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Ausgabe:

1974

Spalte:

282-284

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Biser, Eugen

Titel/Untertitel:

Theologie und Atheismus 1974

Rezensent:

Müller, Norbert

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Theologische Literaturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 4

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Christi-Bcgriff des Paulus münze lediglich den ursprüngli- (S. 178-192). Ratzinger wendet sich in ihnen gegen Rahners
chen Kirchcngcdankcn Jesu aus (S. 20). Somit werde die These von „anonymen Christen" wie gegen vergröbernde
Eucharistie zum geistlichen Ort sowohl für die bischöfliche Spekulationen von dessen Schülern zu den Religionen als
Hierarchie als auch für den päpstlichen Primat (S. 23f). Die gottgewiesenen Heilswegen. Die altkirchliche These: Extra
Sonderstellung des Petrus im Zwölferkreis wie auch dessen ecclesiam nulla salus sei ursprünglich kein abstrakt-dog-
spätcre Zwischenstellung zwischen den heidenchristlichen matisches Urteil über das ewige Geschick der Menschen
Gemeinden des Paulus und der judenchristlichen Gemein- jenseits der Christusbotschaft gewesen, sondern ein dring-
schaft des Jakobus (S. 34ff) nehme bereits die Funktion des licher Anruf, sich dem Evangelium zu beugen (bei Origc-
römischen Bischofs vorweg, über das ausgespannte »Korn- nes wesentlich an Juden gerichtet) sowie die Glaubensein-
munionnetz" der Ekklesicn zu wachen. So fügten sich die tracht zu wahren (bei Cyprian gegen rigoristische Spaltungs-
drei Komponenten: Sakrament - Wort - Amt zur Einheit tendenzen aufgestellt). Erst durch Laktanz, Hieronymus,
zusammen; seien hierbei die beiden ersten „Ursache" der Augustin und Fulgcntius von Rüspe habe das Diktum die
kirchlichen Einheit, so werde diese durch das Amt als de- Gestalt einer dogmatischen These gewonnen. Gegen ein ein-
ren „Bedingung" bezeugt (S. 41). Der Primat des Bischofs seitiges Insistieren der Jansenisten auf dieser Formel sei die
von Rom besage deshalb fundamental „die Fähigkeit und päpstliche Entscheidung gefallen, der Satz: Außer der Kir-
das Recht, innerhalb des Kommunionnetzes verbindlich zu che keine Gnade! dürfe nicht schroff ausgestellt werden,
entscheiden, wo das Wort des Herrn richtig bezeugt wird Eine dogmatische Besinnung habe die Dialektik jener bei-
und wo folglich die wahre communio ist" (S. 39, 55f). Zu den Grenzmarken auszuhalten (S. 162). Ratzinger sucht dies
dieser mehr hierarchischen Aufgipfelung tritt die Kolle- in einer Art existcntialcr Interpretation anzudeuten,- dabei
gialität der Bischöfe hinzu, welche in der Kollegialität der versteht er wieder mit der alten Kirche das Extra ecclesiam
Apostel (S. 43f) sowie im horizontalen Kommunionnetz der nulla salus als „Anruf an die Christen" und nicht als eine
Eucharisticn fundiert sei und sich nicht als Collcgium oder „Theorie über die NichtChristen" (S. 168). Subjektiv gesc-
gar als Ordo episcoporum aus der Brüderlichkeit der ge- hen, gehe es um ständige Selbstüberschreitung in hoffender
samten Kirche herauslösen sollte (S. 52ff). Glaubenszuversicht wie völliger Liebeshingabc; gerade weil
Diese idealtypische Harmonie zwischen „Glaubensgeheim- allein die vollkommene Liebe die Erfüllung des Gesetzes
nis und Glaubenszeichen, zwischen geheimnisvollem Leben ist, treibt sie uns sündige Menschen in das Flehen um den
und sichtbarer Erscheinungsform" (S. 11) gerät in die harte wahren Glauben. Objektiv geurteilt, leben alle Menschen
Auseinandersetzung nach dem Konzil hinein und wird hierin allein aus Jesu Christi liebender Stellvertretung, welche sich
stärker unter das Christuskreuz gebeugt. Dies artikulieren in der Kirche als dem Leib Christi konkretisiert. So ist die
vier weitere Arbeiten: Freimut und Gehorsam (Das Ver- Kirche gerade in ihrer Verkündigung und Liebestat eine dy-
hältnis des Christen zu seiner Kirche) (S. 71-90), Was heißt namisch sich ausgießende; darin spiegelt sich Gottes trini-
Erncucrung der Kirche? (S. 91-106), Weltoffene Kirche? tarische Weltzuwcndung ab. Die neutestamentliche Wall-
Überlegungen zur Struktur des Zweiten Vatikanischen Kon- fahrt Gottes zu den Völkern durch die gewaltlosc Mission
zils (S. 107-128), sowie: Der Katholizismus nach dem Kon- der Kirche realisiert die alttestamentlichc Verheißung der
zil (S. 129-151). Mit Hans Urs von Balthasars wie Karl Völkerwallfahrt zum Gottesheil (S. 192).
Rahners Verweisen auf die Tradition wird der Hohelied- Dieses gehaltvolle Bändchen will die biblisch-altkirchli-
Vers: „Schwarz bin ich, aber schön" (1,5) auf die Kirche an- chen Wurzeln der römisch-katholischen Ekklcsiologie in
gewandt, sie ist casta meretrix, Hure und doch Braut, oder einer dem Laien verständlichen und zugleich herzandringen-
reformatorisch formuliert: Simul iusta ac peccatrix. Anhand den Sprache freilegen. Auch der evangelische Christ wird es
der einschlägigen Bibcltextc dehnt Ratzinger jenes Kern- mit innerem Gewinn lesen und sich trotz einiger polemi-
Paradox der göttlichen Kraft, welche in unserer Schwachheit scher Verzeichnungen (vor allem in der These, die Reforma-
wirkt, auf Petrus wie auf dessen Nachfolger und die kirch- toren hätten aufgrund eines quasi-hypostasierten Wortver-
'iche Institution aus. Dieses alles ist „Gottesfels und Strau- ständnisses den Bruch im Kirchenbegriff vollzogen, S. 25f,
chelstein" (S. 82), „Strauchelstein wie Fundamcntfelsen" 40ff) und letztlich bleibender Unterschiede (vor allem in der
(S. 85) zugleich. Das verpflichtet zu prophetischem Protest, grundsätzlich nicht mehr inhaltlich zu prüfenden Fixierung
z"m Kampf gegen das Babylon mitten in der Kirche (S. 86); des Glaubensartikels: Credo ecclesiam an den „Sehartikcl"
das setzt zugleich jeder Kritik eine „unübersteigliche Grcn- des in den Letztentscheidungen des römischen Bischofs ga-
und zwingt zu demütigem Gehorsam unter die Endgül- rantierten Kommunionnetzes der Ekklesicn, S. 39, 55f, 77)
t'gkcit göttlicher Zusage (S. 86). Auch das mißverständliche der tiefgreifenden Gemeinsamkeit freuen.
Afjgiornanicnto des Konzils möchte Ratzinger in diesem Heidelberg Albrecht Peters
Sinne deuten, weder als selbstprcisendc Anpassung an die
Gesetze dieser Welt noch als verchristlichende Heimholung

