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Ausgabe:

1974

Spalte:

234-236

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Cone, James H.

Titel/Untertitel:

Ich bin der Blues und mein Leben ist ein Spiritual 1974

Rezensent:

Lehmann, Theo

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zusätzlich in einem Buch nachzulesen; tut man es dennoch
(imil regt mnn sogar — durch Fortführung der bisherigen

Publikation von ,,Volksmeßbüchern" — dazu an), so gefährdet
man die erneuerte Liturgie an einer zentralen Stelle:
Iii einem Gottesdienst, dessen wesentlichstes Kennzeichen
der Dialog ist (LK 33), hohen wohl unmittelbares Sagen und
Hören, nicht aber distanziertes Nachlesen und Nachschlagen
einen Platz.

Die Herausgeber des neuen „Schot t" haben dieses Dilemma
gewiß empfunden; sie versuchten deshalb, ihrer Publikation
eine neue, gleichsam außerliturgische Funktion zu Beben:
,,Dieses Leseheft (sie!) itt auch für solche gedacht, die
wahrend der Woche nicht (oder nicht täglich) an der Eucha-
risliefcier teilnehmen können. Gerade sie brauchen das Wort,
das ihrem Glauben Nahrung und ihrem Leben Richtung
gibt" (Odo Haggenmüller OSH im Vorwort zu unserem
Hand). Also: Der neue „Schott" ist kaum noch für die unmittelbare
Verwendung im Gottesdienst gedacht: er soll
vielmehr der außcrgottcsdicnsllichen, privaten, meditativen
Beschäftigung mit den liturgischen Texten dienen. Ks entspricht
dieser neuen Funktion, wenn die nun anlaufende
Reihe — viel stärker, als rlies bei den älteren Ausgaben der
Fall war — mit kommentierenden Einführungen und Me-
ditatlonitexten ausgestattet ist: jeder Lesung wird ein
kleiner Kommentar, eine Art Präfamen vorausgeschickt;
dem Evangelium wird zusätzlich noch ein Meditationstext
angefügt (der in seinem Inhalt auch auf die vorhergehenden
Lesungen bezogen sein kann). Diese Meditationstexte sind
durchweg von hoher theologischer und sprachlicher Qualität;

bekannte evangelische Theologen (Karl Harth, I). Bon-

hoeffer, Rudolf Möllmann, Günter Bornkamm, Gerhard
Gloege D< a.), aber mich nichtchristüche Autoren (Martin
Hoher!) kommen hier wiederholt zu Wort. Die durchweg
hilfreichen Kurzkommentare und die hervorragend ausgewählten
Mcdilationstcxto machen den neuen „Schott" zu
einein ausgezeichneten Hilfsmittel für die persönliche Beschäftigung
mit den liturgischen Texten.

Das vorliegende Händchen ist Teil einer größeren Publi-

kationsreihe; es umfaßt — als Teil 3 — lediglich die Wochen*
tagslesungen für die 0. —20. Woche im Jahreskreis. Insgesamt
werden die Lesungen für die Wochentage in vier
Teilen publiziert (1. Advents- und Weihnachtszeit sowie
1. —9. Woche im .Jahreskreis; 2. Die Fastenzeit und die
Osterzeit; 3. 6. —20. Woche im Jahreskreis; 4. 21.-34.
Woche im Jahreskreis). Dazu kommen dann — in insgesamt
acht Teilen — die neuen Sonntagslcsungcn, die Lesungen für
ilie I leiligenfeste und die Lesungen zu Meßfeiern bei verschiedenen
Anlässen. Ks ist hier nicht der Ort, die — nach
der Beforin — reichlich komplizierte neue römische Lesc-
Ofdnnng darzustellen; nur die Grundzüge seien hier angedeutet
: Während die Sonntagslesungen (alttestamentlichc
Lesung — epislolischc Lesung — Evangelium) in einem dreijährigen
Turnus wiederkehren (man unterscheidet hier
zwischen den Losejahren A, B und C), wird bei den Wocbcn-
tagfleiungen ein zweijähriger Turnus durchgehalten (Lesejahr
I und II). Zu beachten ist ferner: Im Unterschied zu den
Sonnlagsformularen sind für die Wochentagsmessen nicht
drei, sondern nur zwei Lektionen vorgesehen; die erste
Lektion („Lesung" im eigentlichen Sinn) ist entweder dem
Alten Testament oder dem epistolischen Schrifttum entnommen
. Nur diese „eigentliche" Lesung variiert in den
beiden Lesejahren; das Evangelium bleibt identisch und
wird vom zweijährigen Turnus nicht betroffen. Für die
Wochenlagslesiingeii in der Advents-, Wcihnaehts-, Fnstcn-
Und Osterzeit gilt wieder eine andere Regelung.

