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1974

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

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Neuerscheinungen

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Theologische Litcraturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 4

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sehen Timaios. Es geht dem Alexandriner wie jenen pneumatisch
ausgerüsteten Gestalten, die er uns so beredt nahezubringen
verstand. Wo der Geist ihn verlassen hat, erscheint
er kraftlos. Die Abwesenheit der Exegese legt die
fehlende Originalität offen. Was ins Licht gerückt wird, ist
der gemeinsame Fundus hellenistischen Denkens.

Holle/Saale Wolfgang Wiefel

1 Die Parallelangabe S. 278 ist fehlerhaft und muß in der oben aufgeführten
Form verbessert werden.

- Dem Nachweis dienen die S. 357—361 zusammengestellten stilistischen
Entsprechungen aus den anderen Philo-Schriften.

:t Josephus berichtet über ihn mehrfach, am ausführlichsten Bell.
Jud. II,7-8,492-498.

--

Grundmann, Walter: Die frühe Christenheit und ihre Schriften
. Altenburg: Evang. Haupt-Bibel-Gesellschaft 1973.
152 S. 8".

Nautin, Pierre: Le canon du concile d'Arles de 314 sur 1c
remariage apres divorce (Recherches de science religieuse
61, 1973 S. 353-362).

Schmöle, Klaus: Gnosis und Mctanoia. Die anthropologische
Sicht der Buße bei Clemens von Alexandrien (TThZ 82,
1973 S. 304- 312).

Seviciu, Timotei: Doctrina hristologicä a Sfintului Chiril al
Alexandriei in lumina tcndintelor actualc de apropicre
dintre Biserica Ortodoxä si vechile Biserici Orientale (Die
christologische Lehre des hl. Kyrill von Alexandria im
Lichte der gegenwärtigen Bestrebungen zur Annäherung
zwischen der orthodoxen Kirche und den altoricntalischen
Kirchen). Dissertation, Zusammenfassung in französischer
Sprache Timisoara 1973, Mctropolitanverlag, 148 S.

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

Schneider, Theodor: Die Einheit des Menschen. Die anthropologische
Formel „anima forma corporis" im sogenannten
Korrcktorienstreit und bei Petrus Johannis Olivi. Ein
Beitrag zur Vorgeschichte des Konzils von Vicnne. Münster
/W.: Aschendorff [1973]. VI, 288 S. gr. 8Ü Beiträge
zur Geschichte der Philosophie und Theologie des Mittelalters
. Texte und Untersuchungen, hrsg. v. L. Hödl u.
W. Kluxen, N. F. 8. Kart. DM 48,-.

Das vorliegende Werk wurde im Sommer 1970 von der
Katholisch-Theologischen Abteilung der Ruhruniversität Bochum
als Habilitationsschrift angenommen. Es stellt eine in
jeder Hinsicht ausgezeichnete wissenschaftliche Leistung
dar. Die für die Thematik entscheidenden Quellen zieht
Schneider lückenlos heran und wertet sie gewissenhaft aus.
Auf die bisher zum Thema erschienene Literatur wird kritisch
eingegangen. Die analytische, textkritische Methode
ist aufs glücklichste mit der geistesgeschichtlichen Auswertung
der Quellen verbunden worden. In dieser Verbindung
sehe ich den besonderen formalen Wert der Arbeit, weil sich
in ihr methodische Exaktheit und die vom Stoff her gegebene
Spannung der Darstellung vereinigen.

Nachdem Schneider in der Einleitung (I) die thcologic-
geschichtliche Bedeutung des Themas aufgezeigt hat, fügt
er einen inhaltlichen Aufrifj der eigenen Arbeit an. Die Kontroverse
um die Einheit der Menschennatur, die in der streit-
vollcn Auseinandersetzung zwischen Franziskaner- und Do-
minikancrthcologen in dem halben Jahrhundert vor dem
Konzil von Vienne gründlich ausgetragen wurde, geht
Schneider von der Anthropologie des hl. Thomas aus an (II).
Daran fügt er im Abschnitt III die Darstellung des geschichtlichen
Ablaufes, den der sogenannte Korrcktorienstreit von
der Verurteilung in Paris 1270 über die Zensuricrungen von
Paris und Oxford 1277 bis zu den Verurteilungen durch Erz-
bischof Peckham 1284/1286 nahm. Hier kommen auch die
ersten theologischen Ankläger und Verteidiger des Thomas
zur Sprache. Der theologischen Darstellung der Kontroverse

