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Ausgabe:

1974

Spalte:

270-271

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Wieland, Georg

Titel/Untertitel:

Untersuchungen zum Seinsbegriff im Metaphysikkommentar Alberts des Grossen 1974

Rezensent:

Heidrich, Peter

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Theologische Literaturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 4

270

sehen Anthropologie auf. Diese Krise hat ihre Wurzel in dem Predigten zu Kollekten und zur vorösterlichen Fastenzeit,

„aristotelischen Dilemma", in dem sich die zwei Fragen den 3. Band füllen Predigten über Passion, Ostern und

unbeantwortet gegenüberstehen, weil sie sich gegenseitig Pfingsten, der 4. Band umfaßt Predigten über andere Fastcn-

ausschlicßen, nämlich die Frage nach der Einheit von Intel- Zeiten und Gedenktage. In jedem Band wird auf die Numc-

lekt und Körper und diejenige nach der Vereinbarkeit bei- rierung bei Mignc hingewiesen, so daß ein Zitat nach Mignc

der. Den Unterschied zwischen Thomas und Olivi kennzeich- leicht auf die neue Ausgabe umgestellt werden kann. Die

net Schneider folgendermaßen i „Thomas benutzte die (ab- einleitenden Kapitel in Band 1 (Der Heilige Leo und seine

gewandelte) aristotclisch-hylomorphistischc Begrifflichkeit Zeit - Predigt und Liturgie - Dogma und Moral) sind nütz-

dazu, die (geglaubte) Einheit von Intellekt und Körperlich- lieh, bringen aber keine Neuigkeiten. Über Migne hinaus

keit philosophisch zu beschreiben. Olivi variierte das plura- führen zahlreiche Anmerkungen: Hinweise auf Bibelstellen

listische System einer .substantiellen' Einheit, um in ari- und Kirchenväter, zuweilen auch auf neuere Literatur; An-

stotelisch-hylomorphistischcr Begrifflichkeit die wesentliche merkung 1 zu jeder Predigt erörtert Daticrungsproblcmc.

(aristotelische) Unvereinbarkeit von Intellekt und Körper Besonders wertvoll sind die Indices des 4. Bandes: Der In-

fcsthalten zu können" (S. 238). dex der Bibelstellen (S. 311-346) wird jenen Theologen hel-

Olivis Konzeption liegt damit schließlich „genau in der fen, die an Auslegungsgeschichte interessiert sind; der „in-

Linic seiner Schule" (S. 239). Das pluralistische System hatte dex analytique" (S. 347-454) bietet zu Stichworten nicht nur

„einen mehr oder weniger starken Dualismus zur Grund- die Stellen, sondern auch jeweils einen kurzen Satz, der den

läge" und trug „letztlich ncuplatonisches Gedankengut wei- Inhalt andeutet. Die französische Übersetzung wird sicher

ter" (S. 233). So wurde durch Olivis genialen Versuch offen- einen größeren Leserkreis im französischen Sprachraum er-

bar, daß in der pluralistischen Terminologie die Begriffe von reichen. In den Vorworten der Bände wird mehrfach auf

Materie und Form nicht mehr in ihrer eigentlichen Bedcu- eine entstehende Neuherausgabe von Antoine Chavasse hin-

tung gebraucht werden können. Dennoch stand der Versuch gewiesen; im 4. Band wird diese neue Edition im Corpus

Olivis, innerhalb der pluralistischen Anthropologie die Ein- Christianorum als unmittelbar bevorstehend freudig gefeiert

heit der menschlichen Natur zu wahren, der Einheitsthese (Bd. IV, S. 8). Man muß freilich bezweifeln, ob der Verlag

des hl. Thomas im Kreis der Pluralistcn am nächsten. der Sources Chretiennes diese Freude ganz teilt: Die nach

8. Er war auch von großer praktischer Auswirkung, inso- so langer Zeit endlich abgeschlossene Ausgabe dürfte durch

fern er das Konzil von Vicnne zu einer zwar entschiedenen, die bevorstehende kritische Ncu-Edition überholt werden,

aber zugleich in der Form maßvollen und in der Tragweite Rostock Gert Hoendler
abgegrenzten Erklärung über die Einheit des Menschen
brachte. Mit einem Blick auf das Konzil von Vienne (VIII.

