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Ausgabe:

1974

Spalte:

247-250

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Eißfeldt, Otto

Titel/Untertitel:

Kleine Schriften 1974

Rezensent:

Bardtke, Hans

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Theologische Litcraturzcitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 4

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■r> H. Bettensweiler, Die Ehe im Neuen Testament. Exegetische Untersuchungen
über Ehe, Ehelosigkeit und Ehescheidung, AThANT 52,
1967, 166 u. passim; Conzelmann, 1 Kor 139ff. - D. L. Balch, Back-
grounds of I Cor. VII: Sayings of the Lord in Q; Moses as an Ascetic
ÖHfoC ar/jO in II Cor III, NTSt 18 (1971/72) 351ff konstruiert die Existenz
einer asketischen Gruppe unter den Opponenten des Paulus in
Kon'nth, die von der Tradition der Logienquelle abhängig ist. Anders
als Paulus vertreten sie einen extremen Asketizismus, der auf Spekulationen
zurückgeht, die Mose, Christus und den christlichen Pneumatiker
miteinander verbinden. Wie bei Mose (Philon, de vita Mos 11,66 bis
70) so ist auch beim christlichen Pneumatiker der Sexualverzicht Voraussetzung
des Offenbarungsempfangs.

" Anders W. Schmithals, Die Gnosis in Korinth. Eine Untersuchung
zu den Korintherbriefen, FRLANT 66. ;l1969, 222f. Schmithals leugnet,
daß 7,1—24 asketische Tendenzen in der korinthischen Gemeinde belegt
(für 7,25-38 will er das nicht ausschließen). Aber dieses Urteil ist
nur möglich, weil er die eschatologische Motivation des Eheverzichts
als Gegensatz zur asketischen mißversteht (223, Anm. 2) und überhaupt
einen zu engen Begriff von Askese verwendet (vgl. 222, Anm. 1).

7 D. J. Doughty, Heiligkeit und Freiheit. Eine exegetische Untersuchung
der Anwendung des paulinischen Freiheitsgedankens in 1 Kor 7,
Di ss. Göttingen, 1965: Es gibt in Korinth keine eigene asketische
„Partei" (nach Doughty ist freilich die Rede von korinthischen „Parteien
" überhaupt unrichtig: 135, Anm. 1 u. passim); die asketischen
Neigungen der Korinther verstünden sich vielmehr als Konsequenzen
des Geist-Enthusiasmus (125.143f u. passim). Doch rückt Doughty die
paulinische Position im Dienste seiner (vergebens geleugneten
: 166) apologetischen Tendenz zu weit von der Position der korinthischen
Enthusiasten ab. Auf Einzelheiten kann ich hier nicht eingehen
.

H Unter den Lastern, vor denen die Neugetauften gewarnt werden,
hat die xoovfi'u deutlich den Primat. Sie erscheint schon statistisch
am häufigsten (vgl. die Ubersicht bei S. Wibbing, Die Tugend- und
Lasterkataloge im Neuen Testament und ihre Traditionsgeschichte
unter besonderer Berücksichtigung der Qumran-Texte, BZNW 25, 1959,
87f), führt zuweilen den Katalog an (Gal 5,19ff; 1 Kor 6,9ff; Kol 3,5ff.
Eph 5,3) und gilt offenbar (in jüdischer Tradition: Billerbeck lll,64ff;
IV,354ff) als ein Kardinal laste r der Heiden. Der Kampf gegen die
TTOOVFta wird mit besonderer Strenge geführt: der Sexualrigorismus
bestimmter Gruppen des frühen Judentums ist in der Tradition des
missionierenden hellenistischen Judenchristentums eschatologisch verschärft
. Die Libido erscheint hier überall nur in ihrer entfremdeten
Gestalt — als coneupiscentia, durch die die christliche Existenz in
besonderer Weise gefährdet ist.