dienen die folgenden Abschnitte IV, V und VII. In Abschnitt
IV wird uns Wilhelm de la Mare, der Verfasser des „Corrcc-
torium fratris Thomae" vorgestellt, im Abschnitt V seine
Kontrahenten, die dominikanischen Verteidiger der Einheitslehre
: Richard Knappwcll, Robert von Orford, Johannes
von Paris, Wilhelm von Macclesficld und Rambert von
Bologna. Bevor Schneider in Abschnitt VII den gigantischen
Versuch des Petrus Olivi darstellt, einen theologischen Mittelweg
zwischen der Einheitsthese des Thomas und dem
„Pluralismus" der Franziskanertheologen aufzuzeigen, bietet
er in Abschnitt VI methodisch sehr geschickt eine theologische
Analyse der Auseinandersetzung. In dem „Abschließende
Überlegungen im Blick auf das Konzil von Vicnne"
genannten Abschnitt VIII wird in kritisch abgewogener
Weise die Frage erörtert, was die Väter jenes Konzils eigentlich
angesichts der gegensätzlichen theologischen Thesen
über die Einheit der Menschennatur als Glaubenslehre verkünden
wollten.

Ein sorgfältiges Quellen- u. Literaturverzeichnis, ein knappes
Sachregister, dem man schon bei einer kurzen Übersicht
die sachkundige Erstellung anmerkt, und ein ausführliches
Personenregister bilden den Abschluß der Studie.

1. Schon in der Einleitung (S. 1-11) zeigt sich die Aktualität
der im Thema gestellten „Frage nach dem Lebewesen
Mensch". Sie erhebt sich von zwei Richtungen her. Erstens
von der Exegese her: Die anthropologisch relevanten Begriffe
der Bibel wie nefes, ruah, bäsär, meinen „nicht jeweils
einen Teil des Menschen neben anderen, sondern den
Menschen als ganzen und als Einheit" (S. 1). Zweitens von
der modernen Anthropologie her: Das neuzeitliche „Phänomen
der Evolution" stellt „die Frage nach dem Verhältnis
von Geist und Materie auf eine ganz neue Weise auch für
die theologische Anthropologie" (S. 1). Zwischen diesen beiden
Polen des biblischen und des modernen Denkens liegt

- wenn auch nicht genau zeitlich, so doch wohl theologic-
gcschichtlich - jenes „Drama, das an die wohl einschneidendste
kirchliche Lehrverurteilung im Mittelalter anschloß
(1277) und beschrieben wird unter dem Namen .Korrcktorienstreit
'. In dieser Fehde zwischen Dominikaner- und
Franziskanertheologen ging es vor allem auch um den Versuch
, in der Sprache der .modernen' aristotelischen Philosophie
vom Menschen so zu reden, daß die Aussagen der Offenbarung
unverfälscht blieben" (S. 3). Das in der Scholastik
so umstrittene Problem der „richtigen" Aristoteles-Interpretation
zeigte sich in zweifacher Hinsicht. Es ging erstens
darum, Aristoteles in einem Sinne zu deuten, der seiner
Lehre entsprach. Der christliche Theologe verband damit
zweitens die Absicht, mit Hilfe der aristotelischen Philosophie
die Lehren der christlichen Offenbarung auszudrücken.
Die in diesem Sinne „richtige" Aristotelesdeutung mußte im
Einklang der Glaubenslehre stehen. Der „Korrcktorienstreit"
oder der „Streit um Thomas", wie er auch genannt wird

- ausgelöst durch die Verurteilungen von Paris und London
1277, zunächst zum Abschluß gebracht durch das Konzil von
Vicnne 1311/12 -, wurde eigentlich von diesen beiden Motiven
vorangetrieben. Anhand des anthropologischen Problems
der Zuordnung von Seele und Leib werden wir so in
eine der spannendsten Entwicklungsphasen der scholastischen
Theologie eingeführt.

2. Ausgangspunkt dieser Entwicklung ist die Lehre des
Thomas von Aquin über die Einheit der menschlichen Natur
mittels der aristotelischen Begriffe von Materie und Form.
Von liier muß der Einstieg in die von Thomas ausgelöste
Kontroverse genommen werden. Schneider scheute nicht die
Mühe, die Lehre des hl. Thomas, die gerade in dieser anthropologischen
Frage schon oft angegangen worden ist,
noch einmal im Hinblick auf jene Kontroverse zu analysieren
. Diesem Ziel dient Teil II seines Werkes. Die entscheidende
und neue Behauptung des Thomas besteht in der
Herausstellung der intcllcktivcn Seele als der einzigen
Form des Menschen. Gegen Manscr und de Wulf (S. 16) ver-