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Ausgabe:

1974

Spalte:

302-303

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Bräuer, Eckart

Titel/Untertitel:

Das Reden von Gott im Religionsunterricht 1974

Rezensent:

Bräuer, Eckart

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301 Theologische Litcraturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 4 302

Hotlingcr) nach Augsburg zurückkehrend rückte er überraschend
schnell in ein freiwerdendes Kirchenamt ein, das
er rund 30 Jahre (schließlich ganz kurz als Senior) ve. h.
Literarische Tätigkeit (S. XII-XX)1 und ein weitreichender,
leider fast nur als Empfänge r-Briefsammlung von rund
200C Briefen in vier Folianten erhaltener Briefwechsel (S. IX.
61-88. 377-395 alle Einzelheiten auch zur bisherigen Verwertung
)-' begleiteten das Augsburger Pfarramt. In Kontroversen
mit dem Katholizismus lief) er sich nie hineinziehen,
wohl nicht zuletzt deswegen, weil er an einigen Schcinkon-
versienen von Katholiken beteiligt war (am bekanntesten:
Joh. Peter Späth, später als Jude: Moses Germanus; S. 258
bis 260, 553f).

Das zweite Kapitel (S. 60- 231 und 377-527) wendet sich
v. a. Spizcls Verhältnis zum Pietismus vornehmlich Spcncr-
schcr Provenienz zu. Hierfür wurde der für den süddeutschen
Raum bisher als umfangreichster und geschlossenster
ermittelte Briefwechsel Spener-Spizel (jetzt verzeichnet in
ZBKG 40, 1971 S. [97-130] 122-130) ausgewertet. Das Entstehe
des schließlich recht vertrauten Briefverkehrs, seine
Etappen (1665 69; 1669 75; 1675 88) und seine Probleme
lassen sich aufzeigen. Chancen einer intensiven Beschäftigung
mit Spencrs Korrespondenz (s. o.) werden bei einem
Blick auf Spizcl evident: Spencrs weitgehende Anonymisierung
der von ihm veröffentlichten Briefe (,Theol. Bedenken'
1-4, 1700-1702; :,1712-1715), in etwa auch beibehalten in
den postum publizierten Bricfsammlungcn, liefert die Korrespondenz
Spencrs einer zu pauschalen Verwertung aus.
Diese Anonymisierung rückgängig zu machen, muß noch
konsequent in Angriff genommen werden, zumal es viele
Wege hierzu gibt. Für Spizcl ist die Hcrausschälung der an
ihn gerichteten Briefe aus einer großen Masse der neutralisierten
Schreiben Spencrs in den .Consilia' (1709) überraschend
breit (ca. 60 Seiten) gelungen.

Der Briefwechsel ist eine fortlaufende Kommentierung
von Spencrs Wirksamkeit. Differenzen treten an interessanten
Punkten, z. B. über Collegia und Gesellschaften, auf. Die
Wichtigkeit, die Spcncr einer Stadt wie Augsburg für die
Konsolidierung pictistischcr Bestrebungen beimißt, kann
man erkennen. Immerhin hat er solchen Bemühungen in
(Reichs-)Städten besonderes Gewicht unterstellt (Cons. 3,
535 an J. L. Hartmann Rothcnburg-T. [1675 u. später]). Bis
•ca. 1682 ist das sehr schön für Spizels Umkreis zu verfolgen:
auch in Windsheim (Horb, J. A. Rhein und J. A. Liezheimcr
t 1684), Schweinfurt (Barger), Wertheim (Joh. Winklcr),
Schwabach (J. Chr. Meelführer), Ansbach (Hch. v. d. Lith)
Sulzbach (Knorr von Rosenroth) (?), Rothenburg'T. (J. L.
Hartmann) und Nürnberg (Tob. Winkler) hielt Spener zeitweise
eine Reform in seinem Sinn für möglich, nicht ohne
Gespür für jeweilige Sonderproblemc. Hier wird die Einzcl-
"orschung ebenfalls noch manche Elemente einer „Strategie"
Spencrs ermitteln können, v. a. wenn man die Beziehungen
dci' Genannten zueinander wciterverfolgt. Jedenfalls verkehrten
mit Spizcl in Augsburg intensiv Männer, die mehr
als Spencrs Wohlwollen besaßen: etwa Tob. Winklcr, Anton
Rc'scr, J. A. Rhein, Joh. P. Schcffer, Max Huber, Elias Veiel
(v°n ihm über 200 Briefe an Spizcl). Doch dies hat nicht zu
^hofften Konkretionen geführt.

