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Ausgabe:

1974

Spalte:

232-234

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Titel/Untertitel:

6 1974

Rezensent:

Bieritz, Karl-Heinrich

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Theologische Literalurzeitung 99. Jahrgang 1974 Nr. 3

232

(vgl. S. 41, Anm. 179). Danach können Frauen also weder
das priesterliche Amt noch das Diakonat ausüben, wobei
jedoch undeutlich bleibt, ob Gratian hierin einen kirchlichen
Rechtsgrundsatz oder eine göttliche bzw. apostolische Anordnung
im Sinne des ins divinum sieht. Hinsichtlich der
Zitation des Diakonats vermutet Raming, daß damit ein
Tatbestand mitgeteilt wird, der als Folgeerscheinung des
allmählichen Verfalls des weiblichen Diakonats der Alten
Kirche anzusehen ist.

Das Entstehen der Verbote für die Amtsausübung durch
Frauen verfolgt die Vf.in über die einzelnen Entwicklungsstufen
bis zu den Ursprüngen zurück. Dabei fragt sie vor
allem nach der Motivation. Für das Lehrverbot ergibt sich,
daß es eindeutig „in der Auffassung vom seinsmäßigen und
ethischen Minderwert der Frau, wie aus der Motivierung in
1 Tim 2 klar hervorgeht", gründet (S. 25). Das Taufverbot,
das bei Gratian im Zusammenhang mit dem Lehrverbot
angeführt wird, hat seine Vorlage in den Apostolischen
Konstitutionen, die ebenso wie die Didaskalia den Status
subiectionis der Frau unter Berufung auf die Schöpfungsordnung
hervorheben. Die Minderbewertung der Frau ist
auch für Gratian eine Selbstverständlichkeit. In seinen
Kommentaren und Urteilen zeigt er sich befangen „in einer
von rabbinisch-paulinischem Gedankengut geprägten, die
Freiheit der Frau unterdrückenden Ideologie" (S. 45).

Die Vorzugsstellung einzelner Frauen in der Richterzeit
beispielsweise scheint für Gratian lediglich eine Art von
Atavismus, der im Neuen Bund durch entsprechende
Weisungen des Apostels Paulus überwunden wurde, gewesen
zu sein. Anhand einer Fülle von Belegen weist Raming nach,
welchen Einfluß das Dekretbuch Gratians auf die weitere
Herausbildung des römisch-katholischen Kirchenrechts besessen
hat. Dabei berücksichtigt sie sowohl die wissenschaftliche
Bearbeitung des Dekretbuches durch die Schüler
Gratians, die sog. Dekretisten, als auch die Rechtsent-
wicklung der Folgezeit. Die Dekretisten haben sich der Lehrmeinung
Gratians angeschlossen und sie teilweise noch erhärtet
, ebenso die spateren Dekretalen. Unter Innozenz III.
wurden die gegebenen Vorschriften noch dahin verschärft,
daß den Äbtissinnen die Ausübung priesterlicher Praktiken
gegenüber den ihnen untergeordneten Nonnen untersagt
wurde.

In einem Exkurs, der vor allem die einschlägigen Stellen
des Buches Genesis und die exegetische Literatur hierzu
berücksichtigt, ergänzt Raming ihre rechtshistorischen Ausführungen
durch „Exegetische Bemerkungen zum (patri-
stischen) Sehriftbeweis für die Unterordnung der Frau"
(S. 166—200). Bedauerlicherweise wird das Neue Testament
fast nur soweit in Betracht gezogen, als es ausdrückliche
Weisungen zur Frage der Unterordnving der Frau gibt. Die
Interpretation erfolgt in erster Linie anhand der zugrunde
liegenden alttestamentlichen Fundorte.

Der dogmatische Teil des Buches (S. 201 — 221) ist stark
komprimiert gehalten. Raming beruft sich jedoch nicht
völlig zu Unrecht auf die bereits vorhandene theologische
Fachliteratur, in der die „Argumente dogmatischer Art, die
zur Begründung des Ausschlusses der Frau vom Dienst im
kirchlichen Amt angeführt werden", bereits eingehend
kritisch geprüft und hinreichend widerlegt worden sind
(S. 201). Die Vf.in bereichert die theologische Diskussion
jedoch um einige wesentliche polemische Einwendungen
gegen die katholische Amtsauffassung, nach der die sichtbare
Stellvertretung Christi eine entscheidende Holle spielt.
Das sich auf die Eheparäncsc von Eph 5,22 — 33 beziehende
Amtsverständnis der Katholiken gehe davon aus, daß der
männliche Bischof der Gemeinde gegenüber die Stelle Christi
einnimmt. „Die äußere, biologische Ähnlichkeit mit dem
historischen Jesus (aus der man freilich — sehr voreilig —
auch eine seelische Übereinstimmung und Ähnlichkeit der
Natur folgert) gilt demzufolge als hauptsächliches Erfordernis
für die amtliche Stellvertretung" (S. 209).