Abschließende Überlegungen im Blick auf das Konzil von ... . . , .„ .
Vienne) setzt Schneider den Abschluß seiner Untersuchung. W.eland Georg: Untersuchungen zum Se.nsbegnff im Mein
diesem letzten Abschnitt verbindet er mit der sorgfälti- ^^«".f ^ Munster, W.:
gen Beurteilung der geschichtlichen Vorgänge eine abgewo- Aschendorff [1972]. VII. 120 S. 8» - Beitrage zur Gegen
kritische Einbeziehung bisheriger Arbeiten über das schichtc dcr Philosophie und Theologie des Mittelalters.
Verhältnis Thomas-Olivi-Vienne. An den Anfang des Texte und Untersuchungen, hrsg. v. L. Hodl u. W. Kluxen,
Schlußabschnittes stellt er für die weitere Forschung frucht- N' F' 7' Kart' DM 2 ' '

bare Hinweise auf handschriftliche und bereits edierte Qucl- Dieser schmale Band innerhalb der berühmten Reihe der

Jen, die besonders für die Erschließung der Spätzeit des Beiträge enthält eine Bochumer Dissertation aus dem Jahre

Korrcktorienstrcites noch der Auswertung harren. Die glück- 19ÖB- Prof- Kluxen regte die Arbeit an. Die Arbeit ist klar

liehe Verbindung von literarkritischer und geistesgeschicht- aufgebaut. Sie geht einer sehr speziellen Frage nach - das

licher Methode wird bis zum Ende der ausgezeichneten Stu- ist sicher auch ihre Grenze - aber der Autor hat gute Gründe

die beibehalten. dafür. Albert wird oft in Thomas' Schatten gesehen, der

Die Herausgeber der angesehenen „Bäumker-Beiträge' Wcrt der eigenständigen philosophischen Leistung Alberts

setzen mit diesem Band das Werk des Gründers in würdi- ist noch umstritten. Zudem zeigt sich beim Näherzusehen,

9er Weise fort. Dem Verlag Aschendorff gebührt eine beson- daf5 dic philosophische Terminologie Alberts recht uncin-

dere Anerkennung für dic vcrlagstechnisch hervorragende heitlich ist, dic vorliegende Studie bietet dafür auch manchen

Herstellung des Werkes. Beweis. Aber auch hier zeigt sich, wieviel an den ungenü-

pr, , ,, „ genden lateinischen Versionen liegt, die die Hochscholastik

tnurt Fritz Hoffmann 3 ,,. , , ,• r^ - «

von Aristoteles (wie von anderen Autoren) besaß. Die Arbeit
geht dem Begriff des esse innerhalb des Metaphysik-

. . kommentars nach. Abschließend wird das Ergebnis mit der

Leon le Grand: Sennons. I: Introduction de Dom J. Leclerq. Lehre des Aristoteles verglichen.

Tiaduction et notes de Dom R. Dolle. 2. ed. 295 S. II: Tra- Dje Untersuchung beginnt mit der Form im Zusammen-

"uetion et notes de Dom R. Dolle. 2. ed. 206 S. III: Tra- hang mit den „Ursachen" bei Aristoteles, sie erörtert die

«uetion et notes de Dom R. Dolle. 166 S. IV: Traduction, forma totius und lafjt dann die „Substanz" folgen. Dieser

n°tes et index de Dom R. Dolle. 458 S. 8". Paris: Editions Begriff ist bereits beim Stagiriten selbst vielschichtig, Al-

du Cerf 1964/1969/1961/1973. «■ Sources chretiennes, ed. oert versucht, ihn festzulegen. Nach einem Kapitel über

Par C. Mondcscrt, 22 bis, 49 bis, 74, 200. Alberts Vorstellung vom Universale kommt ein längeres Ka-

Die Herausgabe der 96 Predigten, die von Papst Leo d. pitel über den Gegenstand der Metaphysik, wie Albert ihn

überliefert sind, hat sich in der Reihe „Sources chretien- beschreibt. Hier geht der Autor recht ausführlich auf den

"Cs" über 24 Jahre hingezogen. Schon 1949 erschien der Liber de causis ein, damit deutet er auf dic Problematik

Band, der bald vergriffen war, 1973 konnte endlich der des albertschen Aristotelismus hin. Kapitel 6 bringt dann

^schließende 4. Band vorgelegt werden. Der lateinische die genaue Behandlung des Themas. Die Studie geht be-

Tc*t geht auf dic alte Edition von Ballcrini von 1755 zu- hutsam und sorgfältig vor. Die zahlreichen Anmerkungen

^uck- dem auch Migne in der Patrologia Latina (Bd. 54, bringen den lateinischen Text, auf den der Autor sich jc-

SP. 138 - 468) gefolgt war. Gegenüber der Zählung von Mi- weils bezieht, so ist die Interpretation ständig kritisch zu

flne wurde eine Neuordnung vorgenommen, indem man die verfolgen. Des Autors Anliegen ist, zu zeigen, daß Alberts

predigten nach dem damaligen liturgischen Jahr ordnete Lehre vom Sein als dem Akt der Form eine einheitliche Kon-

(Btl- I, S. 63). Der 1. Band enthält die Predigten über Weih- zeption darstellt, so daß Alberts Leistung mit der Kennzcich-

nathtcn und Epiphanias, den Inhalt des 2. Bandes bilden nung Materialsammlung nicht erfaßt ist. Andererseits macht