B Im einzelnen: Fordert das Christsein die partielle oder vielleicht
sogar die totale Kontinenz der Ehepartner (7,3ff), die Trennung vom
heidnischen Ehepartner (7,12ff), den Verzicht auf das Einnehen einer
neuen Ehe (7,39f und zuvor schon: 7,8), den Verzicht der Unverheirateten
auf die Ehe (7,8f), die Bewahrung der Virginität (7,25ff) ? Zu
7,36—38 siehe unten.

<° K. Müller, Die Forderung der Ehelosigkeit für alle Getauften in
der alten Kirche, in: Aus der akademischen Arbeit. Vorträge und Aufsätze
, 1930, 63ff. Zu der besonders interessanten (aber auch umstrittenen
) Entwicklung der Askese in der alten ost-syrischen Kirche val. nur:
A. Adam, Grundbegriffe des Mönchtums in sprachlicher Sicht, ZKG 65
(1953'54) 209ff; ders., Erwägungen zur Herkunft der Didache, ZKG 68
(1957) 37ff; A. Vööbus, History of Asceticism in the Syrian Orient.
A Contribution to the History of Culture in the Near East. I: The
Oriain of Asceticism. Early Monasticism in Persia, CSCO 184, 1958;
G. Kretschmar, Ein Beitraq zur Frage nach dem Ursprung frühchristlicher
Askese, ZThK 61 (1964) 27ff.

11 Die Maxime in 7,1 ist nicht Formulierung der Korinther (so z. B.
J. Jeremias, Zur Gedankenführung in den paulinischen Briefen, jetzt
in: Abba. Studien zur neu testament liehen Theologie und Zeitgeschichte
, 1966, 273), sowenig wie die ähnlichen Maximen in 7,8 und
26. Vgl. noch: Gal 4,18; 1 Kor 9,15; Rom 14,21; und Conzelmann,
1 Kor 139, Anm. 10.

12 Daß die Formulierung des Paulus in 7,7 impliziere, auch die Ehe
sei ein Charisma (I), ist ein Mißverständnis des Textes (zuletzt wieder
E. Güttgemanns, Der leidende Apostel und sein Herr. Studien zur paulinischen
Christologie, FRLANT 90, 1966, 233). Vql. dagegen: schon H.
Lietzmann, An die Korinther I.II, HNT 9, ''1969 (erg. v. W. G. Kümmel
), 30; O. Merk, Handeln, 100, Anm. 133; Conzelmann, 1 Kor 143;
ders., ThW IX, 395, Anm. 23. Die Ehe ist für Paulus nicht Charisma,
sondern Zeichen für den Mangel an Charisma, nämlich: wer zur Ehe
genötigt ist, entbehrt des charisma continentiae. Darum muß Paulus
ja hinzufügen: wer dieses Charisma entbehrt, wird wohl durch ein
anderes entschädigt werden I

13 Zur ganzen Frage: W. G. Kümmel, Verlobung und Heirat bei
Paulus (1 Kor 7,36-38), jetzt in: Heilsgeschehen und Geschichte. Gesammelte
Aufsätze 1933—1964, hrsg. von E. Grösser, O. Merk, A. Fritz,
1965, 310-327. Zur Diskussion über die Syneisaktenhypothese: 311f. 320ff.

H Das hat zuletzt Kümmel zu erweisen gesucht: a.a.O. 322ff. Zustimmung
bei Chr. Maurer, WuD 6 (1959) 164, Anm. 7; Schräge, Einzelgebote
, 149; Merk, Handeln, 121J Baltensweiler, Ehe, 184; Conzelmann
, 1 Kor 160f.

W Auf die Naherwartung ist dabei nicht reflektiert (anders Kümmel
, a.a.O. 326; Schmithals, Gnosis, 223, Anm. 2; Merk, Handeln,
121). Das Motiv ist vielmehr in 7,37 ausgesprochen: bestimmend ist
das Virginitätsideal.

lfi Eine Vermittlung zwischen Syneisaktenhypothese und Kümmels
Deutung bei Schmithals, Gnosis, 222f.