Auch spätere Aktivitäten Spencrs erhalten u. U. unerwartet
Profil, indem die Hintergründe vor Augen treten. So hat
mnn bisher nicht sehen können, daß Speners Auseinanderging
mit dem Katholizismus an einer Stelle (,Glaubcns-
perechtigkeit', 1684, S. 525-575) eine lange Vorgeschichte
1,1 dem Ringen zwischen Spizcl und Lorenz Gcrwig S. J.
hatte (s. 266-271 und 560- 563), wovon Spizel die Unter-
la9en selbst gesammelt hat. Warum Speners Becinflussungs-
Verstichc über seine Rezipienten z. T. gescheitert sind, beantwortet
manchmal nur ein Blick auf diese Gesinnungsgenossen
Speners selbst und deren Wirkungsmöglichkeiten.

l*n dritten Kapitel (S. 232-302 und 528-598) wird u. a.
^ Putlich warum im 17. Jh. eine wirklich tragende pictisti-

sche Prägung des Augsburger evangelischen Kirchenwesens
auf punktuelle Versuche beschränkt bleiben mußte: Spizel
selbst war stark dem Späthumanismus verpflichtet. Seine
Aktivitäten auf dem Feld der Apologetik gegen den „Atheismus
" befriedigten gerade Spener (und Boincburg) nicht.
Konversionshilfen Spizcls erwiesen sich mehrfach als Fehlschläge
(s. o.). In Augsburg verhinderte ein durch äußerste
Wachsamkeit über den konfessionellen Proporz gebundener
Magistrat „Neuerungen" rigoros. Das wirklich einflußreiche
Amt des Seniors erreichte Spizel erst ganz kurz vor seinem
Tode. Sein literarisches Werk, von Spener ganz unterschiedlich
beurteilt, erreichte kaum Breitenwirkung. Eine starke
Immobilität (Spizel war allen Möglichkeiten eines evtl.
Wechsels auf ein einflußreiches Kirchenamt gegenüber unzugänglich
) läßt das den Pietisten im allgemeinen eigene
Gefüh' für die Gunst der Stunde vermissen. - Ein von auswärts
berufener Geistlicher wird im 18. Jh. in jahrzehntelanger
Wirksamkeit als Senior in Augsburg den Hallcschen
Pietismus Wurzel schlagen lassen: Samuel Urlspcrger.

So versucht diese Arbeit, „von außen" her einen Beitrag
zu den Anfängen des Spencrschen Pietismus und den Ausstrahlungen
Spencrs auch in seiner Frühzeit zu leisten. Flankierende
und gerade für Spener ertragreiche Fortsetzungen
sind nötig und sollten das ungerechtfertigte Odium, das
territorial orientierenden Arbeiten anzuhaften pflegt, auf
sich beruhen lassen. Ob solche Fortsetzungen möglich sind,
ist nicht zuletzt eine Frage der Quellen. Nicht immer liegen
die Dinge so günstig wie bei Spizel, der die eingelaufenen
Briefe seiner rund 250 Korrespondenten (S. 687-700 verzeichnet
) sorgsam gesammelt hat. (Eine vergleichbare 5-bän-
dige Korrespondenzsammlung des Rudolstädter Kanzlers
A. Fritsch z. B. ist nahezu verloren.) Auch wenn Spizels
Schreiben nur selten ausgemacht werden konnten, erwies
sich die insgesamt mitberücksichtigte Bricfsammlung doch
als recht ertragreich, vor allem eben die im 20. Jh. durch
Paul Ritters Vorarbeiten für die Leibniz-Brief-Edition seit
1908 zwar bekannte, aber noch nicht ausgewertete Spener-
Spizcl-Korrespondenz.

1 Vollständiges Schriften-Verzeichnis Spizel in Studio Leibnitiana
5, 1973 S. 142-144 Nr. 23-56.

- Die SStB Augsburg besitzt ein maschinenschriftliches Verzeichnis
der Spizelschen Briefsammlung, ergänzt durch die Seiten 604-700 der
hier angezeigten Diss. Vgl. ZBKG 1971 S. 122.

Bräuer, Eckart: Das Reden von Gott im Religionsunterricht.
Systematische Erwägungen und didaktische Anmerkungen
am Leitfaden des Apostolischen Glaubensbekenntnisses.
Diss. Tübingen 1972. 498 S.

Das einleitende Kapitel kennzeichnet das Apostolische
Glaubensbekenntnis als Paradigma eines im doppelten Sinne
vorläufigen theologischen Erkenntnisprozesses. Wir nennen
die Gotteserkenntnis des Credo vorläufig, weil sie geschichtliche
, nicht überzeitliche Erkenntnis ist, die uns im historischen
Dokument entgegentritt, ohne jedoch abgegolten zu
sein. Der im Bekenntnis erkannte bleibt stets der neu zu
erkennende Gott. Das Credo behält im Blick auf unsere
Gotteserkenntnis hermeneutische Funktion. Es provoziert
zur kritischen Auseinandersetzung mit ihm selbst an Hand
des biblischen Zeugnisses und stellt den Menschen je zu
seiner Zeit in den erkenntlichen Prozeß der Geschichte Gottes
mit dem Menschen Jesus.

Die Geschichte zwischen Gott und Jesus ist demgemäß
das Generalthema der nachfolgenden Kapitel, und da diese
sich in Tod und Auferstehung entscheidet, steht die Untersuchung
dieser zentralen Glaubensdaten im Mittelpunkt
der Erörterung. Dabei fragen wir strikt theologisch nach
der ontologischen Relevanz des Geschehens in Kreuz und
Auferstehung für die Gottheit Gottes, weil nur so zutage
tritt, wer der Gott ist, den Jesus in Wort und Tat, im Leben
und Sterben offenbart. Die Identität der Gottheit Gottes