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Ausgabe:

1974

Spalte:

306-309

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Seebaß, Gottfried

Titel/Untertitel:

Müntzers Erbe 1974

Rezensent:

Seebaß, Gottfried

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30.1

Thcologische Literaturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 4

306

Kapitel V (Die Einführung der poetischen Stücke in die
Erzählung, S. 146-153) zeigt, daß der Autor des 1 Makk
die poetischen Stücke nicht willkürlich eingefügt, sondern sie
bewußt seiner Darstellung der Höhe- (2,44a,?ba. 49b-68;
3,3-9a; 4,24 und 14,4-15) und der Tiefpunkte (1,25-28.36
bis 40; 2,7a/?-13; 3,45.50b-53; 4,30b-33.38; 7,17; 9,21.41)
der makkabäisch-hasmonäischen Geschichte zugeordnet hat
(S. 146f). 1 Makk ist eine vom Hofchronisten der Hasmo-
näcr geschriebene Heldengeschichtc (S. 149f), woraus sich
die große Zahl (9) der poetischen Stücke im Zusammenhang
mit den makkabäischen Führern und die Tatsachs erklärt,
daß den Gegnern der Makkabäer kein poetisches Stück zugeordnet
ist. Das Buch enthält zwar Preisgedichte auf Judas
und auf Simon, aber poetische Stücke im Zusammenhang
mit Jonathan fehlen. Hier zeigt sich vielleicht eine Haltung,
die der der Gemeinde von Qumran entspricht, wo Jonathan
bekanntlich als „Frcvelpricster" bezeichnet wurde (S. 152f).

Kapitel VI (Gliederung, zentrale Begriffe und Traditionen
der poetischen Stücke, S. 154-223) gliedert zunächst die
poetischen Stücke und stellt dann ihre zentralen Begriffe
(Heiligtum, Israel, Jerusalem, Gegner und Gesetz) heraus.
Der Hauptteil vermittelt eine traditionsgeschichtliche Analyse
. Nach dem Umfang der Entsprechung biblischer Worte
sind in den poetischen Stücken dabei fünf Gruppen zu unterscheiden
: Freie Anspielungen 1,28//Ex 19,3b, Anspielungen
l,26a//Esr 10,8a„ , freie Zitate 1,25//Est 4,3a«/(. Zitate
14,8b//Ez 34,27a/?, ausdrückliches Zitat 7,17, ,'Ps 79,2b.3
(S. 219f). Einige Ergebnisse: In den poetischen Stücken finden
sich bereits Anspielungen aus allen drei Teilen des
späteren Kanons; ein Vorrang der Thora besteht nicht, vielmehr
wird den Propheten, hauptsächlich den Schriftpropheten
, der breiteste Raum gegeben (S. 221). Der Hofchronist
hat ausschließlich nach der hebräischen Bibel, einem vor-
masoretischen, aber mit dem Textus reeeptus inhaltlich
identischen Text, zitiert (S. 222). Die heilige Schrift ist ihm
so tief - auswendig (S. 221) - vertraut, daß er keinen übertragenen
Schriftsinn zum Verständnis nötig hat (S. 227).
Der Hofchronist, ein frommer Jude (S. 227), ist ein gebildeter
Eklektiker.

Kapitel VII (Die poetischen Stücke und die Geschichts-
darstcllung des 1. Makkabäerbuchcs, S. 234-268) untersucht
das Verhältnis der poetischen Stücke zu ihrem prosaischen
Kontext. Die Ergebnisse sind folgende: 1. Der Verfasser
der poetischen Stücke ist der Hofchronist des 1. Makkabäerbuchcs
(S. 258). Die inhaltliche Funktion der poetischen
Stücke besteht darin, die Geschichtsdarstellung zu
aktual isicren (S. 262). 3. Die Einfügung der Poesie im
1. Makkabäerbuch muß im Zusammenhang mit der Exkurstechnik
in der hellenistischen Geschichtsschreibung gesehen
werden (S. 264).

Kapitel VIII (Die Theologie der poetischen Stücke, S. 269
bis 280) untersucht (an Hand der Begriffe Schrift, Geschichte,
Prophctic, Blutvergießen, Heiligtum, Volk, Gesetz, Gebet,
Zorn, Rückkehr der Verbannten) die theologischen Aussa-
9en der poetischen Stücke. Die folgenden Ergebnisse sind
festzuhalten: Der Autor von 1 Makk versteht die ganze
Schrift als Weissagung und seine eigene Zeit als deren Erfüllung
(S. 270). Er zieht wegen des Aufhörens der Prophe-
tic mit Vorliebe prophetische Texte heran, um durch sie sein
Dasein zu deuten (S. 274), und er ist der Meinung, mit der
Regierung des Simon sei die messianische Zeit angebrochen
(s- 273). Der Begriff Theokratie (= politische Machtausübung
durch einen Priesterstand) ist als theologisches In-
ferpretament der poetischen Stücke und auch des Buches
insgesamt nicht sachgemäß (S. 276).

