Kr,lacht das Thema aufgespart haben. Wille' dem Menschen nicht für Dinge zusieht, die' über ihm

•Jj Lull,e is erst,, kritische Äußerung, die- als Vorbereitung sind, sondern nur für Dinge, die niedriger als der Mensch

J?J Weithin Vorwegnähme d« großen Kontroverse von sind" (Luther). Vordicser Tiefe hat Eulher die Begrifflichkeit

»24/26 ge lten muß. eine Reaktion auf die ..Aminintiones" des Erasmus abgelehnt und die Kontroverse geführt. Das

..' ;''so auf Anmerkungen, mit de nen Erasmus seine Text- wird von Kohls eindrucksvoll aufgewiesen.

',' begleitet hat. Lutheri Kritik geschieht in einem Was Luther betrifft, so sei er allein von seiner Gottes«

, "'f <"' Spalatin vom 19. Oktober 1516, der nach Kohls in erfahrung aufgrund der Schrift zu verstehen und allein von

,,isl" ng. n Eorschung nur ungenügend beachtet ist, nun daher als Theologe zu werten. Seine Golteserfahrung kam

''"''] v»ll ausgewertet wird De r Leser wird auch mit dem ohne jede helfende und propädeutisch zu wertende Philo-

u.'ll" ks<d de s Brief,.» bek......I gemacht. Spalatin hat, dem sophie zustande. Daran sehließ« Kohls die Folgerung an es

. ,""s'1' '........rs folgend, se ine n Hauptinhalt Erasmus mit- sei in einer Deutung der Theologie Lutbcrs die Hinzuziehung

Ohas Luthers .Namen zu nennen. Erasmus wußte jdes Vorvcrslän.liiisses durch irgendein philosophisches

KIRCHENGESCHICHTE