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Ausgabe:

1974

Spalte:

291-292

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Die Gemeinde vor der Tagesordnung der Welt 1974

Rezensent:

Mendt, Dietrich

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291

Theologische Litcraturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 4

292

stimmte Aufgaben besonderen Amtsträgern vorbehalten
sein müßten, kann es deshalb nicht geben. Die Besonderheit
des Pfarramtes im Verhältnis zu anderen Diensten besteht
darin, daß der Dienst des Pfarrers auf die ganze Gemeinde
bezogen ist.

Der konfessionell begründete Unterschied im Amtsverständnis
zeigt sich innerhalb dieses Buches am deutlichsten
im Vergleich von Joest und Heribert Mühlen. Letzterer
versteht das Pfarramt als kirchliches Leitungsamt, das dem
im Abendmahl am konkretesten und leibhaftigsten in Erscheinung
tretenden mysterium fidei zu dienen hat. Dem
Pfarrer = Gemeindcleiter (diese Gleichung wird vorausgesetzt
) schreibt der Autor eine besondere, innere, personale
Nähe zum Geheimnis des Todes Jesu zu, eine „besondere
Gnadengabc, auf das Geheimnis als Geheimnis zu hören"
(98). Hier wird die Argumentation so „geheimnisvoll", daß
es schwerfällt, sie als Konsequenz der vorangegangenen historischen
und exegetischen Überlegungen zu erkennen.
Warum soll der Pfarrer dem mysterium fidei näher sein als
andere Gläubige? Sicher ist es richtig, daß die notwendige
Entsakralisicrung der Person des Amtsträgers nicht zum
Verlust des Mysteriums im Sinne von Eph 6,19 führen darf.
Kann aber eine Institution das Mysterium garantieren?
Tröstlicherweise ist das Verständnis des Pfarramtes nicht
wirklich eine „Überlebensfragc der Kirchen".

Halle Saale Eberhard Winkler

Simpfendörfer, Werner [Hrsg.]: Die Gemeinde vor der Tagesordnung
der Welt. Dokumente und Entwürfe. Mit Beiträgen
von G. Casalis, J. C. Hoekendijk, H. J. Margull,
W. Krusche, P. G. Sciz, W. Simpfendörfer, T. Wieser. Stuttgart
: Calwer Verlag (1968). 139 S. gr. 8" - Kirchenreform,
1. Kart. DM 8,50.

Wacker, Gerhard, u. Paul-Gerhard Seiz [Hrsg.]: Gottesdienst
im Gespräch. Protokoll eines Prozesses. Die Seligprcisun-
gen, Texte der Bergpredigt und andere als Gottesdienstreihen
der Gemeinde. Vorwort v. W. Jetter. Ebd. [1967].
200 S. gr. 8" = Kirchenreform, 3. Kart. DM 12,-.

Wacker, Gerhard [Hrsg.]: Kirche im Werden einer Dienstgruppe
. Die Kolonie im Ramtel. Gemeinsamer Schlußbericht
einer experimentellen kirchlichen Gruppe. Mit dem
offiziellen Bericht der Visitation besonderer Art Lconberg-
Ramtel. Ebd. [1970]. 258 S. m. Abb. gr. 8" Kirchenreform
, 5. DM 15,-.

Der Titel des ersten Bandes, der auf ein Wort Hocken-
dijks zurückgeht, gibt das Leitmotiv der ganzen Reihe an.
Sie geht auf Anregungen ein, die in der Arbeitsstudie des
Weltkirchenrates „Mission als Strukturprinzip" niedergelegt
sind. Drei wesentliche Äußerungen aus dieser Studie werden
in Band 1 übernommen: Casalis „Gott - Welt - Kirche",
Hoekendijk „Was heißt Mission?" und Wiesers Auslegung
der Apostelgeschichte „Die Kirche und der Weg der Gottesherrschaft
". Weitere Autoren wenden sich Einzelfragen zu
wie Ausbildung (Werner Krusche), Gestalt der Kirche (Margull
), Siedlung (Sciz), Team, Kirchenbezirk, Region (Simpfendörfer
).

Zwei Fragen aus dem Gesamtkomplex werden in den
Bänden 3 und 5 besonders behandelt.

In „Gottesdienst im Gespräch" werden Protokolle verschiedener
Gottesdienstreihen zugänglich gemacht, die in
Lconbcrg-Ramtel gehalten worden sind, der Gemeinde, von
der in Band 5 ausführlich berichtet wird. Die Gottesdienste
werden durchweg von Gruppen vorbereitet, zu denen in
der Mehrzahl Laien gehören. Sic sind immer mit Gesprächen
verbunden, mitunter in Form eines Podiumsgespräches
, einer eingeschobenen Diskussion oder einer anschließenden
Teerunde. Man gibt sich Mühe, innerhalb einer
Reihe nicht zweimal dieselbe Form zu verwenden.

