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1974

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

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Neuerscheinungen

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271

Theologische Literaturzcitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 4

272

die Untersuchung aber klar, wie oft Alberts Terminologie
schwankt, so daß der Eindruck des Einheitlichen wieder
verwischt wird. Aber nur durch so ins Einzelne gehende
Studien wird man zu einem angemessenen Bild Alberts
kommen, das Buch ist dabei ein wertvoller Beitrag.

Rostock Peter Heidnch

Becker, Karl J. SJ: Articulus fidei (1150-1230). Von der Einführung
des Wortes bis zu den drei Definitionen Philipp
des Kanzlers (Gregorianum 54, 1973 S. 517-569).

Clasen, Sophronius OFM: Theologische Anliegen und historische
Wirklichkeit in franziskanischen Heiligenlegcnden
(Wissenschaft und Weisheit 36, 1973 S. 1-44).

[Index Thomisticus:] Sancti Thomae Aquinatis, operum om-
nium, indices et concordantiae in quibus verborum ora-
nium et singularum formac et lemmata cum suis frequen-
tiis et contextibus variis modis referuntur quaeque auspicc
Paulo VI Summo Pontificc, consociata plurim opera atque
electronico IBM automato usus digessit Robertus Busa
S. J. Stuttgart: Frommann. 46 S. 4".

KIRCHENGESCHICHTE:
REFORMATIONSZEIT

Nembach, Ulrich: Predigt des Evangeliums. Luther als Prediger
, Pädagoge und Rhetor. Ncukirchcn-Vluyn: Neukir-
chener Verlag des Erziehungsvereins [1972]. 218 S. 8".
Lw. DM 33,-.

Die Habilitationsschrift für Praktische Theologie (Münster
1969) will die Lücke erkennen und Schliefjen helfen, die
darin besteht, daß die von Luther hochgeschätzte Predigt
in der Luther-Renaissance unserer ersten Jahrhunderthälfte
zwar eine Reihe von Spezialuntersuchungen, aber keine umfassende
, Grundlegung und Methodik einbeziehende Bearbeitung
als „Predigtlehrc Luthers" fand. Hier soll im Bewußtsein
, „Neuland" zu betreten, „Luthers Predigtlehre umfassend
analysiert werden" (12). Leider bleiben die Ursachen
jener „Lücke" uncrörtert, ebenfalls das sie präzisierende und
für das vorliegende Projekt entscheidende methodische Problem
, ob und wie die nach des Vf.s Meinung „allseitig durchgestaltete
", aber nie explizit dargestellte Homiletik Luthers
sich aus seinen Predigten und verstreuten Äußerungen über
das Predigen anders als in lückenhaften Umrissen rekonstruieren
lasse. Aber N. wiederholt nicht das fragwürdige
Verfahren, das für fast jede Generation nach Luther aus
diesem Material „die Homiletik des Reformators" einfach
zusammenstellte, wenn er auch wie jene Kompilatoren bei
Luther „Anleitung und Wegweisung zur Lösung unserer
Probleme" sucht (210). Seine Voraussetzungen und Absicht
vermittelnde Methode muß daher mit der Anzeige der
Hauptgedanken der Arbeit erörtert werden.

Kap. I prüft kurz die anscheinend reichlich fließenden
Quellen zu Luthers Homiletik (Predigten, Postillen, lturgi-
sche und systematische Schriften, Predigtentwürfe, Katechismen
, Vorlesungen, Disputationen, Briefe, Tischreden) auf
ihren Wert mit dem Ergebnis: „Es bleiben als sichere Grundlage
für eine Untersuchung über Luthers Predigtlehrc nur
seine Schriften zur Gottesdienstreform, die von ihm stammende
Kirchenpostillc sowie eine Schrift wie ,De servo ar-
bitrio'. Alle anderen Quellen können nur Ergänzungen dic-
sers Basis sein" (24). Die für die Predigten von N. mit Recht
genannten Kriterien (Authentizität, direkte Volksanredc,
Trivialsprache) werden jedoch nicht konsequent gehandhabt
: Bilden die nur in Nachschriften erhaltenen Invokavit-
predigten eine „Ausnahme", weil man ihre Situation und
Wirkung kennt (15), so müßte das auch für zahlreiche andere
Predigtnachschriften gelten. Der Verzicht auf liturgische
und systematische Schriften wie „De captivitate", die
„Rationis Latomianac confutatio" oder „Wider die himmlischen
Propheten" erscheint nicht, der auf die predigtartigen
Sermone, Vermahnungcn, Unterweisungen, Ratschläge,
Send- und Trostbriefe zu schwach begründet. Betont N. gegenüber
seiner Reduktion der Quellen, deren „Güte", so
rechtfertigt das doch weder die unter der Devise von Quellenkritik
faktisch mitvollzogenc Selektion von gleichrangigen
Quellen noch die dadurch entstandene Schmalbasig-
keit einer Arbeit, die für Luthers nur indirekt erschließbarc
Homiletik jede taugliche Quelle heranziehen müßte.