17 v. Campenhausen, Askese, 138; Wendland, Kor 54; Conzelmann,
1 Kor 140.

ls 7,1b ist also nicht von der Naherwartung her motiviert. Dagegen
auch (in Auseinandersetzung mit Kümmel, z. St.) Conzelmann,
1 Kor 140, Anm. 14. Desgleichen darf die Maxime 7.1b auch nicht von
der Forderung der Ganz-Hingabe an den Kyrios erklärt werden. Dieses
Motiv kommt vielmehr erst in 7,32b ff zur Sprache.

1M Dazu E. Fehrle, Die kultische Keuschheit im Altertum, RGW VI,
1910 (Neudruck 1966), 25ff u. passim; O. Böcher, Dämonenfurcht und Dä-
monenobwehr. Ein Beitrag zur Vorgeschichte der christlichen Taufe,
BWANT 10 (90), 1970, 292ff u. passim. - Dus Virginitätsideal ist mitbestimmend
in 7,34b und 7,37b.

-*> In 7,29-31 folgt ein Traditionsstück (W. Schräge, Die Stellung
zur Welt bei Paulus, Epiktet und in der Apokalyptik. Ein Beitrag zu
1 Kor 7,29-31, ZThK 61, 1964, 125ff; näherhin 138ff; zustimmend: Merk,
Handeln, 118f), das im Grunde in Spannung zu der übergreifenden
Argumentation steht, weil der Tenor von 7,29-31 jedenfalls nicht den
Vorzug der Ehelosigkeit beweist, sondern (wie immer das COfi (An näherhin
zu erklären ist) die innere Distanz zu den Bindungen der Welt.
(Die Frage der Verwandtschaft des Traditionsstückes mit Motiven der
späteren Stoa bzw. der jüdischen Apokalyptik ist hier nicht zu behandeln
.)

21 Vgl. die ähnliche Vermutung bei v. Campenhausen, Askese, 145f.
~'J So auch v. Campenhausen, Askese, 146.

J:i Hat UFflFoimm gehört noch zum voraufgehenden Satz. Zum Text:
Conzelmann, 1 Kor 159 u. Anm. 31.

-1 So auch v. Campen hausen, Askese, 146; Merk, Handeln, 120f.
Doch wird dies bei Merk mit der Motivation aus der Naherwartung
gleich wieder harmonisiert.

2S Vgl. Conzelmann, 1 Kor 159. Doch meint Conzelmann, es sei zu
fragen, „wieweit die Formulierung ad hoc überspitzt ist" (?).

»■ Billerbeck, lll.368.372f.

'21 Ambros. de viduis 13,79 (MPL 16,259): incontinentioe remedia.
Vgl. Hieron. ep. 49 (48), 14 (ed. Hilberg, CSEL 54,374f).

'JH Diese Formulierung stammt von E. Peterson, der sie in anderem,
aber verwandten Zusammenhang verwendet hat: Einige Beobachtungen
zu den Anfängen der christlichen Askese, in: Frühkirche, Judentum
und Gnosis. Studien und Untersuchungen, 1959, 213.

-M Daß die Ehe für Paulus göttliche Ordnung ist, zeigt auch Rom
7,1-3.

30 Eine Reflexion darüber, wie diese Normen in den Zusammenhang
der eschatologischen Freiheit eingefügt sind, bietet Paulus nicht; nicht
einmal eine Reflexion über die Differenz zwischen den Bestimmungen
des alttestamentlichen Rechts und dem Scheidungsverbot des Kyrios!

31 Auffällig ist hier die Gleichstellung von Mann und Frau (7,3f).
Ob sie wirklich aus der Begrenzung der Freiheit durch den Partner
(so Conzelmann, 1 Kor 142) folgt, oder nicht eher aus mythologischen
Vorstellungen von der fifa näni der Ehepartner, bleibe dahingestellt.