Im vorliegenden Tcilband 3 sind die einzelnen Tagesformulare
demnach wie folgt aufgebaut: Lesung zu Jahr 1
mit Einführung und zugehörigem 1. Zwischengesang, der
ebenfalls voll ausgedruckt wird; Lesung zu Jahr II, wieder
mit Einführung und 1. Zwischengesang; Evangelium (zu
Jahr I und II) mit Einführung, Meditationstext und Hin-

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weis auf den 2. Zwischengesang (Alleluja-Vers). Zwischengesänge
zur Auswahl (Antwortpsalmen und Alleluja-Verse)
finden sich im Anhang (S. 637 — G48); die „Feier der Ge-
rneindemesse" - einschließlich sämtlicher Hochgebete — ist
ebenfalls mit abgedruckt (S. 649-693).

Die Auswahlprinzipien, die der neuen römischen Leseordnung
im allgemeinen (und damit auch der Lese Ordnung
un den Wochentagen) zugrunde liegen, können in dieser
Besprechung ebenfalls nicht erörtert werden. Ein Zitat nus
dem Vorwort zu unserem Bändchen muß hier genügen:
„Mit der Aufstellung dieser Leseordnung hat die Liturgiereform
den Auftrag des Zweiten Vatikanischen Konzils
erfüllt, daß alle «richtigen Teile der Heiligen Schrift im
Gottesdienst gelesen werden sollen. Für die großen Zeiten
des Kirchenjahn (Advent, Fasten- und Osterzeit) sind die
Lesungen aus dem Alten und Neuen Testament mehr
thematisch zusammengestellt. Dagegen werden an den
Wochentagen ,im Jahreskreis' die verschiedenen biblischen
Bücher je für sich forllaufend gelesen. Hier braucht nlso
nicht jedesmal ein direkter Zusammenhang zwischen Lesung
und Evangelium gesucht zu werden. Fruchtbarer ist es,
jeden Schrifltext zunächst für sich zu nehmen und nach
seinem eigenen Sinn und Gewicht zu befragen. Daß auch so
sich gelegentlich aufschlußreiche Beziehungen zwischen den
beiden Schriftlesungen ergeben, kommt daher, daß, sobald
man tiefer gräbt, die Einzelwahrheiten sich immer mehr der

Wahrheit nähern."

Zum Schluß sei noch darauf hingewiesen, daß der St.
Benno Verlag in Leipzig jetzt damit beginnt, den neuen
„Schott" — so, wie wir ihn hier dargestellt haben — als
Lizenzausgabe zu veröffentlichen; am Anfang steht ein
Heft, das die Sonntagslcsungcn des Lesejahres B enthält.

Leipzig Knrl-Heinrich nicrilz

Com, Linns IL: Ich bin der Blues und mein Leben s ein
Spiritual. Line Interpretation schwarzer Lieder. Mit einem
Vorwort von J. Mollmann, übers, v. W. Lück. München:
Kaiser [1973]. 173 S. 8°. DM 16,50.

James H. Cone, Wortführer für die „schwarze Theologie"
(vgl. sein gleichnamiges Buch, München 1971, TbLZ 97,
1972 Sp. 545ff), macht keinen Hehl daraus, „kein unparteiischer
Interpret der Spirituals und des Blues" zu sein
(S. 15). Im Gegenteil: Die Macht der schwarzen Musik und
„den Geist fühlen" (S. 16), postuliert er als Voraussetzung
der Interpretation. Diese durchaus der Sache angemessene,
leidenschaftlich engagierte Haltung des Verfassers ist das
Besondere des Buches, setzt aber gleichzeitig seiner Beurteilung
bestimmte Grenzen. Die Arbeit bringt keine
wesentlichen neuen Materialien oder Erkenntnisse, die über
das hinausgehen, was in der einschlägigen Literatur schon
dargestellt wurde. „Cone aber gibt uns die erste existentielle
Auslegung ... zu diesen Liedern" (J. Mollmann im Vorwort
, das mit dem merkwürdigen Satz „Dieses neue Buch . . .
braucht kein Vorwort" eingeleitet wird), und darin sowie in
der Akzentuierung bestimmter Aspekte liegt der Unterschied
zu anderen Darstellungen.

Cone skizziert im 1. Kapitel die wichtigsten bisherigen
Interpretationen des schwarzen Spirituals und sagt, daß
Benjamin Mays „der erste (und faktisch der einzige) Wissenschaftler
" war, „der die Sklavenlieder unter theologischen
GeakhUpunktea analysierte" (S. 30). Es liegen aber zwei
ausführliche Arbeiten "zum Thema vor: Th. Lehmann: Negro
Spirituals, Geschichte und Theologie. Berlin und Witten 1965
(vgl. ThLZ 92, 1967 Sp. 711f) und Christa Dixon: Negro
Spirituals, Wesen und Wandel geistlicher Volkslieder,
Wuppertal 1967. Die letztgenannte Veröffentlichung wird
überhaupt nicht, die andere nur als Hinweis erwähnt. Eine
Beschäftigung mit diesen beiden Annlyscn hätte Cone zumindest
die Erkenntnis verschafft, daß er bereits theo-

Theologische Literaturzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 3