Kapitel IX (Die poetischen Stücke im Vergleich mit denen
der Chronikbüchcr und mit denen des Danielbuches, S. 281
bis 333). Die literarische Erscheinung des sog. Prosimetrum
findet sich zwar auch in den Chronikbüchern, aber in geringerer
Zahl (nur drei reine poetische Stücke: I 16,8-36a,II10,

10afc.U20,21bßlZ'r?S-} y. S. 294) und aus einer anderen
Ursache (Inspiration, Verständnis des jüdischen Festes,
S. 296) und aufgrund einer anderen inhaltlichen Funktion
(liturgische Verwendung, S. 298).

Die geneologische Geschichtsschreibung (11-9) schließt
poetische Stücke ganz aus. In den poetischen Stücken der
Chronikbücher spiegelt sich nicht der geschichtliche Hergang
, welcher im chronistischen Geschichtswerk selbst dargestellt
ist (S. 298). Gerade in den historischen Paralleldarstellungen
des Daniclbuches (Dan 7,15-12,13) zu 1 Makk
fehlen reine poetische Stücke, so daß geschichtlicher Stoff als
solcher weder den Einsatz noch das Fehlen poetischer Stücke
erklärt (S. 315). Stärker als in 1 Makk ist die (apokalyptische
) Theologie des Danielbuches aussagewirksam für die
poetischen Stücke: Der Verfasser schließt dort seine Geschichtsdarstellung
mit einem Preisgedicht oder dem Teil
eines Preisgedichtes auf Jahwe (2,20a/*-23a; 3,33; 4,31b.32;
6,27b-28), wo er das Walten Gottes gegenüber menschlichem
Tun hat deutlich werden lassen (S. 316). Die geringe
theologische Motivation der poetischen Stücke in 1 Makk
(S. 331) und die Überbewertung der theologischen Fragen
bei D. Arenhoevel (S. 269, 275-277) wird demgegenüber
deutlich.

Kapitel X (Parallelen zu den poetischen Stücken: 2. Makkabäerbuch
, Bellum Judaicum und Antiquitates, S. 334-353)
setzt ein bei der Feststellung, daß die Seitenreferenten des
1 Makk die poetischen Stücke ihrer Vorlage übergangen haben
, und bemüht sich dann um eine Erklärung für diesen
Sachverhalt. Das Problem wird für Josephus durch den Hinweis
auf dessen historische Grundsätze (Bell. Jud. I,9f. V,20,
S. 339) und für das 2 Makk durch den Hinweis auf die hier
vorliegende pathetische Historiographie (vgl. 2 Makk 2,25;
15,38f, S. 335) gelöst.

Ein Anhang (Quellen im 1. Makkabäerbuch? Eine
Entgegnung auf die Analyse von K.-D. Schunk, S. 354
bis 371) ist einerseits bestrebt, das durch die
vielen Einzclcrgcbnissc gewonnene historisch-literarische
und theologiegcschichtliche Gesamtverständnis des Buches
und seines Verfassers (der Hofchronist ist ein eigener Gestalter
, der selbständig biblische Stoffe neu geprägt hat,
S. 228) auf das 1. Makkabäerbuch als ganzes auszuweiten,
und andererseits bemüht (ausgehend von den Ergebnissen
bei A. J. Sachs - D. J. Wiseman [1954]), die bisher plausibelste
Quellenthcorie des Buches kritisch zu hinterfragen.
Es wird die These vertreten: 1 Makk ist nicht aus verschiedenen
Quellenstückcn zusammengesetzt, sondern - abgesehen
von den in 5,10-13; 8,23-32; 10,18 - 20.25b-45; 11,30
bis 37; 12,6-18.20-23; 13,36-40; 14,20b-23.27b-48; 15,2a
bis 9 und 16-21 zitierten Urkunden - ein einheitliches
Werk.

Seebaß, Gottfried: Müntzers Erbe. Werk, Leben und Theologie
des Hans Hut (gest. 1527). Theologische Habilitationsschrift
. Erlangen 1972. XVII, 567 und 428 S.
Die Eigenart des frühen Täufertums in Thüringen, Franken
, Bayern und Österreich in den Jahren 1526-1529 ist in
der Forschung überall dort, wo man nicht bereit war, sich
zugunsten einer Konstruktion der eigenen Vergangenheit
durch täuferische Historiographie über den Qucllcnbefund
hinwegzusetzen, immer wieder bobachtet worden. Diese Arbeit
versucht nachzuweisen, daß es sich dabei tatsächlich um
eine ganz eigene Ausprägung des Täufertums handelt, dem
- abgesehen vom Faktum der Erwachsenentaufe - kaum
etwas mit dem Schweizer Täufertum gemeinsam ist, weil es
sich den Traditionen der deutschen Mystik und spätmittelalterlicher
Apokalyptik verdankt. Seine Entstehung ist auf
einen Mann zurückzuführen, dessen Bedeutung immer wieder
gesehen, aber nie genauer erforscht worden ist: Hans