■ Einzelfragen zu 7,10ff sind hier nicht zu erörtern.

:t:> Gewiß ist die asketische Tendenz von der paulinischen eleutheria
her ausgelegt (Conzelmann, 1 Kor 140f u. passim). Freilich nach beiden
Seiten hin: die christliche Freiheit schränkt nicht nur die asketischen
Tendenzen ein (sie macht eine Absolutsetzung der Askese unmöglich
und schließt das Mißverständnis der Askese als Heilsweg aus,
vgl. auch v. Campen hausen, Askese, 143f; Doughty, Heiligkeit, 224);
sondern der Eheverzicht wird zugleich auch (was nicht übersehen werden
darf) als Freiheit für den Kyrios ausgelegt (daß doneben noch
andere Motivationen der Askese wirksam sind, wie wir gesehen haben,
steht jetzt nicht zur Debatte). Die paulinische Freiheit motiviert also
der Sache nach beide Seiten: die Askese wie die Konzession der
Ehe. Und eben deshalb kommt es im Effekt weder zu einer Absolutsetzung
noch zu einer Verwerfung der Sexualaskese, sondern zu einem
Kompromiß. — Unbefriedigend die Ausführungen bei Doughty, 146ff.
Doughty betont, daß die paulinische Position nicht vom Gegensatz
„sittliches Ideal—Wirklichkeit" her verstanden werden darf: dieser Gegensatz
sei ja durch das Indikativ-Imperativ-Verhältnis abgelöst. Indessen
: damit ist doch nur die Voraussetzung der neuen Problematik
formuliert, nämlich: wie ist die eschatologische Motivation mit den
konkreten Bedingungen der Endlichkeit und Entfremdung zu vermitteln
? Hier reicht der Rekurs auf das (formelle!) Indikativ-Imperativ-
Verhältnis nicht mehr aus, es ergibt sich die Nötigung zu einer neuen,
positiven Normensetzung und damit zugleich wiederum (freilich auf
einer neuen Ebene) der Gegensatz von Wunsch und Wirklichkeit.

M Der Unterschied zur Ehekonzeption von Eph 5,22ff ist also schon
vom Ansatz her ganz deutlich. Für 1 Kor 7 gehört die Ehe zu den Größen
, die die volle eschatologische Existenz begrenzen und einschränken
. In Eph 5,22ff dagegen wird bereits versucht, die Ehe
in die neue Existenz zu „integrieren". Sie wird zum Heilsgeschehen
in eine positive Beziehung gesetzt.

ALTES TESTAMENT

Eiftfeldt, Otto: Kleine Schriften, V, hrsg. v. R. Sellhcim u.

F. Maass. Tübingen: Mohr 1973. VII, 287 S. m. 3 Abb. i.

Text, 15 Abb. auf 8 Taf. gr. 8". DM 77,-; Lw. DM 85,-.

Der fünfte Band der „Kleinen Schriften" Otto Eifsfcldts
kann erst nach dem Heimgang des verdienten Gelehrten
hier besprochen werden, obwohl das Buch noch in seinen
letzten Lebensmonaten erschienen ist. Es ist in zwei grofjc

Teile gegliedert, einmal in den Aufsatzteil und dann in ein
vollständiges Verzeichnis der Schriften Otto Eifjfeldts, wie
es bisher noch nicht in solcher Vollständigkeit und Geschlossenheit
vorgelegt worden ist. Es wird Dr. Karl-Martin Bcysc
verdankt, umfafit die Seiten 222-287 und stellt ein bewundernswertes
Zeugnis der Schaffenskraft Eifjfeldts dar.

Die beiden Herausgeber Sellhcim und Maass planen mit
dem Verlag die Herausgabe eines sechsten Bandes der kleinen
Schriften. Er soll einen analytischen Index und die