In „Kirche im Werden einer Dienstgruppe" wird das gesamte
Experiment Leonberg-Ramtcl dargestellt in dem offiziellen
Abschlußbericht der dort von 1963 bis 1969 tätigen
Dienstgruppe, der sogenannten „Kolonie". Zu ihr gehörten
drei Pfarrer und dreiundzwanzig Laien, allerdings nicht alle
Glieder die ganze Zeit über.

Im ersten Teil liegt eine genaue Schilderung des Ablaufes
vor, im zweiten Teil wird eine „Anhaltende Reflexion"
geleistet, im dritten Teil sind Kommentare beigegeben, Visitationsberichte
, Thesen u. a.

Bei der Beurteilung macht man insbesondere vier wesentliche
Beobachtungen.

1. In den praktischen Beispielen wird die vom Grundansatz
her geforderte strenge Situationsbezogcnheit durchgehalten
. Man weiß sich dabei nicht nur an die ökumenische
Studie (zu der Studienarbeiten des Evangelischen Kirchentages
und der Akademie Bad Boll kommen), sondern an das
Neue Testament gebunden; Käsemr.rm wird ausführlich zitiert
: „Die Charismenlehre des Paulus ist nichts anderes als
die Projektion der Rechtfertigungslchrc in die Ekklc.siologic
hinein ... Es wird in Zukunft nur eine Gestalt der Christenheit
geben, nämlich die Mission, wie es immer hätte der
Fall sein sollen, und wer nicht an der Mission teilhat, wird
nicht mehr als Christ gelten . . ." (Band 5, S. 12).

2. Das bedeutet Beschäftigung mit Tagesfragen: Vietnam
Band 1, S. 9), „Vernachlässigte" als Auswahlprinzip kirchlicher
Tätigkeit (Band 5, S. 100), „Hunger und Überfluß der
Welt" und „Frieden" als Gottesdienstthemen (Band 5, S. 88ff
und 158ff).

3. Was einen bei der Lektüre unbefriedigt läßt, ist heute
gerade sachgemäß: nichts ist von Dauer! Die Dienstgruppe
geht wieder nach Hause; es schlägt sich fast nichts von ihrer
Arbeit als bleibendes Gestaltprinzip der Gemeinde nieder
(es entsteht kein neues „Parochialprinzip" auf anderer
Ebene).

4. Trotz der starken Betonung des allgemeinen Pricster-
tums spielen Pastoren eine führende, wenn nicht entscheidende
Rolle. Das fällt in den Gottesdicnstprotokollcn besonders
auf, wo auch in den Podiums- und sonstigen Gesprächen
die Pfarrer durchweg die endgültigen „Antwortgeber"
sind. Sie erhalten das letzte Wort, und ihr Wort ist Antwort.
Damit bleibt auch dieses Modell an einer entscheidenden,
nachdenkenswerten Stelle im Herkömmlichen hängen, ohne
daß darüber reflektiert wird (es scheint so, als habe man es
gar nicht bemerkt).

Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen, mindestens
auch deswegen stellen diese Art Werkbüchcr für eigene
Versuche eine erhebliche Hilfe dar, um der eigenen Situation
sachgerecht zu Leibe zu gehen.

Dresden Dietrich Mendt

Brandmüller, Walter: Laien auf der Kanzel. Ein Gegenwartsproblem
im Licht der Kirchengcschichtc (ThGl 63, 1973

5. 321-342).

van Cangh, Jean-Marie OP: Fondcmcnt evangelique de la
vie religieuse (Nouv. Revue Thcologiquc 95, 1973 S. 635
bis 647).

Coste, Rene: Le pretre et la politique (Nouv. Revue Thcolo-

gique 94, 1972 S. 912-932).
Cunliffe-Jones, Hubert: A Word for our Time? Zcchariah

9-14, the New Testament and Today. The Ethel M. Wood

Lecture delifered beforc the University of London on

15 February 1973. London: University of London, The

Athlone Press 1973. 24 S. 8". £ -.50.
Elementar Bibel, Ii Geschichten von Abraham, Isaak und

Jakob. Ausgewählt und in einfache Sprache gefaßt v. A.

Pokrandt, gestaltet und illustriert v. R. Herrmann. Lahr:

Kaufmann, u. München: Kösel-Vcrlag (1973). 88 S. tn.

zahlr. Abb. gr. 8°. Kart. DM 6,20; Lw. 9.80.
Eyt, Pierre: Sociologies de l'institution religieuse et theologic

de l'Eglisc (Nouv. Revue Thcologiquc 95, 1973 S. 527-538).