der eigenständig gewordenen Moderne (S. 122ff, 142ff), . _ __. ..... . uta „■„„,

sonH„„ , ^ -c ..• i- c j i rr Biser, Eugen: Theologie und Atheismus. Anstoße zu einer
"onclcrn als gottgemaße Hingabe an seine entfremdete Krca- ,', . , . ""7, .... , »»..i«Ju» riom
tur r>,u i u m rr -»v i • a- y ■ u „ theologischen Aporetik. München: Kosel-Vcrlag 1972).
Lur- Dabei soll die Kicuzcsthcologie die optimistisch ge- T" : " _,. . v' , .. . . . „ . 11 an
tönin t„i ti t ii i ■ • b ► a- ™-f -i, 94 S. 8" - K eine Schriften zur Theologie. Kart. DM 11,80.
L«nte Inkarnationsvorstellung korrigieren. Erst die mit ihrem
Herrn arm gewordene und entwcltlichte Kirche kann Der Atheismus wird hier nicht als Phänomen der Ideologen
wahrhaft der Welt zuwenden (S. 126). Erst die radikale gischen Wirklichkeit oder der Philosophiegcschichte polc-
N achfolge des geschlachteten Lammes wird die in sich ver- misch ins Auge gefaßt; worum der Vf. sich bemuht, ist viel-
Sch!osscnc Welt in Gottes Offenheit hineinnehmen (S. 128). mehr ein Akt der Selbstverständigung der Theologie: Es
ästend sucht Ratzinger hierbei nach dem uns gebotenen geht ihm nicht um Apologetik, sondern um theologische
Wc9 quer hindurch zwischen einer ängstlichen Selbstisolie- „Aporetik", um den Versuch, „die immanenten Rnsenstcllcii
n'ng und einem naiven Hcimholen-Wollcn der Welt. Aber des theologischen Systemdenkens aufzudecken (S. 90). Da-
auch gegenüber einer politischen Theologie" der Humani- bei gilt es einmal, den Atheismus, die Verneinung Gottes,
sierung der Welt (I B Metz) hält er am Missionsauftrag auf seine zentralen Motivationen hin zu befragen, inso-
der Christen fest und möchte das bleibende Skandalon des fern diese der Theologie als „Widerspiegelung des eigenen
Christenglaubens (S 1460 von den sekundären, schuldhaf- Wollens" (S. 16) erscheinen können. Ihnen wendet sich da-
te" Skandalen der Christenheit scharf abgehoben wissen. her der erste Teil der Überlegungen zu (»Atheismus und
, Diese Stoßrichtung kennzeichnet die beiden letzten Arbei- Theologie". S. 17-64). Die „entscheidenden Auskünfte sind
*»< Kein Heil außerhalb der Kirche? (S. 152-177) sowie: dabei nach der Einsicht des Vf.s „nicht von Theologen son-
D{>s Problem der Absoluthnt des christlichen Hcilswcges dern von Dichtern und Philosophen zu erwarten, wob« er