Die Kapitel II bis IV sind der prinzipiellen Homiletik gewidmet
, Kap. V der formalen. Das ist im Blick auf die von
der Praktischen Theologie gern an die Dogmatik delegierten
Fundamentalprobleme zu begrüßen. Indem jedoch der
für Luther wichtigste Teil, die materiale Homiletik, fortgelassen
(117f) und mit Bemerkungen in 11,2 abgetan wird,
verschieben sich unvermeidlich die Gewichte der ganzen
Predigtlehre Luthers, zugleich eine temporäre Aversion gegen
Exegese, Hermeneutik und Wort-Gottes-Thcologic dokumentierend
.

„Die Aufgabe der Predigt" (Kap. II, S. 25- 59) ist nach Luthers
häufiger Definition doctrina et exhortatio. Diese Formel
beansprucht N. in Abgrenzung gegen die neuere, s. E.
einseitige, nur theologisch begründete, den pädagogischen
und anthropologischen Aspekt der Predigt abschwächende
„Betonung des Wortes als Geschehen in der Predigt" (bei
G. Ebeling, V. Vajta, A. Niebergall, G. Hcintze, R. Bainton)
für das Recht der älteren Auffassung, „die Predigt als ein
pädagogisches Unterfangen, d. h. als eine Aufgabe christlicher
Existenz an der Gemeinde sah" (29); aber auf die
ausführlichste Interpretation jener Formel durch E. Hirsch
(LML 1954) geht er nicht ein. Begründet wird die - N. selbst
überraschende (57 A. 207), dem Rez. nur zeitbedingt erscheinende
- Übereinstimmung mit der liberalen Lutherdeutung
durch allgemeine Bemerkungen zu den Invokavitpredigtcn,
die als Herstellung der Ordnung und in ihrer Redeweise
einen „pädagogischen Charakter" hätten. Die prinzipielle
Diskussion der verschärften Alternative bleibt jedoch aus,
obwohl die Frage, inwiefern die dem Heil und Handeln Gottes
dienende Predigt „pädagogisch" sein könne, von Luthers
Hinweis auf die Pädagogie Gottes im 1. Sermon und vom
wiederholten Appell „das wort frey lassen vnd nit vnscr
werck darzu thun" (W 10111,6,2; 15,9) herausgefordert wird.
Auch die von N. nur erwähnten (25,37) Tischreden, in denen
Luther die doctrina auf die Dialektik, die exhortatio auf die
Rhetorik bezieht, geeignet, das relative Recht einer pädagogischen
Predigtauffassung differenziert und theologisch zu
begründen, bleiben uninterpretiert.

Eine Erklärung der sich hier andeutenden Verlagerung
der Homiletik in Grenz- und Nachbargebiete der Theologie
liefert der 2. Abschnitt des Kap.: „Predigt als Lehre und Ermahnung
des Evangeliums Christi in Freiheit". Die der Predigt
aufgegebene Lehre und Mahnung hat „Christus zu ihrem
Inhalt", genauer: „die historia des Christus pro nobis'
der Erkenntnis und Aufnahme anzubieten. Daher hat die
homiletische Theorie primär nach der Möglichkeit der Erkenntnis
und Aufnahme Christi sowie nach der Gestaltung
der sie aktualisierenden Predigt zu fragen. Diese Frage findet
N. beantwortet in Luthers Behauptung einer duplex cla-
ritas scripturac. In „De servo arbitrio" meine die äußere
Klarheit eine rein philologische, jedermann zugängliche Erkenntnis
, die innere eine allein vom Geiste Gottes bewirk'
barc cognitio cordis. Von beiden „völlig voneinander verschiedenen
Bereichen" weise Luther der Predigt die äußere
Klarheit zu, so daß „der Prediger nur äußerlich urteilen
kann", „allein die äußere Klarheit predigen muß" (47, 490-
So seien Rahmen, Möglichkeit und Aufgabe der Predigt
„eindeutig auf den Bereich der äußeren Klarheit festgelegt"
(50). N. sieht nicht, daß die Distinktion an sich wie in ihrer
Beziehung auf die Predigt alles andere als eindeutig ist. Ist
Luthers polemische und problcmrcichc Wendung von der
„claritas externa in verbi ministcrio posita" (W 18,609,5)