Das traditionelle Amtsverständnis wurde von dem Dekret
über Dienst und Leben der Priester („Presbyterinm ordinis")
des II. Vatikanum erneut als gültig bestätigt. Aus der Sicht
evangelischer Theologie kann man u. E. mit Raming nur
sympathisieren, wenn sie zu der für ihre Problemlage äußerst
wichtigen Feststellung kommt, daß nämlich die so (d. h. im
Sinne der Tradition und ihrer Fortsetzung durch das II.
Vatikanum — I. B.) verstandene Stellvertretung „in eine
äußerst bedenkliche Nähe zur Identifikation des Bischofs
mit Christus gerät ..." (S. 210). Jeder Versuch eine]
solchen Identifikation ist nach Raming mit Entschiedenheit
zurückzuweisen. Denn: „Anders als Dienst und Gehorsam
Christus gegenüber gibt es im Neuen Testament keine Form
von Stellvertretung" (S. 214). Der erhöhte Christus ist das
Haupt und der Herr der Kirche „nicht avif Grund dessen,
daß er in seiner historischen Existenz als Mann erschien
solche Auffassung verrät eine Uli geistliche Denkweise —,
sondern insofern er der menschgewordene Gott ist, der durch
sein Leiden und Sterben die Kirche erwarb und sie sieh als
seinen ,Leib' zu eigen machte" (S. 212 f.).

Schon um der Reinigung der Amlsauffassung von im
geistlichen Elementen willen sei es notwendig, der Frau den
Zugang zum Priesterberuf zu öffnen, damit dadurch „das
Amt . . . erstmalig seine voll-menschliche Ausprägung
erhält" (S. 220). Eine durch das Geschlecht des Amtsträgers
vorgegebene Qualifikation oder Disqualifikation dürfe es in
der Kirche Christi nicht geben. Solange die Kirche dennoch
an der Behauptung festhält, Gott berufe keine Frau zum
„amllichtn Dienst", setze sie dem Wirken des Heiligen
Geistes Schranken entgegen (S. 227). Das Ganze ist, wie
schon eingangs betont, ein mutiges Buch. Sein Eigenwert,
der es aus der Vielzahl anderer Publikationen, die die
Gleichstellung der Frau mit dem Mann innerhalb der
Kirche(n) fordern, heraushebt, liegt in der sauberen und
informativen Darstellung der römisch-katholischen Hcchts-
auffassungen, einschließlich ihrer theologischen und rechts
historischen Motivationen.

PoUdam-Dabelibcrg Ilie Bcrllncttl

LITURGIEWISSENSCHAFT

Schott-Meßbuch: Die neuen Wochentagslesiingen. Teil 3.
6. —20. Woche im Jahreskreis. Originaltexte der Altarausgabe
des Lektionars mit Einführungen von den Bcne-
dektinern der Erzabtei Beuron. Freiburg-Basel-Wien:
Herder [1972]. 697 S. kl. 8°. Lw. DM 8,50.
„Der Name Schott ist geschützt", lesen wir im Anhang
dieses Bändchens — und das bekannte Markenzeichen mit
dem Kreuz über dem großen „0" weist uns noch zusätzlich
darauf hin, daß wir es hier mit einer Fortsetzung der wohl
bedeutendsten volksliturgischen Publikation der letzten
hundert Jahre im deutschen Sprachraum zu tun haben. Die
erste Auflage des „Schott" erschien im Jahre 1884; P.
Anselm Schott schrieb damals im Vorwort: „Das ,Meßbuch'
möchte ein Weniges dazu beitragen, daß der reiche Gebctsschatz
der Kirche, der in ihrer heiligen Liturgie niedergelegt
ist, immer mehr den Gläubigen zugänglich und vertraut
werde." Wir wissen, daß der „Schott" diese Aufgabe in
wahrhaft glänzender Weise erfüllt hut - so sehr erfüllt hat,
daß er sich inzwischen im besten Sinne des Wortes seihst
erübrigt. Mit dem Einzug der Muttersprache in ulle Teile der
Liturgie braucht die Gemeinde kein „Medium" mehr, das
zwischen fremdsprachlichen, womöglich noch geflüsterten
Texten und dem eigenen Verstehen, dem eigenen Nach-
vollzichen vermittelt. Dos bedeutet: Der „Schott", wie wir
ihn bisher konnten, hat seine Funktion verloren. Texte, die
man unmittelbar verstehen kann, braucht man nicht noch